Branchen | Polen | IT-, Telekommunikationsdienste
Polen wird digitaler
Die Digitalisierung schreitet in Polen voran. Dabei gerät die Cybersicherheit stärker in den Fokus. In Warschau entstehen internationale Datenzentren.
21.12.2022
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Während die Nachfrage nach Hardware in Polen tendenziell sinkt, bleiben Software und IT-Dienstleistungen gut gefragt. Laut der Beratungsfirma Deloitte setzen inzwischen 74 Prozent der polnischen Unternehmen auf eine Automatisierung von Geschäftsprozessen. Im Jahr 2015 waren es erst 13 Prozent.
IT-Spezialisten fehlen
Die Digitalisierung wird allerdings durch den Mangel an entsprechenden Spezialisten ausgebremst. Das Polnische Wirtschaftsinstitut (Polski Instytut Ekonomiczny; PIE) schätzt den derzeitigen dringenden Bedarf an hochqualifizierten IT-Fachkräften auf 25.000. Diese Lücke wird kaum zu schließen sein, zumal auch andere Länder solche Spezialisten suchen. Im Oktober 2022 gab es im IT-Bereich laut der Personaldienstleistungsgesellschaft Adecco Group rund 53.400 Stellenangebote in Polen.
Aufgrund des Mangels an IT-Spezialisten sind auch andere Mitarbeitende von Firmen bei der Entwicklung von digitalen Lösungen gefragt. Den Trend zum Einsatz anderer Beschäftigter für IT-Aufgaben fördern laut Branchenkennern spezielle Low code- oder No code-Plattformen, die das Programmieren vereinfachen. Sie dürften künftig zum grundlegenden Instrument für die digitale Transformation werden.
Cybersicherheit wird immer wichtiger
Angesichts der zunehmenden Digitalisierung und internationaler Konflikte wird der Schutz vor Cyberattacken immer wichtiger. Rund 77 Prozent der polnischen Firmen waren 2021 Ziel solcher Angriffe mit Schadprogrammen wie Ransomware, wie der Softwareentwickler CogniClick im Auftrag des IT-Unternehmens Iron Mountain ermittelte. Hacker attackieren immer häufiger. Am stärksten davon betroffen war 2021 der Medienbereich einschließlich Social Media. Dem Anbieter von Cybersicherheitslösungen Check Point zufolge belegt Polen den sechsten Platz in Europa, was die Häufigkeit von Cyberangriffen betrifft.
Branche, Personengruppe | Anteil |
---|---|
Medien, Social Media | 28,3 |
Handel | 17,4 |
Post, Kurierdienste | 14,7 |
Energiesektor | 13,9 |
Einzelne Personen | 8,4 |
Digitale Infrastruktur | 5,5 |
Bankwesen | 3,2 |
Übrige | 8,6 |
Die US-Firma Netskope, die sich mit Cybersicherheit befasst, investiert in ein Datenverarbeitungszentrum in Warschau, das 2023 den Betrieb aufnehmen soll. Auch der Konzern Cisco Systems will die Digitalisierung in Polen voranbringen. Cisco Systems will sich unter anderem dem Schutz der kritischen Infrastruktur Polens annehmen.
Warschau zieht Datenzentren an
Datenzentren entwickeln sich dynamisch. In Europa, Nahost und Afrika entstehen nach Einschätzung der britischen Immobilienfirma Knight Frank nur in Zürich und Johannesburg noch schneller neue Rechenzentren als in Warschau. Das geht aus ihrem Data Centre Report zu den Emerging Markets in diesen Weltregionen hervor.
Der Umfang von Datenzentren bemisst sich nicht in Quadratmetern der angemieteten Fläche, sondern in Rechenkapazitäten. Mitte 2022 wurden Warschau davon 220 Megawatt zugeordnet, darunter waren bereits übergebene Zentren sowie noch in Bau oder Planung befindliche Objekte. Über die Hälfte der Kapazitäten entfiel auf Projekte im Planungsstadium.
Die Nachfrage nach Datenzentren wird angeheizt durch die verstärkte Cloudnutzung von Unternehmen und durch die stetig steigende Zahl an Nutzern von Social Media. Beim Cloud Computing besteht in Polen noch großes Wachstumspotenzial. Das lässt Global Player wie Amazon, Google oder Microsoft dort weiter expandieren.
Amazon eröffnete im Herbst 2022 in Warschau eine sogenannte Cloud Zone. Die AWS-Infrastruktur (Amazon Web Services) ermöglicht es Endnutzern, mit kaum messbaren Verzögerungen (Bruchteile von Sekunden) Cloud- und Hybridlösungen zu nutzen. Dieses Dienstleistungsangebot steht neuerdings Firmen in der polnischen Hauptstadt zur Verfügung. Durch die Präsenz vor Ort vermeidet Amazon mögliche Hindernisse beim grenzüberschreitenden Datentransfer.
Bereits im Sommer 2022 hatte der Datenzentrum-Campus der US-amerikanischen Vantage Data Centers in der Nähe des Warschauer Chopin-Flughafens mit 8 Megawatt seinen Betrieb aufgenommen. Die Kapazität auf dem Campus soll schließlich auf 50 Megawatt anwachsen. Die Datenzentren von Microsoft, Equinix und DATA4 werden dort noch gebaut.
Podcasts als Marketing-Instrument
Podcasts finden auch in Polen immer mehr Anhänger. Laut dem Landesmedieninstitut (Krajowy Instytut Mediów; KIM) ist jeder zehnte Pole bestrebt, regelmäßig solche Programme anzuhören. Das Angebot steigt rapide. Seit 2019 erschienen in Polen laut Tandem Media rund 7.000 allgemein zugängliche Podcasts. Demnach hören 9 Millionen Personen zumindest sporadisch Podcasts.
Etliche Firmen erkannten bereits das große Potenzial dieses Formats für ihre Geschäftszwecke, besonders für das Marketing. Auch Fortbildungen und Wissensaustausch erfolgen online. Über Podcasts können Kunden relativ kostengünstig erreicht werden. Streaming-Dienste wie Netflix gewinnen ebenfalls an Bedeutung. Laut KIM nutzen bereits 13 Prozent der Polen Streaming-Angebote.