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Wasserstoffstrategie mit grau-blauer Tendenz
Saudi-Arabiens geplante grüne Wasserstoffproduktion findet international große Aufmerksamkeit. Deutlich höhere Investitionen sind aber bei grau-blauem Wasserstoff zu erwarten.
20.05.2022
Von Robert Espey | Dubai
Saudi-Arabien will zu einem führenden Wasserstoffproduzenten werden. Von offizieller Seite ist für 2030 eine Zielgröße von jährlich 2,9 Millionen Tonnen genannt, bis 2035 sind 4,0 Millionen Tonnen geplant. Die angestrebten Mengen schließen grau-blauen und grünen Wasserstoff ein. Angaben über den Anteil grünen Wasserstoffs fehlen.
Bislang produziert Saudi-Arabien nur Wasserstoff aus Erdgas mit SMR-Technologie (Steam Methan Reformer). Dabei entstehen große Mengen Kohlendioxid (CO₂). Aktuell verfügt die nationale Ölgesellschaft Saudi Aramco über Kapazitäten zur Herstellung grauen Wasserstoffs von jährlich rund 0,8 Millionen Tonnen.
In der Jubail Industrial City befindet sich eine weitere SMR-Anlage im Bau. Projektbetreiber ist Air Products Qudra, ein Joint Venture aus dem US-Unternehmen Air Products und der saudi-arabischen Qudra Energy. Kooperationspartner ist die Royal Commission of Jubail & Yanbu. Der Hauptbauauftrag ging an Indiens Larsen & Toubro.
Megaprojekt: Wasserstoff aus Fracking-Gas
Saudi-Arabiens größtes geplantes Wasserstoffprojekt ist Teil der klimaschädlichen Erschließung der Schiefergasvorkommen von Jafurah. Die dortigen Gasreserven belaufen sich nach Schätzungen auf 5,7 Billionen Kubikmeter. Jafurah liegt in der Ostprovinz zwischen dem riesigen Ghawar-Ölfeld und der Golfküste. Der Projektbetreiber ist Aramco.
Dem Energieministerium zufolge soll ein Großteil der Jafurah-Gasförderung zur Herstellung von Wasserstoff benutzt werden. Genaue Angaben über die geplanten Wasserstoffmengen fehlen jedoch.
Durch die Erschließung des Jafurah-Feldes würde Saudi-Arabien zu einem weltweit führenden Gasproduzenten. In den nächsten 20 bis 25 Jahren sollen in Jafurah 110 Milliarden US-Dollar (US$) investiert werden, davon bereits 68 Milliarden US$ bis zum Jahr 2031. Im Dezember 2021 gab Aramco bekannt, schon Aufträge im Wert von 10 Milliarden US$ vergeben zu haben.
Die geplante Fördermenge liegt im Jahr 2025 bei 5,7 Millionen Kubikmeter/Tag, bis 2030 ist eine Verzehnfachung anvisiert. Für 2036 sind über 62 Millionen Kubikmeter/Tag angestrebt. Zusätzlich soll Jafurah unter anderem große Mengen Ölkondensate und Ethan liefern.
Intensive Untersuchungen der Jafurah-Vorkommen laufen seit über zehn Jahren. Dazu wurden vor allem internationale Firmen engagiert, die Erfahrungen mit der Entwicklung der US-Fracking-Industrie haben (darunter Schlumberger, Halliburton und Baker Hughes). Beim Fracking-Verfahren soll entsalztes Meerwasser eingesetzt werden.
Bereits 2018 hat Saudi-Arabien mit Fracking in einem anderen Schiefergasvorkommen begonnen, dem North Arabia Field (Qusaibia Hot Shale). Ein weiteres unkonventionelles (noch nicht erschlossenes) Gasfeld ist South Ghawar.
Einsatz von CCUS-Technologien geplant
Der aus Jafurah-Gas erzeugte graue Wasserstoff soll durch den Einsatz von CCUS-Technologien (Carbon Capture Utilization and Storage) zu blauem Wasserstoff werden. Weitergehende Informationen über entsprechende Konzepte liegen nicht vor. Allerdings hat Aramco 2021 verkündet, seine Treibhausgasemissionen (nur Scope 1 und 2) bis 2050 auf null zu reduzieren. Damit müsste spätestens bis dahin in Jafurah nur noch blauer Wasserstoff erzeugt werden.
Das größte saudi-arabische CCUS-Projekt ist ein Pilotprojekt von Saudi Aramco im Hawiyah-Gaswerk. Seit 2015 werden hier täglich 850.000 Kubikmeter CO₂ aufgefangen und über eine 85 Kilometer lange Pipeline zum Uthmaniyah-Ölfeld transportiert. Dort wird das CO₂ als EOR-Maßnahme (Enhance Oil Recovery) zur Steigerung des Förderdrucks in das Ölreservoir eingeleitet. In Jubail hat Sabic 2015 ein "CO₂-to-Chemicals" Projekt in Betrieb genommen. Jährlich werden dort 500.000 Tonnen CO₂ vor allem zur Herstellung von Methanol und Urea (Harnstoff) verwendet. Daneben erfolgt der Verkauf von CO₂ in flüssiger Form an die Lebensmittelindustrie. Das CO₂ fällt bei der Produktion von Ethylenglykol an. |
Im März 2021 vereinbarte Aramco mit Hyundai Heavy Industries und Hyundai Oilbank eine Kooperation bei blauem Wasserstoff und blauem Ammoniak. Es ist vorgesehen, dass Südkorea von Aramco LPG (Liquefied Petroleum Gas) bezieht und daraus Wasserstoff produziert.
Grünes Wasserstoffprojekt in NEOM mit deutscher Beteiligung
Zum 500 Milliarden US$ Regionalentwicklungsprojekt NEOM (New Future) gehört auch die Erzeugung von grünem Wasserstoff/Ammoniak aus erneuerbaren Energien. Die Realisierung dieses Teilprojektes im bislang dünn besiedelten Nordwesten Saudi-Arabiens hat nun begonnen. Die Gesamtkosten werden mit über 6,5 Milliarden US$ beziffert. Der Produktionsstart ist für 2026 geplant.
Die Projektbetreiber, die NEOM Green Hydrogen Company (NGHC), ist ein Joint Venture aus Saudi-Arabiens Public Investment Fund (PIF; 33,4 Prozent), Air Products (33,3 Prozent) und Acwa Power (Saudi-Arabien; 33,3 Prozent). An Acwa Power ist der PIF mit 50 Prozent beteiligt. Es sollen jährlich rund 240.000 Tonnen Wasserstoff erzeugt werden, die dann zur Produktion von 1,2 Millionen Tonnen Ammoniak verwendet werden. Air Products ist alleiniger Abnehmer des grünen Ammoniaks und will das Produkt exportieren.
Der Bau des auf 900 Millionen US$ geschätzten Wasserstoff-/Ammoniakwerks ist ausgeschrieben. Angebote sollen die China Tianchen Engineering Corporation, die Consolidated Contractors Company (Griechenland) und die lokale Nasser S. Al-Hajri Corporation vorgelegt haben. ThyssenKrupp wird die Elektrolysetechnik mit einer Gesamtleistung von 2 Gigawatt liefern. Die Anlage basiert auf 2 Megawatt-Modulen. Eine Teilfinanzierung des Projekts durch die deutsche KfW IPEX-Bank ist im Gespräch.
Das Wasserstoff-/Ammoniakwerk soll durch einen über 2 Milliarden US$ teuren 4 Gigawatt Solar- und Windkraftpark versorgt werden. MEED Projects zufolge haben Energy China, Power China Huadong, Sepco 3 (China) and Larsen & Toubro (Indien) Angebote eingereicht.
Weitere Kooperationen bei grünem Wasserstoff
Im Oktober 2021 haben Aramco, die saudi-arabische Modern Industrial Investment Holding und der in Hongkong ansässige Projektentwickler InterContinental Energy eine Kooperation bei grünem Wasserstoff vereinbart. Informationen über weitere Schritte gibt es nicht.
Am Rande eines saudi-arabisch-koreanischen Investmentforums in Riad unterzeichneten im Januar 2022 die beiden südkoreanischen Unternehmen POSCO und Samsung C&T mit dem saudischen PIF eine Absichtserklärung über eine Zusammenarbeit bei grünen Wasserstoffprojekten. Es werde angestrebt, in Saudi-Arabien eine Modellproduktion für grünen Wasserstoff aufzubauen, erklärte ein POSCO-Vertreter. PIF sprach von einer Durchführbarkeitsstudie für den Export von grünem Wasserstoff.
Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Saudi-Arabiens Energieminister Abdulaziz bin Salman Al Saud haben im März 2021 eine "Gemeinsame Absichtserklärung zur Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff" unterzeichnet. Das Anfang 2022 in Saudi-Arabien eingerichtete deutsche "Wasserstoffdiplomatiebüro" (H2-Diplo) ist ein Projekt des Auswärtigen Amtes, das in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wird. Das H2-Diplo-Büro soll Know-how bereitstellen, Analysen über die lokalen und regionalen Auswirkungen der Transformation erstellen und die Vernetzung von Entscheidungsträgern, Experten sowie Unternehmen fördern. |