Branchen | Schweden | Bergbau und Rohstoffe
Kann Schweden Europa von China unabhängig machen?
Schweden gab den offiziellen Startschuss seiner EU-Ratspräsidentschaft in Kiruna. Der dort ansässige Bergbaukonzern LKAB hielt dafür die perfekte Überraschung bereit.
17.01.2023
Von Michał Woźniak | Stockholm
Die Eisenerzstadt Kiruna, die gerade wegen neuer Abbaupläne des Bergbauunternehmens LKAB um mehrere Kilometer verlegt wird, ist Sinnbild für die schwedische Transformation. Der "schmutzige" Bergbau gehört zu den Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsvorreitern und könnte auf dem Weg in ebendiese Zukunft einen wichtigen Beitrag in der EU leisten.
Mindestens 1 Million Tonnen Seltener Erden sollen sich im gerade untersuchten Per Geijer-Vorkommen befinden. Sie kommen zusammen mit Phosphor im Apatit vor, einem Nebenprodukt der Eisenerzvorkommen. Die Vorkommen beginnen in 400 Metern Tiefe, sodass LKAB die Metalle zunächst ohne größere Probleme abbauen könnte. Die Ader ist allerdings tief, der Abbau somit auf lange Sicht schwierig.
Hohe Investitionskosten
Das Apatitkonzentrat soll nach dem Abbau per Bahn in ein gerade gebautes Werk in Luleå transportiert und dort weiterverarbeitet werden. Dabei werden Phosphor, Seltene Erden, Fluor und Gips getrennt. Die Kosten der ReeMAP genannten Anlage, die im Kreislaufverfahren kritische Rohstoffe aus Bergbauabfällen gewinnen soll, beziffert LKAB auf etwa 1 Milliarde Euro. Die Inbetriebnahme ist für 2027 geplant.
"Wir haben mehrere Standorte in Schweden und Norwegen bewertet", erklärt Leif Boström, Senior Vice President und verantwortlich für Sonderprodukte bei LKAB. Luleå hat zwar den Wettbewerb gewonnen, könnte aber angesichts des neuen Fundes Gesellschaft bekommen: "Eine zukünftige Produktionssteigerung könnte zusätzliche Standorte erforderlich machen", heißt es seitens des Unternehmens. Laut Prognosen der Europäischen Kommission soll sich der Bedarf an Seltenen Erden in der EU bis 2030 etwa verfünffachen. Bisher wird der Bedarf ausschließlich mit Importen aus Drittstaaten gedeckt, hauptsächlich aus China.
Lange Genehmigungsverfahren
Bis eine Kapazitätserweiterung ansteht, wird noch einige Zeit vergehen. "Wenn wir uns ansehen, wie andere Genehmigungsverfahren in unserer Branche funktioniert haben, wird es mindestens 10 bis 15 Jahre dauern, bis wir tatsächlich mit dem Abbau beginnen und Rohstoffe auf den Markt bringen können", erklärte Jan Moström, President und Group Chief Executive Officer bei LKAB, im Hinblick auf das Vorkommen Per Geijer. Seiner Meinung nach könnte die Vorlaufzeit um mehr als die Hälfte gekürzt werden, wenn Genehmigungsverfahren gestrafft würden.
Die schwedische Regierung hat bereits versprochen, tätig zu werden. Aber: "Entscheidend ist die Fokussierung der Europäischen Kommission darauf, den Zugang zu kritischen Materialien zu sichern, und das Kritische-Rohstoff-Gesetz, an dem die Kommission derzeit arbeitet. Wir müssen die Genehmigungsverfahren ändern, um einen verstärkten Abbau dieser Art von Rohstoffen in Europa zu gewährleisten", so Moström.
Details der Lagerstätte noch unklar
Noch in diesem Jahr will sein Unternehmen eine Bearbeitungskonzession beantragen, um die Vorkommen weiter zu untersuchen. "Die Lagerstätte ist offen und wir haben sie noch nicht abgegrenzt, was bedeutet, dass sie noch größer werden wird", sagte der LKAB-Chef gegenüber dem Wirtschaftsblatt Dagens Industri.
Bisher wollte Moström allerdings nicht verraten, welche Seltenen Erden sich genau unter Kiruna verbergen. Professor Erik Jonsson vom staatlichen Geological Survey of Sweden (SGU), der 2022 zum Geologen des Jahres in Schweden ernannt wurde, bremst die Hoffnungen. Die Vorkommen in Kiruna seien "vor allem mit den leichtesten Metallen der Seltenen Erden, den am wenigsten begehrten, angereichert". Dennoch: "Die Welt profitiert davon, dass wir die Seltenen Erden in Schweden abbauen, im Vergleich zu vielen anderen Ländern, in denen Umweltgesetze nicht befolgt werden und oft miserable Arbeitsbedingungen herrschen", erklärte Jonsson in einem Interview.
Name | Elementsymbol | Anwendungsbereich |
---|---|---|
Cer | Ce | Glas, Katalysatoren, Legierungen, Poliermittel |
Dysprosium | Dy | Permanentmagneten |
Erbium | Er | Faseroptik, Glas, Laser |
Europium | Eu | Lichtquellen, Monitore |
Gadolinium | Gd | Legierungen, Lichtquellen, Permanentmagneten |
Holmium | Ho | Laser, Röntgenfotografie |
Lanthan | La | Batterien, Glas, Katalysatoren, Keramik |
Lutetium | Lu | Laser, Röntgenfotografie |
Neodym | Nd | Keramik, Laser, Legierungen, Permanentmagneten |
Praseodym | Pr | Batterien, Glas, Katalysatoren, Keramik, Legierungen, Permanentmagneten, Poliermittel |
Promethium | Pm | Batterien, Röntgenfotografie |
Samarium | Sm | Optik, Permanentmagneten |
Scandium | Sc | Katalysatoren, Laser, Legierungen, Leuchtmittel |
Terbium | Tb | Lichtquellen, Permanentmagneten |
Thulium | Tm | Laser, Röntgenfotografie |
Ytterbium | Yb | Laser, Röntgenfotografie |
Yttrium | Y | Glas, Keramik, Laser, Legierungen, Lichtquellen |
Umweltbilanz soll besser werden
Vor allem die Verbesserung der Umweltbilanz steht ganz oben auf der To-do-Liste des schwedischen Bergbaus. Laut Sandra Lindström, Klima- und Energieexpertin beim Branchenverband Swemin, liegt der CO2-Ausstoß aktuell bereits bei weniger als einem Drittel des globalen Durchschnitts. "Anstelle der jährlich etwa 9 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, die bei einer durchschnittlichen internationalen Produktion der entsprechenden Menge an Metallen und Erzen anfallen, führt die Produktion in Schweden zu 2,6 Millionen Tonnen CO2-Emissionen", heißt es in der 2022 aktualisierten Roadmap zur Fossilfreiheit der schwedischen Bergbauindustrie.
"Aber der Klimanutzen kann noch viel größer werden. Bis 2045 kann die Reduktion mehr als 30 Millionen Tonnen betragen: durch gesteigerte Produktion, fortschrittlichere und fossilfreie Prozesse, eine neue Generation von Bergbaumaschinen und Weiterverarbeitung", unterstreicht Lindström. Der Haken an der Sache: Um die Klimaziele zu erreichen, müsste der Stromverbrauch der Industrie von aktuell 5 Terawattstunden bis 2045 auf 74 Terawattstunden steigen.
Hoher Stromverbrauch weckt Kritik
Dieser Bedarf ruft Kritiker auf den Plan, die Anspruch, Ertrag und Kosten infrage stellen. Es sei unverhältnismäßig, dass die Metallbranche in Schweden doppelt so viel Strom verbrauchen wolle wie ganz Dänemark. "Ich würde sagen, sie können gerne zeigen, was der alternative Weg ist, um 10 Prozent der Kohlendioxidemissionen Schwedens zu beseitigen", kontert Energie-, Business- und Industrieministerin Ebba Busch. Projekte wie ReeMAP oder die Anlage der HYBRIT-Initiative zur fossilfreien Stahlherstellung seien der einzige Weg. Allerdings haben die daran beteiligten Unternehmen LKAB, SSAB und Vattenfall erst kürzlich bekanntgegeben, die Anlage werde etwa 15 Prozent teurer werden als ursprünglich gedacht. Damit dürfte der prognostizierte Preis des fossilfreien Stahls noch höher liegen als die angekündigten 30 Prozent über dem des herkömmlich hergestellten Stahls.
Letztlich wird die Umweltbilanz auch vom Energiemix abhängen. Die seit Herbst 2022 amtierende Regierung setzt vermehrt auf Kernkraft, was bei Unternehmen nicht immer gut ankommt.
Obwohl LKAB betont, seine Investitionen in den Abbau der entdeckten Seltenen Erden aus Eigenmitteln bewältigen zu wollen, fordert der Gemeinderat von Kiruna, Mats Taaveniku, bereits heute "erhebliche Investitionen" seitens der schwedischen Regierung. Auf seiner Projektliste stehen:
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