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Industrie bleibt vorerst auf russisches Metall angewiesen

Russland ist ein wichtiger Lieferant von Metallen. Die Automobil- und Elektronikindustrie sowie der Maschinen- und Flugzeugbau können ihre Abhängigkeit erst mittelfristig senken.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Metalle gehören nach Erdöl, Ölprodukten, Erdgas und Kohle zu den wichtigsten Exportgütern Russlands. Bei Aluminium, Nickel, Palladium und Titan hält das größte Flächenland einen signifikanten Weltmarktanteil. Die Europäische Union (EU) und die Bundesrepublik decken einen Großteil ihres Metallbedarfs aus Russland. Von Lieferungen aus Russland abhängig sind vor allem die Automobil- und Elektronikindustrie sowie der Maschinenbau.

Russlands Krieg gegen die Ukraine sorgt für Unsicherheit auf dem Weltmarkt für Rohmetalle und metallhaltige Vorstoffe. Bei einem Lieferstopp dürfte sich das weltweite Defizit an Halbleitern weiter verschärfen. Mit einem weiteren Anstieg der Preise ist zu rechnen.

Die EU verhängte im 4. und 5. Sanktionspaket ein Importverbot für bestimmte Eisen- und Stahlerzeugnisse aus Russland. Betroffen sind unter anderem kalt- und warmgewalzte Bleche aus nicht legiertem oder legiertem Stahl, Bleche mit metallischem Überzug oder Stäbe und Leichtprofile aus rostfreiem Stahl. Metalle wie Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Eisenerz unterliegen hingegen keinen EU-Sanktionen.

Die von der EU und USA sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska (Rusal), Alexej Mordaschow (Severstal) und Alischer Usmanow (Metalloinvest) sind an Metallurgiekonzernen beteiligt. Ein Unternehmen, bei dem die sanktionierte Person keine tatsächliche Kontrolle oder Mehrheitsbeteiligung auf das Unternehmen ausübt, unterliegt nicht automatisch Einschränkungen. Eine Prüfung, ob die sanktionierte Person doch faktisch die Kontrolle ausübt, ist trotzdem zwingend erforderlich. Weder Nornickel noch sein Hauptaktionär, Wladimir Potanin, wurden bisher mit EU-Sanktionen belegt, weil russische Nickellieferungen zurzeit nicht ersetzt werden können.

Lieferengpässe befeuern Preisrallye bei Aluminium

Mit einem Marktanteil von 10 Prozent ist Russland nach China der zweitgrößte Aluminiumproduzent weltweit. Rusal, der einheimische Platzhirsch, deckt 5 Prozent des weltweiten Aluminiumbedarfs. Im Jahr 2021 exportierte Rusal 3,9 Millionen Tonnen. Rund die Hälfte der Ausfuhren gingen in die EU und die USA. China bezieht rund ein Fünftel seiner Aluminiumimporte aus Russland.

Ende März 2022 verhängte die australische Regierung ein Ausfuhrverbot für Bauxit und Aluminiumoxide. Dadurch soll Russlands Fähigkeit zur Herstellung von Aluminium eingeschränkt werden. Das größte Flächenland bezieht knapp 20 Prozent seines Bedarfs an Bauxit aus Australien.

Aus Sorge vor drohenden Lieferengpässen aus Russland steigen die Weltmarktpreise. Der Aluminiumpreis erreichte am 21. März 2022 an der Metallbörse London Metall Exchange (LME) mit über 3.800 US-Dollar (US$) pro Tonne eine neue historische Höchstmarke. Bis 20. April 2022 sank der Preis leicht auf 3.264 US$.

Autobauer sind auf Nickel und Palladium aus Russland angewiesen

Russland deckt - nach Indonesien und den Philippinen - rund 10 Prozent des weltweiten Bedarfs an Nickel. Deutschland bezieht rund 40 Prozent des Metalls aus Russland. Wichtigster Lieferant ist der Bergbau- und Metallurgiekonzern Nornickel. Das Kombinat auf der Halbinsel Taimyr in der Region Krasnojarsk produzierte 2021 rund 193.000 Tonnen Nickel. Das Metall kommt unter anderem zur Produktion von Edelstahl und von Lithium-Ionen-Batterien für Elektromobile zum Einsatz.

Befürchtungen von Lieferengpässen lassen die Weltmarktpreise steigen. Der Preis für Nickel stieg an der Londoner Metallbörse (LME) sprunghaft an. Kostete eine Tonne am 7. März 2022 mehr als 100.000 US$, pendelte sich der Preis zum 20. April 2022 bei rund 33.800 US$ ein.

Bei Palladium hält Russland einen Weltmarktanteil von mehr als 40 Prozent. Deutschland deckt rund ein Viertel seines Bedarfs an dem Platinmetall aus Russland, die USA sogar ein Drittel. Palladium kommt in der Automobilindustrie vor allem für die Produktion von Katalysatoren und in der Elektronikindustrie zum Einsatz.

Aus Sorge vor Lieferausfällen steigen die Preise. Am 7. März 2022 erreichte der Preis für eine Feinunze (rund 31,1 Gramm) Palladium mit rund 3.300 US$ einen historischen Rekordwert. Bis 20. April 2022 sank der Preis auf rund 2.500 US$. Als Ersatzlieferant könnte Südafrika einspringen, der neben Russland wichtigste Produzent von Palladium. Jedoch wird es einige Monate dauern, bis die Produktionsmenge erhöht werden kann.

US-Flugzeugbauer will Titanlieferungen aus Russland ersetzen

Russland ist nach China und Japan der drittgrößte Produzent von Titan. Der Weltmarktanteil des größten Flächenlandes liegt bei 13 Prozent. Wichtigster Hersteller ist VSMPO Avisma (gehört zur Staatsholding Rostec) in der Sonderwirtschaftszone Titanowaja Dolina im Gebiet Swerdlowsk. Das leichte und widerstandsfähige Metall kommt bevorzugt beim Flugzeugbau zum Einsatz. In jeder Boeing 787-9 sind bis zu 19 Tonnen Titan verbaut. Bislang unterliegt Titan keinen EU- oder US-Sanktionen.

Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine erklärte Boeing trotz seines Joint Ventures mit VSMPO, den Kauf von russischem Titan auszusetzen. Airbus hält an Titanlieferungen aus Russland dagegen vorerst fest. Der europäische Flugzeugbauer bezieht rund 60 Prozent dieses Metalls aus Russland.

Palettenhersteller müssen russische Stahlnägel ersetzen

Europäische Produzenten von Holzpaletten suchen händeringend nach alternativen Lieferanten für Spezial-Stahlnägel. Bislang kommen rund 90 Prozent des Drahtstahls, aus dem die Nägel gefertigt werden, aus Russland. Stahllieferungen unterliegen jedoch EU-Sanktionen. Im Jahr 2021 produzierten deutsche Hersteller rund 120 Millionen Paletten, davon waren rund die Hälfte mehrfach verwendbare Europaletten.

Die Suche nach neuen Lieferanten von Stahlnägeln nimmt nach Ansicht des Bundesverbands Holzpackmittel, Paletten und Exportverpackung (HPE) sechs bis acht Monate in Anspruch. In der Zwischenzeit drohen den Herstellern Lieferengpässe und damit Produktionsausfälle.


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