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Portugal behält das Gelbe Trikot der EU-Fahrradproduktion

In Portugal wurden auch 2021 mehr Fahrräder hergestellt als in jedem anderen EU-Land. Innovationen sind der Schlüssel für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.

Von Oliver Idem | Madrid

Portugal bleibt das wichtigste Produktionsland für Fahrräder innerhalb der EU. Die inländische Fertigung legte 2021 um 12 Prozent auf 2,88 Millionen Stück zu. Somit stammte jedes fünfte in Europa hergestellte Fahrrad aus einer Fabrik in Portugal, wie Daten des europäischen Statistikamtes Eurostat zeigen.

Der Aufwärtstrend ist international betrachtet keine Ausnahme: Das Marktforschungsunternehmen Mordor Intelligence bezifferte den Weltmarkt für Fahrräder 2020 auf 60,7 Milliarden US-Dollar und erwartet bis 2026 ein jahresdurchschnittliches Wachstum von 4,2 Prozent.

Die neuesten Zahlen aus Portugal bestätigen diese positive Tendenz. Der Fachverband Abimota errechnete für Januar und Februar 2022 einen Zuwachs von 49 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In ihrer weit gefassten Definition von Zweirädern und sanfter Mobilität kommt die Branchenorganisation auf einen Exportwert von knapp 110 Millionen Euro für die ersten beiden Monate 2022. 

Der Fachverband führt den Fahrradboom maßgeblich auf die Pandemie und die hohen Kraftstoffpreise zurück. Der Wachstumstrend dürfte weitergehen, sich aber möglicherweise im Jahresverlauf abschwächen.

Verkäufe gehen vor allem in EU-Länder

Der Inlandsmarkt trägt zum Hoch der Fahrradverkäufe weniger bei als die Nachfrage aus den großen EU-Ländern. Die Kaufkraft in Portugal ist nicht so hoch, dass Elektrofahrräder für viele bezahlbar wären.

Bislang gilt das Fahrrad zudem eher als Sportgerät denn als Verkehrsmittel im Alltag. Diese fehlende Verankerung liegt auch an einem Mangel an Infrastruktur. Die Verwaltungen der großen Städte Lissabon und Porto gehen das Problem an und investieren in neue Radwege. Die portugiesische Regierung stockte zudem 2021 die Finanzmittel für ein Programm zur Anschaffung von Fahrrädern auf.

Veränderungen in den Lieferketten seit dem Ausbruch der Pandemie bekamen die Fahrradhersteller in negativer wie positiver Hinsicht zu spüren. In Portugal werden nicht alle erforderlichen Komponenten für Fahrräder hergestellt. Da die Produzenten sich beispielsweise auf Bremsen, Schaltungen und Sättel aus Asien stützen, wurden sie von Engpässen und Verzögerungen getroffen.

Beim kompletten Fahrrad zeigten sich hingegen Vorteile gegenüber asiatischen Konkurrenten. Dazu gehörten die räumliche Nähe zu den Kunden in den einwohnerstarken EU-Ländern und zuverlässigere Transportmöglichkeiten. Die geringere Entfernung erleichterte es portugiesischen Fahrradverkäufern, kurzfristig auf Kundenwünsche einzugehen. Das war wegen der vor allem bei E-Bikes oft gut informierten und anspruchsvollen Kundschaft wichtig.

Kraftvolle Belebung des Außenhandels nach dem Pandemiejahr 2020

Die Ausfuhren von Fahrrädern des Jahres 2021 wurden vor allem von Elektrofahrrädern getragen. Diese dürften auch 2022 der entscheidende Treiber für Zuwächse bleiben.

Exporte der Fahrradbranche in Portugal (in Millionen Euro, Veränderungen in Prozent)

Kategorie

2021

2020

Veränderung

Fahrräder

307,8

245,8

25,2

Teile und Zubehör

99,1

86,9

14,0

Rahmen und Gabeln

23,6

10,9

116,5

Quelle: Eurostat 2022

Die exportstarken Branchenunternehmen in Portugal beziehen vor allem Komponenten und Zubehör aus dem Ausland. Die Einfuhren kompletter Fahrräder spielen hingegen eine untergeordnete Rolle. 

Importe der Fahrradbranche in Portugal (in Millionen Euro, Veränderungen in Prozent)

Kategorie

2021

2020

Veränderung

Fahrräder

31,2

29,7

5,1

Teile und Zubehör

235,4

154,4

52,5

Rahmen und Gabeln

100,9

53,2

89,7

Quelle: Eurostat 2022

Das Auslandsgeschäft wirkt als Innovationsmotor für die Konkurrenzfähigkeit der portugiesischen Fahrradhersteller. Neben etablierten Konkurrenten erwarten nun auch Unternehmen aus Bulgarien und Rumänien, vom künftigen Wachstum des Fahrradmarkts zu profitieren. 

Die portugiesischen Branchenunternehmen setzen an den Punkten Digitalisierung und Innovationen an. Ein Element bildet die Internetplattform Portugal Bike Value. Diese dient als zentrale Anlaufstelle der Branche und informiert über Veranstaltungen. Außerdem gibt es einen virtuellen Showroom als Instrument zur Erreichung von Kunden im Ausland. 

Bei der Umsetzung der Branchenagenda AM2R kann der Fachverband Abimota auf Fördermittel aus dem portugiesischen Aufbau- und Resilienzplan zurückgreifen. Diese Agenda wurde von Abimota, 34 Unternehmen und vier Forschungsinstitutionen entwickelt. Für die Umsetzung von 64 Projekten stehen insgesamt 258 Millionen Euro bereit. Etwa zwei Drittel davon entfallen auf Produktinnovationen. Die übrigen Vorhaben drehen sich um Forschung und Entwicklung sowie Ausbildung und Qualifizierung.

Die öffentliche Unterstützung des Sektors stellt keine Ausnahme dar. Schon frühere Investitionen im Fahrradsektor profitierten von Kofinanzierungen der EU. Rückenwind kam auch von Antidumpingzöllen, mit denen sich die EU gegen externe Billiganbieter zur Wehr setzt.

Rund 70 Unternehmen produzieren Fahrräder und Teile in Portugal

Portugal verfügt über ein Zentrum der Fahrradindustrie. Das Cluster Águeda ist auch als "Tal der Fahrräder" bekannt und bündelt viele Aktivitäten im Sektor. Insgesamt sind circa 20 Montageunternehmen sowie rund 50 Hersteller von Teilen und Zubehör wie Lenkern, Bremsbelägen und Helmen in Portugal aktiv. Auch Rahmen aus Kohlefasern und Aluminium sowie Sättel zählen zum Produktportfolio. Einen guten Überblick bietet die Mitgliederliste des Fachverbandes Abimota.

Der Branchenriese RTE dominiert die Fertigung und beliefert die französische Sportartikelkette Decathlon. Das Unternehmen produziert annähernd die Hälfte der Fahrräder in Portugal. In Vila Nova de Gaia betreibt RTE das größte Montagewerk Europas für Fahrräder. Die Exportquote liegt bei 90 bis 95 Prozent. Große Zielmärkte bilden Frankreich, Spanien, Deutschland und Polen.

Deutsche Unternehmen spielen ebenfalls eine Rolle im portugiesischen Fahrradsektor. Bosch und die Universität Minho entwickeln Sicherheits- und Entertainmentanwendungen für Fahrräder und schöpfen dabei aus der Erfahrung mit Lösungen für die Automobilindustrie.

In der Fabrik "Carbon Team" in Campia werden seit Mitte 2021 Karbonfaserrahmen für Fahrräder produziert. Zunächst sind 25.000 Stück pro Jahr geplant, die Menge kann jedoch verdoppelt werden. An dem Projekt sind Partner aus Portugal, Deutschland (Bike Ahead Composites) und Taiwan beteiligt.

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