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Wirtschaftsumfeld | Polen | Investitionsförderung

Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen

Auch 2022 haben internationale Firmen ihre Präsenz in Polen ausgebaut. Einen Branchenfokus gibt es nicht. Experten erwarten 2023 Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polen bleibt ein beliebtes Ziel internationaler Investoren - trotz des von Russland losgetretenen Krieges im Nachbarland Ukraine. Laut der polnischen Nationalbank NBP (Narodowy Bank Polski) lag die Summe aller ausländischen Direktinvestitionen zwischen Januar und November 2022 um 8 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Santander Bank Polska schätzt, dass im gesamten Jahr 2022 mehr als 33 Milliarden Euro nach Polen geflossen sind. Das wäre ein Rekordwert.

Die Investitionen aus dem Ausland scheinen sich zu rechnen. Unter Berufung auf NBP-Zahlen schreibt die Tageszeitung DGP (Dziennik Gazeta Prawna), allein im 1. Halbjahr 2022 seien die Gewinne von Unternehmen in Polen mit ausländischen Eigentümern um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Ein Großteil der Überschüsse fließt in den Ausbau der polnischen Niederlassungen.

Firmen aus Deutschland setzen weiter auf Polen

Zu den wichtigsten ausländischen Investoren gehören weiterhin deutsche Firmen. Standortberater Leo Mausbach von der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen) freut sich: "Wir hatten 2022 ein deutliches Plus, sowohl bei den Anfragen als auch bei den Investitionsprojekten aus Deutschland." Trotzdem gab es auch Herausforderungen: "Hohe Preise an den Energiemärkten verunsichern die Unternehmen. Im letzten Quartal 2022 haben einige Firmen aus Deutschland mit ihren Expansionsplänen pausiert. Man wollte den Winter abwarten. Zum Jahresauftakt 2023 sehen wir aber, dass die Anfragen potenzieller Investoren aus Deutschland wieder zunehmen", erklärt Mausbach.

Mietpreisentwicklung in Polen (in Euro pro Quadratmeter/Monat)

Indikator

2020*)

2021*)

2022*)

Miete jeweils für Büroraum im Zentrum der Hauptstadt Warschau

   Klasse A

18,00-24,00

18,00-24,00

18,00-26,00

   Klasse B

13,50-19,00

13,50-19,00

13,50-19,00

* Angabe zum JahresendeQuelle: Jones Lang LaSalle 2023

Staatliches Onlineportal für Gewerbeimmobilien

Die staatliche Investitions- und Handelsagentur PAIH (Polska Agencja Inwestycji I Handlu) hat ein Internetportal mit verfügbaren Grundstücken, freien Industriehallen und weiteren Immobilien eingerichtet.

Auch die staatliche Investitionsagentur PAIH (Polska Agencja Inwestycji i Handlu) blickt positiv auf 2022 zurück: Ausländische Unternehmen hätten mit Unterstützung der PAIH 3,7 Milliarden Euro in Polen investiert. Mehr als ein Drittel dieses Betrags kam von deutschen Firmen.

Experten nennen einen wichtigen Grund, warum das Interesse an Polen gerade in Krisenzeiten zunimmt. AHK-Berater Mausbach erklärt: "Nachdem die letzten Jahre von den Begriffen Re-Shoring und Near-Shoring geprägt waren, heißt das neue Modewort Friend-Shoring - nicht nur mit Blick auf Russland: Die sprunghafte Lockdown-Politik in China und die angespannte Lage um Taiwan haben das Risiko langgedehnter Lieferketten in nicht-demokratischen Staaten weiter erhöht. Deutschlands Nachbar Polen hingegen ist als Mitglied in EU und NATO aus der Perspektive der Unternehmen eine sichere Adresse." Das ist auch ein Grund dafür, warum zum Beispiel der Schweizer Schienenfahrzeugbauer Stadler neue Triebwagen für Aserbaidschan nicht, wie ursprünglich geplant, in Belarus herstellen lässt, sondern in Polen.

Nicht nur die Industriezentren profitieren

Einige Regionen in Polen ziehen besonders viele Direktinvestitionen an. Laut Angaben der Sonderwirtschaftszonen gingen die größten Projekte in die Woiwodschaften Dolnośląskie, Łódzkie und Pomorskie. Die an Deutschland grenzende Region Dolnośląskie konnte sich über eine Ankündigung von Mercedes-Benz freuen. Der Automobilkonzern will ein Werk für Elektro-Kastenwagen bauen. In Łódzkie hingegen investiert der japanische Wärmepumpenhersteller Daikin. Außerdem erweitert BSH (Bosch und Siemens Hausgeräte) seine Anlagen.

Die Sonderwirtschaftszone rund um die zentralpolnische Woiwodschaft Świętokrzyskie registrierte 2022 einen Investitionsrekord. Wie der Leiter Marcin Perz in der Zeitung DGP berichtet, haben vor allem neue Förderprogramme das gute Ergebnis ermöglicht. Seit 2022 bekommen Investoren in dieser Region höhere Steuererleichterungen.

Was sind Sonderwirtschaftszonen?

Polen ist in 14 sogenannte Sonderwirtschaftszonen unterteilt. Seit 2018 decken diese Zonen das ganze Land ab. Für jede Zone gibt es eine zuständige staatliche Fördergesellschaft. Diese vergeben Steuernachlässe an Investoren und sind in groben Zügen vergleichbar mit den Wirtschaftsfördergesellschaften der Bundesländer in Deutschland.

Polens Wirtschaftsministerium berichtet, dass mehr ausländisches Kapital in strukturschwache Regionen wandert. Im Jahr 2022 seien 37 Prozent aller Direktinvestitionen in Städte geflossen, denen laut polnischer Klassifikation der Verlust ihrer sozioökonomischen Funktionen droht. Der Wert lag 2021 noch bei 24 Prozent.

Wachstum dank neuer Infrastruktur

Die in Teilen der Woiwodschaft Dolnośląskie tätige Sonderwirtschaftszone Kamiennogórska klagt hingegen, dass in der südwestlichen Region Großunternehmen keine Steuererleichterungen für Reinvestitionen erhalten. Der Grund: Dolnośląskie ist mittlerweile eine der am höchsten entwickelten Gegenden des Landes. Laut Vertretern der Sonderwirtschaftszone würden ohne die Einschränkung mehr große Unternehmen ihre Standorte auszubauen.

Profitieren könnte die Region aber schon bald von der Autobahn S3 zwischen den Ortschaften Kamienna Góra und Lubawka. Industriebetriebe haben diese Ecke eher gemieden, auch weil Verkehrsanbindungen fehlten. Im Laufe des Jahres 2023 soll der neue Autobahnabschnitt fertig werden.

Die großen Unternehmensberatungen in Polen prognostizieren für 2023 Investitionen im Medizinmarkt und im Bereich der erneuerbaren Energien. Tatsächlich haben die Pläne der polnischen Regierung, Offshore-Windparks in der Ostsee zu bauen, bereits einen Branchenriesen überzeugt. Der dänische Windturbinenhersteller Vestas baut in der Küstenstadt Szczecin ein Werk.

Investieren wird teurer

Herausforderungen begegnen potenziellen Investoren am Kapitalmarkt und auf den Rohstoffmärkten. Die Kreditzinsen in Polen haben sich über das Jahr 2022 fast verdreifacht. Dadurch steigen die Finanzierungskosten für Investitionsprojekte.

Während der Coronapandemie und infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine sind die Preise für Baumaterial angestiegen. Der Bau neuer Hallen wird teurer. Der Polnische Arbeitgeberverband des Baugewerbes PZPB (Polski Związek Pracodawców Budownictwa) hält fest, dass die meisten Rohstoffe auch Anfang 2023 deutlich mehr kosten als vor der Pandemie. Baustahl und Bauholz seien zwar inzwischen billiger als noch im Sommer 2022. Allerdings erwartet der Verband, dass die Preise für Beton oder Zement anziehen.

Die hohe Auslastung der Maschinen- und Anlagenbauer sorgt außerdem dafür, dass Firmen lange Lieferzeiten für Produktionsanlagen in Kauf nehmen müssen. Immerhin berichten führende Logistikdienstleister, dass die Unterbrechungen von Lieferketten rückläufig sind.

Ausländische Direktinvestitionen in Polen (in Milliarden Euro)

Indikator

2019

2020

2021

Kumulierter Bestand

214,6

208,5

239,0

Nettotransfers

12,1

13,3

25,0

Quelle: NBP 2023

Deutsche Direktinvestitionen in Polen (in Millionen Euro)

Indikator

2019

2020

2021

Kumulierter Bestand

40.206

35.529

40.007

Nettotransfers

2.959

1.661

2.968

Quelle: NBP 2023

Größte deutsche Investoren in Polen (nach Umsatz in Milliarden Euro im Jahr 2021)

Unternehmen

Branche

Umsatz in Polen*)

Lidl

Einzelhandel

5,9

Volkswagen Poznań

Kfz-Produktion

3,7

Volkswagen Group Polska

Kfz-Produktion

2,9

Kaufland Polska

Einzelhandel

2,6

Rossmann SD Polska

Einzelhandel

2,1

* Umrechnung zum Wechselkurs: 1 Euro = 4,5652 ZłotyQuelle: Lista 2000, Tageszeitung Rzeczpospolita (Liste der 2.000 umsatzstärksten Unternehmen in Polen im Jahr 2021)

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