Die Kapazitätsplanungen werfen Fragen auf. Die bei Windkraftanlagen geforderte lokale Wertschöpfung stellt Anlagenbauer und Investoren vor Herausforderungen.
Weitere konventionelle Kraftwerke und Atomkraftprojekte geplant
Die Entwicklungsziele bei Solar- und Windenenergie sind zwar ambitioniert, der Grad der Realisierung ist aber ungewiss. Zudem werden weiterhin neue konventionelle Kraftwerke gebaut und geplant. Das gasbefeuerte 1,5 Gigawatt Al Fadhili Kraftwerk in Jubail wurde 2020 fertig. Kurz vor der Fertigstellung steht ein 1,5 Milliarden US$ teures 1,8 Gigawatt Gas- und Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerk in Riad, auch bekannt als Power Plant 13 (PP 13). Ein weiteres GuD-Kraftwerksprojekt (PP 14) mit 1,6 Gigawatt ist in der Hauptstadtregion im Bau. Die nationale Ölgesellschaft Armaco errichtet für 0,8 Milliarden US$ eine 940-Megawatt-GuD-Anlage.
Gemäß MEED Projekts befinden sich konventionelle Kraftwerksprojekte im Wert von über 14 Milliarden US$ in der Planungsphase. Dazu gehören unter anderem ein dreiphasiges Projekt mit insgesamt 3,6 Gigawatt (PP 16) für 3,1 Milliarden US$, die Kapazitätserhöhung der Shuqaiq Power Plant um 2,4 Gigawatt für 2,5 Milliarden US$, ein 3,6-Gigawatt-Projekt für 4 Milliarden US$ in Taiba und ein 3,5-Gigawatt-Vorhaben für ebenfalls 4 Milliarden US$ in Al Qassim.
Die Perspektiven des Atomkraftsektors sind unklar. Es soll eine Nuclear Energy Holding Company gegründet werden. Die Planung sieht bis 2040 den Bau von Kernreaktoren mit einer Gesamtleistung von 17 Gigawatt vor. Zunächst sollen zwei große Atomkraftwerke sowie smarte Reaktoren mit einer Leistung von jeweils 100 Megawatt errichtet werden. Es ist ebenfalls geplant, Uran in Saudi-Arabien abzubauen.
Lokale Wertschöpfung als wichtiges Vergabekriterium
Die Erfüllung von Local-Content-Anforderung stellt die Investoren vor Herausforderungen. Die Entwicklung einer lokalen Zulieferindustrie ist angestrebt, aber ein Großteil der Komponenten und der technischen Dienstleistungen muss zumindest mittelfristig weiterhin im Ausland beschafft werden. Genaue Informationen zum Local Content bei der im Bau befindlichen ersten großen Windkraftanlage (Dumat al Jandal) liegen nicht vor.
Bei der Vergabe von Solar- und Windprojekten sollen Investitionen besonders positiv beurteilt werden, wenn sie den Aufbau einer lokalen Wertschöpfungskette in Betracht ziehen. Die erste große PV-Anlage ist das 300 Megawatt Sakaka-Kraftwerk, welches 2021 ans Netz ging. Die Vergabe der PV-Anlange war an die Auflage gebunden, einen Local-Content-Anteil von 30 Prozent zu erreichen. Ob diese Vorgabe eingehalten werden konnte, ist nicht bekannt.
Bei sechs im Frühjahr 2021 vom Renewable Energy Project Development Office (REPDO) vergebenen PV-Projekten ist eine lokale Wertschöpfung von 17 Prozent zu erreichen. Für vier im Herbst 2021 vergebene PV-Projekte gilt eine Local-Content-Quote von mindestens 18 Prozent. Die Local Content & Government Procurement Authority hat Richtlinien zur Kalkulation der lokalen Wertschöpfung erlassen.
Finanzielle Situation des Staatssektors langfristig ungewiss
Die Stromabnahmeverträge zwischen privaten Kraftwerksbetreibern und der staatlichen Saudi Power Procurement Company (SPPC) haben bei Windkraftanlagen in der Regel eine Laufzeit von 20 Jahren, bei Solaranlagen sind 25 Jahre vorgesehen.
Die Staatseinnahmen schwanken erheblich, was vor allem durch die instabilen Öleinnahmen bedingt ist. Die Haushaltsdefizite waren in den letzten Jahren ebenfalls hoch. Dennoch ist kurz- und mittelfristig nicht mit Zahlungsausfällen zu rechnen. Das Land verfügt über beachtliche und derzeit wieder steigende Reserven.
Die längerfristige Entwicklung der finanziellen Situation des Staatsektors ist allerdings nur schwer prognostizierbar. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen könnte die Ölpreise dauerhaft stark unter Druck setzen. Es ist derzeit unsicher, ob es Saudi-Arabien gelingt, die Wirtschaft zu diversifizieren und damit unabhängiger von Öleinnahmen zu werden.
Die anhaltend instabile politische Situation in der Golf-Region, wie beispielweise Konflikte mit dem Iran und Jemen, könnte eskalieren und die saudi-arabische Wirtschaft schwer treffen. Ausländische Investoren müssen diese Risiken einkalkulieren.
Entwicklung des Strombedarfs und Marktreformen mit Fragezeichen
Die Spitzenlast stieg in Saudi-Arabien bis 2015 kontinuierlich an und trat vor allem in den heißen Sommermonaten auf. Seither gibt es keinen klaren Wachstumstrend mehr. Ein wichtiger Grund dafür sind die steigenden Strompreise seit 2015. Ein weiterer Abbau der Stromsubventionen ist vorgesehen.
Die Regierung geht bis 2030 von einem Anstieg der Spitzenlast auf 120 Gigawatt aus. Mit 62,3 Gigawatt erreichte die Spitzenlast 2015 einen Höhepunkt (nur National Grid, ohne das 2-Gigawatt-Netz der Power and Water Utility Company for Jubail and Yanbu/Marafiq). In den folgenden Jahren lag die Spitzenlast bei 60,8 (2016), 62,1 (2017), 61,7 (2018), 62,1 (2019) und 62,3 Gigawatt (2020). Der neuste und höchste Wert wurde 2021 mit 64,2 Gigawatt registriert.
Beim Stromverbrauch sind seit 2015 nur noch geringe Zuwächse und sogar Rückgange zu verzeichnen. Der Statistikbehörde zufolge stieg zwischen 2015 und 2018 der Stromverbrauch um lediglich 1,5 Prozent, von 295 auf 299 Terawattstunden. Der Verbrauch schrumpfte 2019 um 3,5 Prozent auf 289 Terawattstunden. Eine leichte Erhöhung um 0,2 Prozent wurde 2020 gemeldet. Schätzungen zufolge dürfte sich 2021 aber ein deutlicher Anstieg auf über 300 Terawattstunden ergeben haben.
Saudi-Arabien arbeitet an einer weiteren Privatisierung und Liberalisierung des Stromsektors. Prognosen zum Reformtempo und den zu erwartenden Strukturänderungen sind aber schwierig. Im April 2020 wurde ein neues Planungsgremium, das Higher Committee for Energy Mix Affairs for Electricity Production and Enabling the Renewable Energy Sector, unter Leitung des Kronprinzen etabliert.
Von Robert Espey
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