Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

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Folge 20: Mexiko – Einfallstor in die USA?

- Juli 2024 -

Mexiko ist ein reizvoller Markt, auch für deutsche Unternehmen, und das teils schon seit Jahrzehnten. Das hat nicht zuletzt geografische Gründe, denn das Land grenzt an die USA. Jetzt wurde in Mexiko gewählt. Zwar bleibt die Regierungspartei dieselbe, doch eine neue Präsidentin steht an der Spitze des Landes. Was verspricht man sich von ihr? Wird sie für mehr grüne Energie sorgen? Für mehr Sicherheit? Für vernünftige Infrastrukturprojekte?

WELTMARKT will wissen, wie es weitergeht in dem lateinamerikanischen Land, schaut dabei besonders auf die Automobilbranche, eine der Schlüsselindustrien. Über die konkrete Situation vor Ort und über die Hoffnungen für die nahe Zukunft unterhalten wir uns mit dem Geschäftsführer eines deutschen Automobilzulieferers, der schon seit vierzig Jahren Standorte in Mexiko unterhält und mit einem GTAI-Korrespondenten in Mexiko City. 

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Gäste in dieser Folge

Timm Jenisch Timm Jenisch | © Timm Jenisch

Tim Jennisch

Timm Jenisch ist seit knapp acht Jahren für Kern-Liebers in Mexiko und dort verantwortlich für alle Standorte in Nordamerika. Der Hauptsitz des Unternehmens, das auf die Herstellung von hochkomplexen Teilen und Baugruppen, besonders Federn und Stanzteilen, spezialisiert ist, liegt im baden-württembergischen Schramberg. Der studierte Maschinenbauer Jenisch hat mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Automobilbranche und war zuletzt auch vier Jahre im Vorstand der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer. 
 

Edwin Schuh Edwin Schuh | © Edwin Schuh

Edwin Schuh

Edwin Schuh ist seit 2021 Korrespondent von Germany Trade & Invest (GTAI) für Mexiko und die Karibik. Von Mexiko-Stadt aus berichtet er über Geschäftschancen für deutsche Unternehmen in Mexiko, Kuba und der Dominikanischen Republik. Davor war er mehrere Jahre für die GTAI in Kolumbien und Brasilien tätig und lebt bereits seit über einem Jahrzehnt in Lateinamerika. Er hat an der Universität St. Gallen einen Master in Volkswirtschaft gemacht und auch im Finanzsektor gearbeitet.

 

Weiterführende Informationen

Wassermangel zwingt Versorger zu investieren

Wirtschaftsstandort Mexiko (gtai.de)

Wirtschaftsdaten kompakt - Mexiko | Wirtschaftsdaten kompakt | Mexiko | Außenhandel, Struktur (gtai.de)


United States-Mexico-Canada-Agreement (USMCA) | Zollbericht | USA | Freihandelsabkommen (Warenursprung, Präferenzen) (gtai.de)


Kern-Liebers, https://www.kern-liebers.com/de

https://www.gtai.de/de/trade/mexiko-wirtschaft/automobilsektor

 

 

Transkript der Folge 

Das folgende Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit mit einer Spracherkennungssoftware erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es entspricht nicht unseren Ansprüchen an ein vollständig redigiertes Interview. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

 

„Präsidentin“ rufen ihr Tausende zu. In der Nacht tritt Claudia Sheinbaum vor ihre Anhänger im Zentrum von Mexiko Stadt: „Zum ersten Mal seit mehr als 200 Jahren haben wir Frauen es zur Präsidentschaft geschafft!“ (Tagesschau-Nachricht vom 3.6.24)

Anfang Juni wurde in Mexiko gewählt. Wie erwartet blieb die Regierungspartei Morena an der Macht, allerdings mit einem neuen Gesicht an der Spitze des Landes. Mexikos erste Präsidentin heißt Claudia Sheinbaum. Sie ist 61 Jahre alt, die Enkelin von europäischen Holocaust-Vertriebenen, ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt und habilitierte Physikerin. WELTMARKT möchte wissen, was der Ausgang der Wahl für die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas bedeutet und wie sich die Situation für deutsche Unternehmen im Land darstellt, vor allem in der Automobilbranche, einer der Schlüsselindustrien.

Im zweiten Teil des Podcasts hören Sie dazu Timm Jenisch vom deutschen Unternehmen Kern-Liebers, das als Automobilzulieferbetrieb unter anderem spezialisierte Federn für Fahrzeuge fertigt und in Mexiko schon seit vierzig Jahren tätig ist. 


Timm Jenisch Das Wachstum hat sich verstärkt. Das nimmt man wahr. Es hat sich weiter beschleunigt. Was sich aber vor allem verändert hat, sind die Unternehmen, die sich ansiedeln. Waren früher die US-Amerikaner als auch beispielsweise die Deutschen sehr stark In den Investitionsstatistiken, sind zwischenzeitlich auch gerade die asiatischen oder vor allem auch die chinesischen Unternehmen viel präsenter hier in Mexiko mit ihren Lokalisierungen. Und ich denke, das ist sehr markant. 

Doch zuerst sprechen wir mit Edwin Schuh, seit drei Jahren für Germany Trade & Invest in Mexiko tätig. Davor war er, auch für GTAI, in Kolumbien und Brasilien. Insgesamt hat er schon ein ganzes Jahrzehnt Lateinamerikaerfahrung. 

 

Hallo Herr Schuh, es ist gerade gewählt worden, bei Ihnen in Mexiko. Die klare Gewinnerin, mit 60 Prozent der Stimmen, ist Claudia Sheinbaum. Sie gehört wie der bisherige Präsident Obrador der Morena-Partei an, arbeitet schon seit der Jahrtausendwende mit ihm zusammen. Da fragt man sich natürlich: Bleibt jetzt alles beim Alten? 

Edwin Schuh Also gut, man muss noch abwarten, wie sie sich jetzt wirklich outet. Das ist so ein bisschen die Ungewissheit, weil sie bisher eben unter dem Schatten von López Obrador stand und ob sie sich jetzt als Präsidentin loslöst und ihre eigene Linie geht. Zum Beispiel in Sachen Klima und Energie ist sie viel fortschrittlicher als er, aber manche denken auch, dass López Obrador weiterhin die Fäden ziehen wird, von hinten. Er sagt zwar, er will sich zur Ruhe setzen, aber manche sind sich da nicht so ganz sicher, ob er das wirklich tun wird. 

Und was denken Sie?

Edwin Schuh Ich kann mir schon vorstellen, dass sie dann ihren eigenen Weg gehen wird. Und sie hat doch sehr viel Macht. Also wie schon gesagt, hat sie sehr viele Stimmen bekommen und gleichzeitig überraschenderweise auch im Kongress die Zweidrittelmehrheit erreicht. Vorher wurde eigentlich nur mit der 50%-Mehrheit gerechnet und jetzt hat sie die Zweidrittelmehrheit, die für Verfassungsänderungen notwendig ist. Also kann sie wirklich viel durchführen, viel ändern und ja, die Leute sind gespannt eben, was sie dann daraus macht. 

Wie verschieden sind denn der Vorgänger und die Nachfolgerin?


Edwin Schuh Also López Obrador ist wirklich ein Populist und hat auch irgendwie aus dem Bauchgefühl heraus regiert. Sie ist viel sachlicher. Sie ist eben Wissenschaftlerin. Das kann jetzt ein Vorteil sein für die nächsten Jahre, dass die ganze Regierung wieder etwas sachlicher arbeitet. Weniger Populismus und mehr konkrete Aktionen, mehr Pragmatismus. 

Sie haben eben gesagt, man kann besonders bei den Themen Klima und Energie auf Änderungen hoffen. Worum geht es da konkret? 

Edwin Schuh Klimaschutz und vor allem der Zugang zu Strom aus erneuerbaren Energien, das ist so der Stein im Schuh auch von vielen deutschen Unternehmen, die eben teilweise große Stromverbraucher sind hier im Land, weil sie hier produzieren und Fabriken haben, aber der Zugang zu grünem Strom ist in den letzten schwieriger geworden, weil López Obrador, der so ein bisschen ein Weltbild hat aus den 60er/70er-Jahren, der will große, mächtige Staatsunternehmen, Pemex im Erdölsektor und den staatlichen Energiekonzern CFE, der wiederum auf fossile Brennstoffe setzt. Und in den letzten Jahren wurden eigentlich kaum Konzessionen für neue Wind- und Solarparks gegeben. Das heißt, die Unternehmen mussten Strom von der CFE beziehen, die wiederum eben auf fossile Brennstoffe setzt. Das war ein großes Problem. Und da ist jetzt die Hoffnung, dass Sheinbaum eben auch dank Ihres Hintergrunds im Bereich Klimaschutz, dort hat sie auch geforscht, dass sie da eben Änderungen durchführt und wieder mehr grünen Strom auch im Land zur Verfügung stellt. 

Wie sieht es denn aus im Bereich Infrastruktur? 

 

Edwin Schuh Also López Obrador hat in den letzten sechs Jahren wirklich merkwürdige Entscheidungen getroffen und auch schlimme Entscheidungen im Bereich Infrastruktur. Er hat zum Beispiel den neuen internationalen Flughafen in Mexico City, der schon in Bau war, den Bau abgebrochen und da mussten dann trotzdem noch Verträge bezahlt werden. Und der war auch von Norman Foster entworfen. Also ein tolles Projekt und die Regierung hat schlussendlich eigentlich 6 Milliarden Dollar dadurch verloren. Dann hat er auch so Pharaonenprojekte. Eines davon, die Zugstrecke Tren Maya im Süden der Halbinsel Yucatan, die erst mal betriebswirtschaftlich gar nicht geprüft wurde, ob da Nachfrage besteht. Aber er wollte eben ein Projekt im Süden haben, das dann auch jetzt unter wirklich dramatischen Umweltschäden gebaut wird. Die haben da Tausende von Metallpfeilern in den Boden hineingetrieben. Das ist so eine empfindliche Karstlandschaft, also wirklich schlimme Umweltschäden. Die Regierung gibt jetzt keine Zahlen bekannt, das Militär ist auch in den Bau involviert, aber es wird auf 20 Milliarden geschätzt, also 20 Milliarden Dollar, die ausgegeben wurden. Und das Geld fehlt dann an anderer Stelle, wo wirklich wichtige Projekte nicht weitergeführt wurden. Zum Beispiel eine Zugstrecke zwischen Mexiko-Stadt und der Stadt Querétero, wo wirklich dann viele täglich hin und her pendeln, das eigentlich mehr Sinn machen würden als so ein Projekt im Süden. 


Da besteht also Handlungsbedarf … Und ansonsten? Was würden Sie sagen, muss Sheinbaum ganz dringend angehen? 

 

Edwin Schuh Unter keinem Präsidenten gab es so viele Morde. Ja, und ich habe gestern auch noch mal die Statistik gesehen von den gefährlichsten Städten weltweit. Das sind die mit der höchsten Mordrate. Die ersten sechs werden von mexikanischen Städten belegt. Das ist also schon tragisch. Das sind eben vor allem die Drogenkartelle, die sich da noch gegenseitig bekämpfen und die einfach in den letzten Jahren noch mehr Macht bekommen haben. López Obrador  hatte ja immer die Devise „Abrazos no balazos“, also zu deutsch „Umarmungen statt Kugeln“. Aber das hat eben nicht funktioniert bei Kartellen, die schwer bewaffnet sind, also fast schon auf Kriegsniveau bewaffnet, die auch dank dem Fentanyl-Handel auf Geld schwimmen und die jetzt eben Landesteile unter ihrer Kontrolle haben. Das ist wenn man zwei Stunden von Mexiko City in den Westen fährt, kommt man nach Michoacán und da sind dann Checkpoints von den Kartellen. Da ist kein Militär, keine Polizei und Autos fahren teilweise ohne Kennzeichen rum und nachts darf man da sowieso nicht lang fahren.

Und das hat auch Auswirkungen auf deutsche Firmen?

Es gibt viele Überfälle auf LKWs, die zum Beispiel Waren vom Hafen zur Fabrik bringen. Und eben auf den Landstraßen oder Hauptstraßen ist es einfach unsicher und zur Überwachung dieser LKWs fallen dann zusätzlich Kosten an und das ist wie gesagt auch für deutsche Unternehmen ein negativer Faktor hier im Land. 

Wie sieht es denn überhaupt aus mit dem Interesse von Unternehmen, sich in Mexiko zu engagieren? 

Edwin Schuh Ich muss sagen, eigentlich trotz des Themas Sicherheit boomt das hier mit den ausländischen Investitionen. Es sind aktuell 2100 Firmen mit deutschem Kapital hier im Land und viele schon seit Jahrzehnten. Volkswagen seit den 60er Jahren. Hier produziert auch BMW, Mercedes, Audi, und eigentlich die größten deutschen Firmen sind Automobilzulieferer, also gar nicht die Hersteller, sondern die Zulieferer. ZF Friedrichshafen und Continental haben beide 25.000 Mitarbeiter im Land, ungefähr, und 20 Werke jeweils. Und da kommen auch laufend neue Werke hinzu. Dann haben wir jetzt BMW, die gerade 800 Millionen Euro investieren, um das Werk in San Luis Potosí umzurüsten und da zukünftig Elektroautos zu produzieren, haben jetzt gerade den Grundstein gelegt für ein Batteriewerk dort. Also es sind sehr viele Investitionen und kommen auch laufend neue hinzu. 

Das bezog sich jetzt alles auf die Automobilindustrie, eine der Schlüsselbranchen ...

Edwin Schuh Ja, richtig, also, etwa 40 % der ausländischen Direktinvestitionen sind im Automobilsektor. Wir haben jetzt Tesla, die im Norden Mexikos ein Werk planen. Jetzt zuletzt auch BYD aus China, die auch angekündigt haben, ein Werk in Mexiko zu bauen. Also das ist wirklich der wichtigste Sektor. Und Mexiko ist auch der siebtgrößte PKW-Produzent weltweit und gleichzeitig der viertgrößte Hersteller von Autoteilen. Also noch an Deutschland vorbeigezogen, bei der Produktion von Autoteilen. 

Und warum konzentrieren sich da so viele auf Mexiko?

Edwin Schuh Das Land bietet verschiedene Vorteile. Zum einen die geografische Nähe zu den USA. Dann hat man auch gute Infrastrukturverbindungen, also Zugstrecken an die USA für den Gütertransport, dann bekanntermaßen das, was früher NAFTA hieß, jetzt heißt es USMCA -Abkommen, also dass man zollfrei Waren, die in Mexiko produziert sind, dann an die USA liefern kann. Dann hat man bereits eine breite Industriebasis hier vor Ort. Das heißt gerade im Automobilbereich sind Zulieferer schon hier oder auch Kunden und dann spielt auch das Lohnniveau eine Rolle. Also ein Fabrikarbeiter kostet in Mexiko monatlich etwa 600 oder 700 Dollar aktuell. Und was ich aus China höre, ist es dort quasi das Doppelte. Das sind also verschiedene Faktoren, die für Mexiko sprechen. 

Mexiko bietet sich also an als Eingangstor in die USA. Aber es gibt auch noch Mexiko selbst als Markt, oder?

Edwin Schuh Auf jeden Fall. Also das Land hat ja 130 Millionen Einwohner. Also auch ein großer lokaler Absatzmarkt und kann gleichzeitig auch als Basis dienen, um von hier aus Zentralamerika noch mit zu beliefern und auch teilweise ganz Lateinamerika. Das machen Unternehmen auch. 

Und wie wichtig sind E-Autos?

Edwin Schuh Die Zulieferer rüsten eigentlich ihre Werke um auf Produktion von Teilen für Elektroautos. Auch BMW und Volkswagen rüsten um auf die Herstellung von Elektroautos. Also das ist ein Riesenthema. Und dann haben wir gleichzeitig neulich eben von BYD die Ankündigung, dass sie auch in Mexiko produzieren wollen. Der Absatz hier, lokal, ist schon von diesen chinesischen Elektroautos stark gestiegen in den letzten Monaten. Aber die USA befürchten natürlich, dass sie dann von hier aus auch an die USA Elektroautos liefern wollen, also die chinesischen Unternehmen. Das ist natürlich nicht im Sinne der Amerikaner, die auch kürzlich erst massive Zölle erhoben haben auf E-Autos aus China. Und wenn jetzt die Chinesen kommen und Mexiko als eine Art Trojanisches Pferd nutzen, um dann hier zu produzieren und dann zollfrei sogar an die USA zu liefern, das ist natürlich nicht im Sinne der USA. Und ich denke, die werden auch einen Weg finden, das dann zu verhindern. 

Muss sich dann Mexiko vielleicht sogar in Acht nehmen, dass es nicht zwischen die Fronten gerät? 

 

Edwin Schuh Also Mexiko ist jetzt seit letztem Jahr der wichtigste Handelspartner der USA. Das heißt, man steht ganz klar auf der Seite der USA hier. Der Handelsaustausch zwischen den beiden Ländern lag bei 800 Milliarden Dollar. Weltweit gibt es keine anderen zwei Länder, die so viel handeln. Wenn man das mal vergleicht mit Frankreich und Deutschland, da war der Handelsaustausch bei 200 Milliarden Dollar. Das heißt, die USA haben wirklich Priorität. Und am Ende macht Mexiko auch das, was die Amerikaner sagen.

Wir haben es jetzt viel über Handelsverträgen, Nearshoring und Marktüberlegungen gesprochen. Was würden Sie denn Neuankömmlingen generell raten, die in Mexiko einen Standort eröffnen?

Edwin Schuh Man sollte nicht die Verwaltungsprozesse unterschätzen, also die Bürokratie. Eine Unternehmensgründung läuft relativ zügig. Aber dann die Importlizenzen für Maschinen zu bekommen oder auch allein Waren durch den Zoll zu kriegen, dauert sehr lang. Die Zulassungsbehörde für Medizintechnik und Pharmaprodukte. Die arbeitet auch sehr langsam. Da muss man teilweise drei Jahre warten, bis ein neues Produkt zugelassen wird, während das in anderen Ländern auch in Lateinamerika ein Jahr dauert oder nur ein paar Monate. Und inzwischen gibt es auch teilweise Probleme, dass kein Personal gefunden wird, weil eben so viele ausländische Firmen ins Land kommen und sich dann schon gegenseitig Ingenieure abwerben. Vertriebsingenieure, die eben gefragte Leute sind hier vor Ort. 

Fachkräftemangel – ein weltweites Problem. Vielen Dank Edwin Schuh in Mexiko City. Gleich erfahren wir von Timm Jenisch, der für das Schwarzwälder Unternehmen Kern-Liebers mehrere Standorte in Mexiko und in den USA leitet, wie er die Situation im Land wahrnimmt. 

Timm Jenisch Die gesamte Sicherheitsthematik muss man sehr differenziert betrachten. Es ist es nicht, dass man in Mexiko landet und überall in Gefahr ist. 

Bevor wir mit ihm sprechen, kommen wir jetzt zu einem neuen Fördersystem für Innovationen in Mexiko, das auch für deutsche Unternehmen spannend sein kann. 

Jingle KONKRET UND KOMPAKT

Mexiko will sich künftig noch besser als Standort für Produktion, Verarbeitung und industrielle Fertigung von Gütern positionieren. Dies gilt ganz besonders in einigen Schlüsselsektoren wie zum Beispiel der Halbleiterindustrie, der Automobilbranche, der Medizintechnik, der Pharmabranche und der Nahrungsmittelindustrie. Dabei sollten ausländische Unternehmen nicht nur den mexikanischen Markt sondern auch Nordamerika im Blick haben, denn dorthin ist man über das Freihandelsabkommen USMCA verbunden, das es möglich macht, zollfrei in die USA und nach Kanada zu exportieren, solange die Ware mexikanischen Ursprungs ist. Aber auch mit vielen Staaten Südamerikas und der restlichen Welt hat Mexiko Freihandelsabkommen vereinbart, etwa das transpazifische CPTPP, das verbindet es u.a. mit Australien, Japan, Neuseeland und Vietnam. 

 

Damit Mexiko als Standort noch attraktiver wird, hat es zudem im Oktober vergangenen Jahres ein Fördersystem für ausländische Investitionen aufgelegt, das besteht vor allem aus Steueranreizen. Wer in den Genuss dieser Vergünstigungen kommt, darf den Kaufpreis der in Mexiko zu nutzenden Produktions- oder Verarbeitungsanlagen anteilig von der Steuer absetzen – und zwar mit bis zu 89 Prozent. Dies gilt bis Ende 2024. Außerdem wird begünstigt, wer mehr für die Qualifizierung seiner Mitarbeitenden ausgibt – dies sogar bis Ende 2025. 

 

Außerdem verbessern sich die Standards für mexikanische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dafür sorgt zum einen das USMCA, das soziale Mindeststandards festlegt und so verhindert, dass sich Mexiko mit Lohndumping unlautere Vorteile verschafft. Zum anderen wurde gerade der Mindestlohn erhöht – für das Jahr 2024 um 20 Prozent. Dennoch bietet Mexiko weiterhin ein attraktives Lohnniveau bei gut qualifizierten Arbeitskräften.

Jetzt zu Timm Jenisch, der seit acht Jahren für  Kern-Liebers in Mexiko ist, inzwischen alle in Nordamerika gelegenen Standorte leitet, inklusive der US-amerikanischen. Das deutsche Unternehmen stellt hochkomplexe Teile und Baugruppen her  mit einem Schwerpunkt in Federn und Stanzteilen, ist in 17 Ländern und in vielen Industrien unterwegs, vor allem aber in der Automobilindustrie. Herr Jenisch, wie kommt es, dass Kern-Liebers auf der ganzen Welt Werke betreibt?

Timm Jenisch Also grundsätzlich ist es für unsere Kunden wichtig, dass wir nahe bei ihnen sitzen. Und unsere Kunden sind sehr international aufgestellt. Um die Frage genauer zu beantworten, müsste man eigentlich etwas in die Geschichte eintauchen. Wir haben im Schwarzwald angefangen mit der Herstellung von Federn für die Uhrenindustrie, das war vor 130 Jahren. Und von dort, wo auch bis heute noch unsere Wurzeln sind, haben wir uns natürlich entwickelt, also aus diesem heimischen Wachstum sozusagen heraus, dann andere Produktsegmente erschlossen. Zu dem gehört zum Beispiel auch dann 1965 der Sicherheitsgurt bzw. die Rückholfeder für den Sicherheitsgurt. Und dieser Sicherheitsgurt wurde natürlich relativ schnell auf der ganzen Welt auch benötigt und infolgedessen auch die Rückholfedern für diese Sicherheitsgurte. Das war sicherlich für Kern-Liebers ein starker Exportfaktor. 

In Mexiko ist Kern-Liebers jetzt seit rund vierzig Jahren, inzwischen mit 1000 Beschäftigten. Wie sehen Sie denn die aktuelle Dynamik in der Wirtschaftsentwicklung des Landes? 

 

Timm Jenisch Das Wachstum hat sich verstärkt. Das nimmt man wahr. Es hat sich weiter beschleunigt. Was sich aber vor allem verändert hat, sind die Unternehmen, die sich ansiedeln. Waren früher die US-Amerikaner als auch beispielsweise die Deutschen sehr stark In den Investitionsstatistiken, sind zwischenzeitlich auch gerade die asiatischen oder vor allem auch die chinesischen Unternehmen viel präsenter.

Was würden Sie sagen, sind die größten Herausforderungen in Mexiko?

Timm Jenisch In Mexiko ein Unternehmen zu betreiben, ist sicherlich anspruchsvoller als in vielen anderen Ländern. Es gibt eine Vielzahl von gesetzlichen Anforderungen. Ob jetzt vom Arbeitsamt, Zivilschutz oder vom Finanzamt. Natürlich ist Personalmangel in Mexiko ein großes Thema. Das treibt eigentlich alle Unternehmen um, die sich in den industriellen Ballungszentren, beispielsweise im Bajío oder in der Nueva León aufhalten. Die Rotation in den Unternehmen ist ist sehr hoch und auch die Gehälter steigen ständig. Und das starke Wachstum in diesen Ballungszentren führt natürlich auch dazu, dass die Infrastruktur immer etwas hinterherhinkt. So sind zum Beispiel die Stromnetze instabil. Oder auch der grüne Strom, der ja für uns Unternehmen sehr wichtig ist, um unsere CO2-Bilanzen zu verbessern, ist doch recht selten. Und dann ist sicherlich auch wichtig zu erwähnen das Thema Kriminalität und Korruption. Auch wenn es sich im Land vielleicht etwas anders darstellt, als wir das vielleicht aus den deutschen Medien teilweise wahrnehmen, prägt es doch das Land und schränkt auch die Unternehmen als auch deren Mitarbeiter ein. Also es gilt einfach, besondere Vorsicht zu bewahren und auch auf Prävention zu setzen. 

Sie haben ja grade auch den grünen Strom genannt. Könnte sich da mit Claudia Sheinbaum etwas ändert? 

 

Timm Jenisch Davon gehen wir eigentlich alle aus. So hat sich die Sheinbaum im Wahlkampf als auch zuvor schon eigentlich als Umweltaktivistin auch stark gemacht, also ist eigentlich davon auszugehen, dass sie durchaus das Thema grüne Energie deutlich ernster vorantreiben wird als es die aktuelle Regierung getan hat. 

Was die neue Präsidentin auch angehen müsste, ist die Kriminalität. Das fordern viele. Ein Problem zum Beispiel, es sollen ja auch regelmäßig LKWs überfallen werden. Davon hat Edwin Schuh berichtet, am Anfang des Podcasts. Betrifft Sie das eigentlich auch?

Timm Jenisch Also Kriminalität ist sicherlich ein großes Problem in Mexiko. Die Straßen sind auch tatsächlich gefährlicher geworden. Wir transportieren ja vor allem Stahl. Und der ist natürlich jetzt für die Kriminalität nur bedingt interessant. Das heißt, je nachdem, was ich transportiere, gilt es halt einfach das richtige Sicherheitskonzept dazu zu planen. Aber sicherlich muss man, muss man sich darüber im Klaren sein, dass Transporte durchaus auch abhandenkommen können, auch wenn das eher Ausnahmefälle sind. Nur wenn es halt passiert, ist es oftmals sehr schmerzhaft. 

Ist denn da ein vernünftiges Arbeiten überhaupt noch möglich? Also ich finde, das klingt schon sehr unentspannt. 

Timm Jenisch Die gesamte Sicherheitsthematik muss man sehr differenziert betrachten. Es ist es nicht, dass man in Mexiko landet und überall in Gefahr ist. Also es gibt einfach Bereiche, Gebiete, die sind gefährlicher. Das können Bundesstaaten sein, es können aber auch Straßenabschnitte sein. Grundsätzlich ist es so, dass es in Zentralmexiko große Bereiche gibt, die eigentlich als sehr sicher gelten. Wo man sich jetzt auch keine Sorgen machen muss, dass man auf der Straße überfallen wird oder dass eben ein LKW auf der Straße überfallen wird oder gar, dass ein Unternehmen hier irgendwie in Bedrängnis gerät. Grundsätzlich lebt man in Mexiko in solchen Compounds, die dann  überwacht sind. Und das gleiche ist es eben auch für die Unternehmen, die sich in Industrieparks ansiedeln. Und die Industrieparks haben dann ihre Sicherheitskonzepte als auch die Unternehmen haben ihre Sicherheitskonzepte. Da geht es jetzt aber nicht unbedingt um die Kriminalität, die wir in Deutschland wahrnehmen, also die vor allem mit dem Drogenhandel zusammenkommen. Sondern es ist natürlich auch so, dass es in Mexiko ein großes Gefälle gibt, ein Einkommensgefälle und es gibt natürlich auch viel Kleinkriminalität, die es für Unternehmen auch zu beherrschen gilt. Das heißt, in wenigen Fällen reden eigentlich die Unternehmen dann wirklich von den Kartellen, sondern es geht oftmals eben um Bandenkriminalität oder auch um einfache Kriminalität, die es auch in Deutschland gibt.

Sie sagten auch, der Personalmangel ist ein Riesenproblem?

 

Timm Jenisch White Collar Bereich gibt sicherlich einen deutlichen Fachkräftemangel angefangen von der schulischen Ausbildung dann auch über die technischen Ausbildungen. Das Ausbildungsniveau ist nicht auf dem europäischen Niveau. Das heißt auch wenn die Mitarbeiter oftmals sehr motiviert sind oder in der Regel sehr motiviert sind, muss man dazu sagen, dass das Verständnis von gewissen Grundzusammenhängen oftmals nicht so ausgeprägt ist, wie man das in Deutschland eigentlich als normal empfindet. Und im Blue Collar Bereich gibt es in Mexiko genügend Arbeitskräfte. Die sitzen aber in aller Regel dann nicht in den Ballungszentren und müssen dann irgendwo quasi mobilisiert werden. 

 

Und können Sie das irgendwie unterstützen oder fördern? 

 

Timm Jenisch Ja, einmal suchen wir natürlich den Kontakt zur Regierung, ich sage mal was, was das Thema Wohnraum angeht, auch das Thema Marketing, dass man solche Mitarbeiter auch dann findet in anderen Bundesstaaten, also dass zum Beispiel ein Bundesstaat Querétero für sich wirbt. Erstaunlicherweise kann man aber auch einfach über die die Mitarbeiter selbst gut werben.

 

Wie geht das dann?

 

Timm Jenisch Wenn jetzt ein Mitarbeiter von Kern-Liebers einen neuen Mitarbeiter anwirbt und der auch hier erfolgreich in die Firma integriert wird, dann bekommt der Mitarbeiter dafür auch einen Incentive. Wir nennen das Hiring Bonus. Not macht natürlich erfinderisch. Und da wird grundsätzlich in Mexiko bei den meisten Unternehmen sehr viel Aufwand getrieben. Das ist schon fast eine Core-Kompetenz, wenn man sich in Mexiko behaupten möchte oder in den Ballungszentren, dass man natürlich seine Prozesse entwickeln muss, wie man Mitarbeiter rekrutiert und vor allem aber auch die Mitarbeiter im Unternehmen behält. 


Worauf sollte denn ein Mittelständler achten, wenn er nach Mexiko expandieren will? Haben Sie da vielleicht ein paar Tipps? 

 

Timm Jenisch Also grundsätzlich kann ich empfehlen, sich mit der deutschen Auslandshandelskammer hier in Mexiko in Verbindung zu setzen. Die haben natürlich sehr viel Erfahrung und sind auch sehr verlässlich. Und es macht natürlich auch Sinn, sich mit Unternehmen zu unterhalten, die eben hier schon eine Weile in Mexiko sind. Das gleiche trifft auch auf Kern-Liebers zu, dass sich deutsche Unternehmen untereinander helfen und auch bereitwillig Informationen teilen, um so einen Markteintritt zu erleichtern. Also dort mit Selbstvertrauen auch auf die Unternehmen zugehen und versuchen Informationen zu ziehen. Die jeweiligen Tipps hängen natürlich sehr stark von der Branche, in der man sich dann bewegt, ab. Aber es gibt allgemein gesagt natürlich sehr viele Stolpersteine in Mexiko, die es zu vermeiden gilt. Deswegen ist Netzwerk einfach wichtig. 

Gefährdete LKW-Ladungen, Mangel an grünem Strom, Hiring Bonus  und noch mehr Bürokratie als in Deutschland – einerseits. Andererseits wächst Mexiko als Markt durch das Interesse für das Nearshoring noch stärker als bisher. Bleibt abzuwarten, was sich durch die neue Präsidentin vor allem bei Sicherheit, Klima und Energie ändern wird. Auch der Ausgang der Wahl des US-Präsidenten im November wird wahrscheinlich Auswirkungen haben auf den Nachbarn Mexiko haben. Vielen Dank also, Timm Jenisch, für die vielen Einblicke. 

Wenn Sie sich weiter einlesen möchte, sehr gerne, wir haben für Sie wie immer spannende Links in den Shownotes. Beispielsweise erklärt GTAI-Zollexpertin Susanne Scholl das USMCA-Abkommen, unser heutiger Gast Edwin Schuh widmet sich in seiner Analyse der Kfz-Branche und Björn Lisker porträtiert Mexiko als Wirtschaftsstandort generell. 


In der WELTMARKT-Folge vom kommenden Monat schauen wir dann nicht auf ein konkretes Land, sondern auf die Möglichkeiten, die Künstliche Intelligenz schon jetzt in der Außenwirtschaft bietet. Ein Mitarbeiter von DHL berichtet unter anderem, wie die künstliche Intelligenz LKWs über möglichst unverstopfte Autobahnen lotst, das Lager so bestückt, dass Wege kurz bleiben und nichts unnötig bewegt werden muss und was im Backoffice möglich ist. Es bleibt spannend, hören Sie also gerne wieder rein! 

 

 

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