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Saudi-Arabien plant ambitionierten Ausbau seiner Kraftwerke
Das Königreich investiert weiterhin mehr in konventionelle Kraftwerke als in erneuerbare Energien. Das müsste sich ändern, um die Ziele bei Solar- und Windkraft zu erreichen.
30.11.2023
Von Robert Espey | Dubai
Saudi-Arabien hat für den Stromsektor große Pläne. Im Oktober 2023 erklärte Marco Arcelli, CEO des saudi-arabischen Stromerzeugers ACWA Power, dass 60 bis 80 Gigawatt an erneuerbaren Energien bis 2030 hinzukommen müssten, um die angestrebten Kapazitätsziele zu erreichen. Zusätzlich seien neue gasbetriebene Kraftwerke mit einer Leistung von 30 Gigawatt erforderlich. Diese Zahlen dürften die geplanten Kraftwerke in der neuen Entwicklungszone NEOM einschließen. Viele Beobachter halten die Ausbauziele allerdings für wenig realistisch. Dafür schreitet der Ausbau zu langsam voran.
Zielmarke bei erneuerbaren Energien weit verfehlt
Bei den erneuerbaren Energien sehen die Planungen einen Ausbau der Kraftwerkskapazitäten auf 27,3 Gigawatt bis 2023 und auf 58,7 Gigawatt bis 2030 vor. Davon sollen 40 Gigawatt auf Fotovoltaik, 16 Gigawatt auf Windenergie und 2,7 Gigawatt auf Sonnenwärmekraftwerke entfallen. Hinzu kommen die Solar- und Windkraftprojekte in der neuen Entwicklungszone NEOM.
Der tatsächliche Ausbau bleibt jedoch deutlich hinter den Planungen zurück. Neben kleineren Anlagen sind mit Stand November 2023 nur die drei großen Fotovoltaikanlagen Sakaka, Jeddah, Rabigh und das Windkraftwerk Dumat al Jandal mit einer Gesamtleistung von 1,3 Gigawatt am Netz. Das entspricht knapp 5 Prozent des Planziels. Der Anteil der Erneuerbaren an den gesamten Kraftwerkskapazitäten des Landes liegt aktuell bei etwa 1,5 Prozent.
Im Bau befinden sich Anlagen mit einer Leistung etwa 10 Gigawatt, ohne NEOM. Im November 2023 wurden zwei weitere Projekte für Fotovoltaikanlagen vergeben: Al Hinakiyah mit 1,1 Gigawatt und Tabarjal mit 0,4 Gigawatt. Der Bau der Anlagen wird voraussichtlich im 1. Quartal 2024 auf Basis öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) beginnen.
Der Betreiber des 1,2 Milliarden US-Dollar (US$) teuren Al-Hinakiyah-Projekts ist ein Konsortium aus Électricité de France, Masdar aus Abu Dhabi und der lokalen Nesma Group. Die chinesischen Unternehmen Jinko Power und Sun Glare China realisieren gemeinsam mit der Sunlight Energy Group aus New York das 440-Millionen-US$-Projekt Tabarjal. Die Investoren haben mit der Saudi Power Procurement Company (SPPC) Stromabnahmeverträge mit einer Laufzeit von 25 Jahren abgeschlossen.
Projekt | Investitionssumme (Mio. US$) | Leistung (Megawatt) | Geplante Fertigstellung |
---|---|---|---|
Al Hinakiyah 1 1) | 1.200 | 1.100 | 2025 |
Ar Rass 2 2) | 1.142 | 2.000 | 2025 |
Shuaibah 1 1) | 880 | 600 | 2025 |
Shuaibah 2 2) | 880 | 2.060 | 2025 |
Al Kahfah 2) | 814 | 1.425 | 2026 |
Sudair 2) | 725 | 1.500 | 2023 |
Saad 2 2) | 643 | 1.125 | 2026 |
Ar Rass 1 1) 2) | 640 | 700 | 2024 |
Tabarjal 1) | 440 | 400 | 2026 |
Qurrayat 2) | 200 | 200 | 2025 |
In den nächsten zwei bis drei Jahren könnten Erneuerbare-Energie-Projekte mit einer Gesamtleistung von bis zu 15 Gigawatt (ohne NEOM) vergeben werden. Zu den Kraftwerken, die 2024 möglicherweise vergeben werden, gehören zwei Projekte der vierten Ausschreibungsrunde des National Renewable Energy Programm (NREP) sowie fünf Vorhaben der fünften Ausschreibungsrunde. Die Kapazitäten der drei Wind- und vier Solarprojekte summieren sich auf 5,5 Gigawatt. Das NREP liegt in der Zuständigkeit der SPPC, die zum Energieministerium gehört. Alle NREP-Vorhaben sind PPP-Projekte.
Projekt (Leistung in Megawatt) 1) | Investition (in Mio. US$) | Projektstand 2) | Projektbetreiber |
---|---|---|---|
National Renewable Energy Program: Round 6 (k.A.) | 3.500 | ST | |
As Sadawi PV (2.000) | 2.400 | PQ | |
Starah Wind (1.500) | 2.000 | ST | |
Al Masaa PV (1.000) | 1.360 | PQ | |
Al Ula Tourism Development: Solar Plant (1.000) | 1.000 | FEED | |
Yanbu Wind (700) | 1.000 | AP | |
Al Ghat Wind (600) | 860 | AP | |
Waad Al Shamal Wind (500) | 716 | AP | |
Al Henakiyah 2 PV (400) | 540 | PQ | |
Rabigh 2 PV (300) | 400 | PQ |
Staatlicher Investmentfonds engagiert sich bei Erneuerbaren
Außerhalb des NREP-Programms ist vor allem der staatliche Public Investment Fund (PIF) beim Ausbau der erneuerbaren Energien aktiv. Im April 2021 vergab der PIF gemeinsam mit ACWA Power und Saudi Aramco einen Auftrag über 725 Millionen US$ zum Bau einer 1,5-Gigawatt-Fotovoltaikanlage in Sudair (Provinz Riad) an Larsen & Toubro aus Indien. Die Fertigstellung wird 2024 erwartet. Am Projektpartner ACWA Power ist PIF mit 50 Prozent beteiligt.
Im Herbst 2022 beauftragte PIF gemeinsam mit ACWA Power die China Energy Engineering Corporation, in Shuaiba (Provinz Mekka) für 880 Millionen US$ ein 2,1-Gigawatt-Fotovoltaik-Kraftwerk zu errichten. Vier weitere im Bau befindliche PIF/ACWA Power-Solarprojekte werden über eine Leistung von mehr als 5 Gigawatt verfügen. Eines der Projekte (Ar Rass 1) gehört zum NREP.
Für ein weiteres Projekt von PIF und ACWA Power liegen seit Mitte 2022 Angebote vor. Es handelt sich um eine 300 Megawatt Fotovoltaikanlage in Rabigh in der Provinz Mekka, wo im Frühjahr 2023 ein ähnliches Projekt im Rahmen des NREP fertiggestellt wurde.
NEOM: Energieversorgung nur mit Erneuerbaren geplant
In der Entwicklungszone NEOM sind ein 2,9-Gigawatt-Solarpark und eine 1,7-Gigawatt-Windfarm im Bau. Sie sollen die Energie zur Herstellung von grünem Wasserstoff liefern. Der Hauptauftrag über 4 Milliarden US$ ging an die indische Larsen & Toubro. Der chinesische Windkraftanlagenbauer Envision Energy liefert Turbinen und Türme. Kühne+Nagel hat einen Auftrag für den Transport von 190 Windturbinengeneratoren und 67 Turmsätzen erhalten.
Darüber hinaus sind Pläne zur Errichtung von Anlagen mit einer Gesamtleistung von 29 Gigawatt bekannt. Davon entfallen 95 Prozent auf Fotovoltaik. In Kürze soll eine Fotovoltaikaanlage mit einer Leistung von 3 Gigawatt ausgeschrieben werden.
Großaufträge für konventionelle Kraftwerke
Die Neuaufträge für den Bau konventioneller Kraftwerke überstiegen bis November 2023 deutlich die Auftragsvergaben für Erneuerbare Energien. Für sechs Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von 6,2 Gigawatt wurden Verträge im Gesamtwert von 4,3 Milliarden US$ abgeschlossen. Dem stehen Aufträge für Gaskraftwerke in Höhe von 7,5 Milliarden US$ gegenüber.
Im Jahr 2023 wurden Kapazitäten von 8,4 Gigawatt für konventionelle Kraftwerke vergeben. Davon entfallen 7,2 Gigawatt auf vier kombinierte Gas- und Dampfturbinenanlagen (GuD) in Quassim und Taiba. Siemens erhielt Aufträge zur Lieferung von Gasturbinen. Ferner wird das Rabigh GuD-Kraftwerk in Mekka um 1,2 Gigawatt erweitert.
Zwei weitere große Kraftwerke könnten 2024 ausgeschrieben werden. Die SPPC will in Al Khafji (Ostprovinz) ein GuD-Kraftwerk mit 3,6 Gigawatt als PPP-Projekt vergeben. Die Kosten dürften sich auf 4 Milliarden US$ belaufen. Eine ähnliche Anlage ist für Riad geplant.
Aufgrund des Hochlaufs der Erneuerbaren wurden viele konventionelle Kraftwerksprojekte vorläufig gestoppt. Entscheidungen, welche dieser Vorhaben zukünftig umgesetzt werden sollen, stehen noch aus. Gemäß MEED Projects liegt das Investitionsvolumen der Projekte, die auf Eis liegen, bei 25 Milliarden US$.
Das saudi-arabische Atomprogramm sieht bis 2032 den Bau von 16 Kernreaktoren mit einer Gesamtleistung von 17 Gigawatt vor. Eine erste Phase soll aus zwei Reaktoren mit einer Leistung von insgesamt 2,8 Gigawatt bestehen. Ferner sind zwei SMART-Reaktoren mit jeweils 100 Megawatt in Planung. Derzeit läuft die Ausschreibung für das 2,8-Gigawatt-Projekt. Angebote der China National Nuclear Corporation, der KEPCO und der russischen Rosatom werden erwartet. Auf der Arabischen Halbinsel gibt es bereits vier Atomkraftwerke mit einer Leistung von jeweils 1,4 Gigawatt. Diese hat ein Konsortium unter Leitung von KEPCO zwischen 2012 und 2022 im Emirat Abu Dhabi gebaut. |