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Noch immer keine eigenen 5G-Frequenzen

Mobilfunkbetreiber in Polen warten auf Ausschreibungen für 5G-Frequenzen. Die Regierung will zuerst ein Sicherheitsgesetz verabschieden. Ein neuer Entwurf stößt auf geteiltes Echo.

Von Christopher Fuß | Warschau

Der Mobilfunkstandard 5G gilt dank hoher Übertragungsraten als wichtige Voraussetzung für Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, intelligente Stromnetze und Industrie 4.0. Polen tritt beim Ausbau jedoch auf der Stelle.

Bereits 2020 wollte die polnische Aufsichtsbehörde UKE (Urząd Komunikacji Elektronicznej) 5G-Frequenzen im 3,6 Gigahertz-Bereich versteigern. Die Covid-19-Pandemie schob der Auktion einen Riegel vor. Anschließend erklärte die Behörde, mit der Versteigerung zu warten, bis die Arbeiten an einem geplanten Cybersicherheitsgesetz beendet sind.

Das Reformprojekt stieß in der Mobilfunkbranche auf wenig Gegenliebe. Im Oktober 2022 veröffentliche das Büro des Premierministers Mateusz Morawiecki den mittlerweile achten Entwurf des Cybersicherheitsgesetzes. Polens Regierung scheint in einigen Punkten auf die Kritik aus der Industrie an früheren Versionen einzugehen.

5G-Frequenzbereiche und deren Eigenschaften in der EU

Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben drei 5G-Frequenzbereiche festgelegt:

  • 700 Megahertz - Die Frequenzen haben eine hohe Reichweite mit relativ geringer Übertragungsgeschwindigkeit
  • 3,6 Gigahertz - Die Frequenzen haben eine mittlere Reichweite mit großer Übertragungsgeschwindigkeit
  • 2,6 Gigahertz - Die Frequenzen haben eine geringe Reichweite mit sehr großer Übertragungsgeschwindigkeit

Teilstaatlicher Netzbetreiber fehlt im neuen Gesetzentwurf

Der 700 Megahertz-Frequenzbereich soll nicht mehr an eine neue Gesellschaft namens Polskie5G gehen. Deren Hauptanteilseigner wären laut früheren Gesetzentwürfen eine staatseigene Firma und der staatliche Entwicklungsfonds PFR (Polski Fundusz Rozwoju). Private Mobilfunkanbieter hätten sich als Minderheitseigner einkaufen können. Branchenvertreter befürchteten, wegen fehlender Stimmrechte bei strategischen Entscheidungen außen vor zu bleiben.

Der Anbieter Polskie5G hätte anderen Mobilfunkunternehmen Dienstleistungen im 700 Megahertz-Frequenzbereich angeboten. Das Innenministerium kritisierte dieses Modell als undurchsichtig. Zum Kreis der potenziellen Dienstleistungsempfänger hätte nämlich auch der staatliche Betreiber des Mobilfunknetzes für Regierungsstellen und Sicherheitsdienste OSSB (Operator Strategicznej Sieci Bezpieczeństwa) gehört. Dieser noch zu bestimmende Betreiber wäre gleichzeitig staatlicher Firmenanteilseigner an Polskie5G. Das bedeutet: Ein staatliches Unternehmen hätte sich über die Beteiligung an Polskie5G selbst Dienstleistungen angeboten.

Dieses Modell scheint nun vom Tisch. Wie der Regierungsbeauftragte für Cybersicherheit, Janusz Cieszyński, im Wirtschaftsmagazin Puls Biznesu erklärte, soll die Gesellschaft Polskie5G allenfalls als freiwilliger Zusammenschluss von Telekommunikationsunternehmen entstehen. Unabhängig davon würde der OSSB-Betreiber ein Drittel der Kapazitäten im 700 Megahertz-Frequenzbereich erhalten.

Polens Regierung will nur staatseigene Firmen als Sicherheits-Netzanbieter in Betracht ziehen. Unternehmen fordern hier mehr Wettbewerb. Bereits im April 2022 kritisierte die Polnische Kammer für Informationstechnologie und Telekommunikation PIIT: "Es wird faktisch ein gesetzliches Monopol des OSSB geschaffen“. Wirtschaftsvertreter favorisieren eine öffentliche Ausschreibung.

Ausbau möglicherweise ohne chinesische Anbieter

Der aktuelle Gesetzentwurf enthält, ähnlich wie frühere Versionen, einige Kriterien, die bestimmte Funktechnikhersteller vom 5G-Ausbau ausschließen sollen. Der Digitalisierungsminister könnte in Absprache mit anderen öffentlichen Einrichtungen Hardware-Partner als Risikolieferanten einstufen. Ausschlaggebend wäre unter anderem, ob der Hersteller unter Kontrolle eines Landes außerhalb von EU und NATO steht. Beobachtern zufolge nimmt die Regelung insbesondere den chinesischen Anbieter Huawei ins Visier.

Neu im Gesetzentwurf vom Oktober 2022 ist, dass betroffene Lieferanten Widerspruch vor einem dreiköpfigen Richtergremium einlegen können. Gerichte sollen außerdem die Vollstreckung von Risikoeinstufungen zeitweise aussetzen können. Hat das Digitalisierungsministerium einen Hersteller als Risikolieferanten eingestuft, müssten Mobilfunkanbieter die bereits verbaute Technik binnen fünf bis sieben Jahren austauschen.

PIIT kritisiert in einer Stellungnahme: "Die Kriterien [für die Einstufung als Risikolieferant] sind willkürlich, vage und nicht-technisch. Sie können daher zu einer unzuverlässigen Bewertung führen“. Regierungsbeauftragter Janusz Cieszyński entgegnet in Puls Biznesu: "Die Verfahren sind sehr detailliert beschrieben. Es gibt einen ganzen Katalog von Rechtsbehelfen."

Trotz fehlender Versteigerungen preschen Unternehmen vor

Die Mobilfunkanbieter hoffen derweil, dass Polens Netzaufsicht möglichst bald neue Frequenzen im Bereich von 3,6 Gigahertz ausschreibt. Bislang müssen sich die Unternehmen mit Übergangslösungen zufriedengeben. In den Ballungsräumen etwa senden die Firmen auf alten 4G-Frequenzen. Das reiche aber nicht aus, um alle Vorteile des 5G-Standards zu nutzen, sagen Branchenvertreter. Im Interview mit der Tageszeitung Rzeczpospolita mahnt etwa Andreas Maierhofer, Geschäftsführer von T-Mobile Polen: "Wir stoßen an Grenzen. Die verfügbaren Frequenzen gehen zur Neige."

Einige Industriebetriebe in Polen setzen bereits 5G-Technologien ein. Der deutsche Haushaltselektronik-Hersteller Miele stattete gemeinsam mit dem französischen Mobilfunkanbieter Orange sein Werk in Ksawerów mit entsprechenden Systemen aus. Dank des modernen Funkstandards konnte Miele die Qualitätskontrolle digitalisieren und Mitarbeiterschulungen über Virtual Reality (VR) durchführen. "All dies zielt darauf ab, unsere Fabrik weiter digital zu transformieren und ihre Effizienz zu steigern", kommentierte Dr. Thorsten Störmer, Geschäftsführer von Miele Ksawerów.

Polens Kabinett will das Cybersicherheitsgesetz bis zum 2. Quartal 2023 verabschieden. Laut Regulierungsbehörde UKE könnten 5G-Ausschreibungen schon etwas früher starten, wenn der Ständige Ausschuss des Kabinetts - eine Art Hilfsorgan - das Gesetz angenommen hat. Polen ist laut der Beobachtungsstelle 5G Observatory das einzige Land in der EU, dass noch keine eigenen 5G-Frequenzen zugewiesen hat.

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