Special | Rumänien | Klimawandel lokal
Bergbauregion Schiltal beginnt langsam mit Strukturwandel
Statt von der Kohle will das Schiltal unter anderem vom Tourismus leben. Ob dies gelingt, hängt davon ab, wie Politik, Wirtschaft und die Bevölkerung den Strukturwandel gestalten.
07.06.2023
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Die rumänische Regierung hat im Herbst 2021 einen Ausstieg aus der Steinkohle bis 2032 angekündigt. Entsprechend existieren Zielvorgaben und Strategiepläne, etwa für die Transformation der Kohleregionen. Es handelt sich um Investitionen in Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro, schätzt das rumänische Energieministerium. Für den Strukturwandel erhält Rumänien Fördergelder aus dem Just-Transition-Fonds der Europäischen Union (EU). Für den Zeitraum 2023 bis 2027 stehen rund 17,5 Milliarden Euro bereit.
Eine Region, die von den reichhaltigen Fördermitteln profitieren kann, ist das Valea Jiului, auch Schiltal genannt. Es befindet sich im Landkreis Hunedoara, der neben den Landkreisen Timis und Caras-Severin zur Planungsregion Vest gehört. Die Region Vest ist eine von insgesamt acht Entwicklungsregionen im Land, in denen EU-Entwicklungsprojekte für die Städte und Landkreise koordiniert werden.
Schiltal hängt noch an der Steinkohle
Der Niedergang des Kohlebergbaus in der monoindustriellen Region Schiltal schreitet unaufhaltsam voran. Einheimische, insbesondere junge Menschen, verlassenen die Region aufgrund begrenzter Möglichkeiten, einen Job zu finden. Das Schiltal lebt nach wie vor vom Energiesektor. Aktuell sind im Schiltal noch vier Steinkohleminen in Betrieb. Sie liefern Kohle für die nahegelegenen Kraftwerke der Region und beschäftigen rund 4.000 Menschen.
Sektor | Anzahl in Personen | Anteil an allen Erwerbstätigen im Schiltal (in Prozent) |
---|---|---|
Bergbau, Förderung von Steinkohle | 2.724 | 10,9 |
Energieerzeugung | 1.039 | 4,1 |
Andere mit dem Bergbau verbundene Sektoren (zum Beispiel Logistikdienstleistungen etc.) | 367 | 1,4 |
Zu den größten Arbeitgebern im Schiltal gehört neben den Steinkohleminen der Fernwärme- und Stromproduzent Complexul Energetic Hunedoara. Das Unternehmen betreibt die Kohlekraftwerke Deva und Paroseni mit einer installierten Leistung von insgesamt 1.255 Megawatt und gehört damit zu den größten Stromproduzenten in Westrumänien.
Städte des Schiltals wollen mehr Tourismus
In den betroffenen Regionen müssen die Verwaltungen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Vereinigungen gemeinsam eine Vision für die Zukunft der monoindustriellen Regionen entwickeln. Erste Ideen gibt es bereits. Es gibt Skigebiete und Wanderwege in unmittelbarer Nähe. Dies macht eine touristische Umnutzung plausibel. Innerhalb des vergangenen Jahres haben die Städte des Schiltals - Petrila, Petrosani, Vulcan, Lupeni und Uricani - jeweils einen Entwicklungsplan vorgelegt. Darin verfolgen sie Projekte wie den Bau von Ferienressorts, Hotel- und Freizeitanlagen. Diese Pläne müssen in die Entwicklungsstrategie des gesamten Landkreises integriert werden.
Die lokale Kreisverwaltung Hunedoara plant, verlassene Industriestandorte zu sanieren. Dafür benötigt sie auch interessierte Investoren. Laut dem Plan für die Entwicklung des Landkreises Hunedoara, fördert der Landkreis gezielt eine Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur im Schiltal. Der Plan zeichnet ein Szenario, bei dem sich neue Industriezweige in den verlassenen Industrieanlagen und Bergbauanlagen niederlassen und so den Strukturwandel aktiv umsetzten. Er identifiziert dabei die Ansiedlung von Elektroindustrie und Lebensmittelindustrie sowie die Entwicklung des Tourismus als geeignete Wege.
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Es fehlt ein umfassender Dialog
Alle Konzepte von Entwicklungsplänen werden jeweils auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene entwickelt. Es fehlt nach wie vor an einem umfassenden Dialog zwischen den politischen Ebenen, den Gewerkschaften, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft über zu ergreifende Maßnahmen und Chancen.
Die Debatten über erforderliche Maßnahmen würden sehr interessengeleitet geführt werden, beobachtet Mihai Constantin vom rumänischen Think Tank für Energiepolitik Energy Policy Group: "Die Gewerkschaften in der Region sind sehr stark und die Politiker wollen die Wähler, die bedroht sind, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, nicht beunruhigen." Dies sei einer der Gründe, warum der Kohleausstieg in diesem Jahr noch nicht begonnen hätte, sondern auf Herbst 2023 verschoben wurde, sagt er.