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Branchen | Schweden | Kernkraft

Schweden arbeitet an Kernkraft 2.0

Die Regierung verspricht zusätzliche Mittel für die Atomforschung und will neue Kraftwerke bauen.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Nachdem bereits bei der Regierungsbildung im Herbst 2022 angekündigt wurde, dass Schweden sich wieder der Kernkraft zuwenden will, folgen nun erste konkrete Schritte. "Derzeit findet der Übergang zu fossilfrei statt. Industrie und Verkehr werden elektrifiziert. Es wird im ganzen Land viel mehr sauberer Strom benötigt. Mit der heutigen Ankündigung wollen wir den Bau von mehr Kernkraftwerken an mehr Orten ermöglichen", gab Ministerpräsident Ulf Kristersson am 11. Januar 2023 bekannt.

Gleichzeitig legte er das Memorandum "Neue Kernkraft in Schweden" vor, dass die bisherigen Beschränkungen beim Ausbau dieser Energiequelle beseitigen soll. Die Begrenzung der aktiven Reaktoren auf landesweit maximal zehn soll ebenso fallen wie die Einschränkung, neue Reaktoren nur dort zu bauen, wo sich bereits Kernkraftwerke befinden und nur als Ersatz für dauerhaft stillgelegte, alte Reaktoren. Die Gesetzesänderungen werden aktuell beraten und sollen am 1. März 2024 in Kraft treten.

Strombedarf wird voraussichtlich stark steigen

Die Industrie begrüßt den Vorstoß. Der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Svenskt Näringsliv, Jan-Olof Jacke, erklärte: "Wir brauchen so viel fossilfreien Strom, wie wir bekommen können, um den Klimawandel zu bewältigen, und deshalb müssen alle Arten von Strom die gleichen Bedingungen erhalten". Die Prognosen reichen bis zu mehr als einer Verdoppelung des Strombedarfs bis zum Jahr 2045 auf 310 Terawattstunden.

Der Ausbau der Atomkraft soll vor allem auf sogenannten kleinen modularen Reaktoren (Small Modular Reactors; SMR) basieren. Über mögliche Standorte wird noch spekuliert. "Es gibt viele stromintensive Industrien, die viel vorhersehbare Stromproduktion benötigen", erklärte Klima- und Umweltministerin Romina Pourmokhtari. "Kommunen, die nicht nur Interesse an gut bezahlten Arbeitsplätzen in Kernkraftwerken haben, sondern diese grüne Industrie auch anziehen und ihre Kommune reindustrialisieren wollen, haben gute Chancen", fügte sie hinzu.

Neue Technik an bestehenden Standorten

In erster Linie dürften allerdings die bestehenden drei Kernkraftwerke in Forsmark, Ringhals und Oskarshamn erweitert werden. Dafür spricht zum einen die dort bereits bestehende Infrastruktur. Zum anderen müsste bei neuen Standorten möglicherweise mit Protesten der Anwohner gerechnet werden. Laut der Wirtschaftszeitung Dagens Industri prüft unter anderem Vattenfall den Bau von SMR in Ringhals. Auch die finnische Fortum sei ein wahrscheinlicher Akteur, "der Uniper in Oskarshamn aufkaufen und sich an weiteren nordischen Projekten beteiligen könnte".

Durch SMR wird Atomkraft für energieintensive Branchen und Unternehmen interessant. Zwar sehen viele Firmen, darunter der Bergbaukonzern LKAB, mittelfristig mehr Potenzial im schnelleren Ausbau der Windenergie und der damit zusammenhängenden Wasserstoffwirtschaft. Angesichts des prognostizierten Strombedarfs von 70 Terawattstunden im Jahr 2045 allein für den Bergbau ist Atomenergie jedoch eine attraktive Option.

SMR-Kraftwerke auf dem Vormarsch

Der erst 2021 gegründete Kernkraftentwickler Kärnfull Next, dessen Anspruch ist, "reine Atomstromverträge für Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen anzubieten", unterzeichnete bereits einen Kooperationsarbeitsvertrag mit Fortum für die Entwicklung von SMR in Schweden. Als Hintergrund gab Kärnfull Next an, über ein Projektportfolio mit konkretem Interesse von einer Reihe seriöser Akteure zu verfügen. "Es geht sowohl um die energieintensive Industrie als auch um mehrere Kommunen", erklärte Firmenmitbegründer John Ahlberg.

Professor Janne Wallenius vom hochangesehenen Königlichen Technologieinstitut KTH arbeitet derweil mit seiner Firma Blykalla an entsprechenden Technologien. "Wir verwenden ein Kühlmittel, das zuvor kommerziell nicht verwendet wurde, nämlich flüssiges Blei. Blei hat einen hohen Siedepunkt, wodurch das Risiko verringert wird, dass das Kühlmittel kocht und entflieht. Bei Verwendung von Wasser muss das Kraftwerk unter Druck gesetzt werden, bei Druckverlust kann der Brennstoff beschädigt werden. Ein bleigekühlter Reaktor steht nicht unter Druck, was ein Sicherheitsvorteil ist", erklärt er die Vorzüge seiner Lösung. Zu deren Realisierung konnte Janne Wallenius bereits Partner wie das Energieunternehmen Uniper und den Planungskonzern COWI gewinnen.

Wie Wallenius ausführt, ermöglicht die von ihm genutzte Technik eine Massenproduktion der Reaktoren und somit einen schnelleren Ausbau der Kernkraft. Zudem sei seine Erfindung nicht nur für die Stromproduktion einsetzbar: "Der erzeugte Dampf hat eine Temperatur von 500 Grad oder mehr, womit er zur Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyse, Bioöl aus Zellulose oder Biokohle verwendet werden kann". Die Firma hat bereits einen speziellen SMR für den Einsatz in Polargebieten für Kanada gebaut. Mit finanzieller Unterstützung der britischen Regierung wurde zudem ein 55-Megawatt-Reaktor für den Markt im Vereinigten Königreich entwickelt. Zusammen mit NewClearEnergy arbeite man auch an einer Lösung für Schweden. Eine erste Pilotanlage ist für 2030 geplant.

Staatliche Förderung wird aufgestockt

Die schwedische Regierung will mehr Mittel für die Entwicklung der Kernkrafttechnologie zur Verfügung stellen. Die Strahlungssicherheitsbehörde soll zwischen 2023 und 2025 etwa 12 Millionen Euro zusätzlich für die "Überprüfung und Weiterentwicklung der Vorschriften und Genehmigungsverfahren für bestehende und neue Kernkraftwerke" erhalten. Dies geht aus einer Regierungspräsentation hervor. Im gleichen Zeitraum sollen demnach außerdem zusätzlich 25 Millionen Euro für Forschung und Innovationen zur Verfügung gestellt werden.

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