Special | Serbien | Beschaffung
Serbien gewinnt als Beschaffungsmarkt weitere Abnehmer
Die Metallindustrie ist das Rückgrat der serbischen Exportwirtschaft. Auch deutsche Unternehmen beschaffen zunehmend aus Serbien. Und investieren vor Ort.
26.06.2023
Von Martin Gaber | Belgrad
Spätestens seit der Coronapandemie wird Serbien als Beschaffungsmarkt immer attraktiver. Vor allem die Metall- und metallverarbeitende Industrie ist für das Sourcing interessant. Das spiegelt sich auch im Außenhandel wider. Im Jahr 2022 erreichten Serbiens Metallexporte einen neuen Höchststand. Und auch als Investitionsstandort gewinnt Serbien an Bedeutung. Die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen kletterten im Jahr 2022 auf das Rekordhoch von 4,3 Milliarden Euro.
Limitierender Faktor bleibt die Marktgröße. Mit rund 7 Millionen Einwohnern ist der Balkanstaat eher klein. Eine vollständige Alternative zu großen Lieferländern wie China ist Serbien damit nicht. Allerdings bietet sich das Land als Plus 1-Option an, falls kurzfristig Lieferanten aus Fernost ausfallen.
Für deutsche Unternehmen ist Serbien ein Markt vor der Haustür. Der Staat in Südosteuropa ist auf dem Landweg innerhalb von 24 Stunden erreichbar. Auch innerhalb Serbiens hat die Regierung das Autobahnnetz deutlich ausgebaut. So sind die Nachbarländer innerhalb weniger Stunden erreichbar. Weitere Informationen zu zollrechtlichen Regeln bietet unser Überblick zur Wareneinfuhr in die EU. |
Deutschland ist Abnehmerland Nummer Eins
Serbiens Metall- und metallverarbeitende Industrie hat im Jahr 2022 Waren im Wert von knapp 3 Milliarden Euro ausgeführt. Das sind über 10 Prozent der Gesamtexporte des Landes, so Zahlen der serbischen Statistikagentur. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein nominales Plus von über 12 Prozent. Besonders deutlich ist der Zuwachs in der Metallverarbeitung. Hier konnten die Exporte sogar um über ein Drittel zulegen.
Warengruppe | Volumen in Millionen Euro | Anteil an den Gesamtexporten in Prozent |
Gesamtexporte Metall1 | 2.999,5 | 10,9 |
davon Eisen und Stahl | 1.212,5 | 4,4 |
davon NE-Metalle | 783,9 | 2,8 |
davon andere Metallwaren | 1.003,1 | 3,6 |
Wichtigster Zielmarkt ist Deutschland. Dorthin gehen über 11 Prozent der Metallexporte. Damit ist die Bundesrepublik auf Platz 1 der Abnehmerländer. Aus deutscher Sicht wiederum steht Serbien noch nicht in der ersten Reihe der Lieferanten. Allerdings findet man den Balkanstaat schon heute im erweiterten Kreis. Besonders gut aufgestellt ist Serbien als Lieferant für die Auto- und Autozulieferindustrie sowie den Maschinen- und Anlagenbau.
Warengruppe* | Importvolumen in Millionen Euro | Platzierung in der Rangliste bei Importen |
Eisen und Stahl | 40,0 | 43 |
NE-Metalle | 112,5 | 37 |
Andere Metallwaren | 179,5 | 26 |
Mix aus Großbetrieben und KMU prägt die Metallindustrie
Insgesamt zählte Serbiens Metall- und metallverarbeitende Industrie laut Statistikagentur im Jahr 2021 über 4.200 Unternehmen und über 75.000 Beschäftigte. Zusammen erzielten die Betriebe einen Umsatz von 6,3 Milliarden Euro. Damit gehört die Metallindustrie zu den wichtigsten Branchen des verarbeitenden Gewerbes.
Chinesische Großbetriebe produzieren Metalle in Serbien
Die Herstellung von Grundmetallen wird dabei von Großbetrieben geprägt, allen voran von chinesischen Investoren. Hebei Iron & Steel (HBIS) hat im Jahr 2016 das Stahlwerk Smederevo übernommen und zählt rund 5.000 Beschäftigte in Serbien. Das Unternehmen stellt nach eigenen Angaben kalt- und warmgewalzte Flachstahlerzeugnisse in Smederevo sowie Weißblech in Šabac her. Zijin Mining produziert Kupfer und weitere Edelmetalle in Serbien und beschäftigt über 6.000 Mitarbeiter im Land.
Deutscher Mittelstand setzt auf Metallverarbeitung
In der Metallverarbeitung gibt es hingegen zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in serbischer Hand sowie mittelständische Investoren aus dem Ausland, zunehmend auch aus Deutschland: Im Jahr 2020 hat zum Beispiel die deutsche Unternehmensgruppe König Metall ein Werk zur Rohrverarbeitung in Ivanjica eröffnet. König Metall beliefert Kunden aus der Automobilindustrie. Entscheidend für die Standortwahl war die Willkommenskultur für ausländische Investoren. "Von Anfang an hatten wir große Unterstützung der Regierung," sagte Geschäftsführer Hans-Jörg Leuze bei der Eröffnung. Serbiens Regierung und die eigene Entwicklungsagentur RAS bieten umfangreiche Unterstützungspakete für ausländische Investoren.
Auch der Armaturenhersteller Hansgrohe hat sich für eine Investition in Serbien entschieden. Der Mittelständler aus dem Schwarzwald plant bis zum Jahr 2028 rund 1.000 Beschäftigte einzustellen. "Ein wichtiger Grund ist die Tradition der metallverarbeitenden Industrie in Serbien, insbesondere in Valjevo. Wir sind zuversichtlich, dass wir viele gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte gewinnen können. Darüber hinaus sind wir auch von der Technischen Schule in Valjevo beeindruckt," sagt Serbien-Geschäftsführer Philipp Bürkle in der Tageszeitung Politika.
Vielseitige Kompetenzen vorhanden
Trotz der langen Tradition bleiben Serbiens Metallverarbeiter am Puls der Zeit und auch Kleinstbetriebe investieren in moderne Ausrüstung. Technische Kapazitäten bestehen unter anderem beim Biegen, Drehen, Fräsen, Bohren, Schweißen, Pressen, (Plasma-)Schneiden, Sandstrahlen und Zerspanen sowie in der Aluminiumextrusion und bei Guss- und Schmiedeteilen. Auch bei Zertifizierungen und Standards ziehen die Betriebe nach. Einige Unternehmen sind in die Lieferketten der internationalen Autoindustrie integriert und liefern teilweise direkt an die Hersteller. Sie sind hohe Anforderungen gewohnt.
Bundesregierung unterstützt Beschaffung aus Serbien
Auch die Bundesregierung unterstützt bei der Beschaffung aus Serbien. Die Einkaufsinitiative Westbalkan bringt deutsche Einkäufer und Lieferanten aus der Region zusammen. Seit Beginn der Initiative gelten die qualifizierten Lieferanten aus dem Westbalkan als positive Überraschung. Mittlerweile haben bereits über 3.500 B2B-Gespräche stattgefunden. "Das Potenzial in den Märkten des Westbalkans ist immer noch sehr groß. Und mit dieser Initiative zeigen wir nicht nur Chancen auf, sondern helfen allen Seiten maßgeblich bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen", sagt Olaf Holzgrefe, Leiter International des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME).
Die Einkaufsinitiative Westbalkan ist ein Markterschließungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und wird koordiniert von Germany Trade & Invest. Im Fokus stehen dabei Warengruppen rund um Zeichnungsteile, Stanz- und Biegeteile, Guss, Stahl, Montage, Plastik oder Schweißteile. Ausgerichtet wird die Veranstaltung in den Jahren 2023 und 2024 vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Die nächste Austragung findet am 12. Oktober 2023 in Köln statt. Weitere Informationen finden Sie auf der entsprechenden Internetseite. |
Potenzial für Rohstoffe ist groß
Zudem könnte nicht nur Serbien, sondern der gesamte Westbalkan ein wichtiger Rohstofflieferant für Europa werden. Potenzial gibt es dabei für Gold, Silber, Eisenerz und Lithium. Vor allem Letzteres sorgt für Schlagzeilen. Nach Umweltprotesten wurde dem Projekt im Jadar-Tal in Westserbien zunächst ein Riegel vorgeschoben. Das bezeichnet die Regierung mittlerweile als Fehler und möchte das Projekt wiederaufnehmen. Die Lithiumvorkommen im Jadar-Tal könnten Schätzungen zufolge bis zu 90 Prozent des europäischen Lithiumbedarfs decken.
Die GTAI-Publikation Neue Märkte - Neue Chancen: Serbien gibt Tipps zur Geschäftspraxis und zum Aufbau von Geschäftsbeziehungen. |
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