Special Singapur Konnektivität
Deutsche Unternehmen in Singapur: Von hier aus Asien erschließen
Deutsche Unternehmen schätzen Singapur als internationalen Hub. Der Stadtstaat erholt sich von der Pandemie, doch einiges hat sich verändert. Wie sind die Zukunftsperspektiven?
10.03.2022
Von Marcus Hernig | Bonn
Wer aufmerksam durch Singapur fährt, entdeckt an den vielen Baustellen und Neubauten immer wieder bekannte und weniger bekannte Logos deutscher Unternehmen: Ob Herrenknecht oder Züblin beim Tunnelbau oder Viessmann bei der Klimatechnik – deutsche Mittelständler zeigen im Stadtstaat Präsenz.
Doch "Made in Germany" läuft nicht von selbst. Gerade kleinere Unternehmen müssen ihre Spezialprodukte auf dem südostasiatischen Markt erst einmal bekannt machen.
Ist Singapur der beste Startpunkt Richtung Südostasien?
"Auf jeden Fall", sagt Dr. Tim Philippi, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer Singapur: "Das gilt für alle Unternehmen, die nicht nur ein spezielles Land ins Auge fassen, sondern sich über Singapur hinaus in der gesamten Region einschließlich Australien und Neuseeland engagieren wollen. Ich kenne nur ganz wenige deutsche Firmen hier in Singapur, deren regionale Zentralen in anderen Ländern des Verbandes südostasiatischer Staaten (ASEAN) liegen. Singapur ist wichtigster Exportmarkt in ASEAN und gleichzeitig Standort für Regionalzentralen. Das unterscheidet Singapur von anderen Ländern im Asien-Pazifik-Raum."
Christoph Hallier, Deutsche Botschaft Singapur | © Christoph Hallier, Deutsche Botschaft SingapurChristoph Hallier, Gesandter und Leiter der Wirtschaftsabteilung an der deutschen Botschaft, betont, dass Singapur Modellcharakter für seine Region haben möchte: "Deutsche Firmen können via Singapur in neue Infrastrukturprojekte im ASEAN-Raum einsteigen. Die europäische Initiative Global Gateway könnte hier die nötige Finanzsicherheit bieten. Die fehlt oft, wenn deutsche Unternehmen von Singapur aus in Konnektivitätsprojekte der Nachbarstaaten hineinwollen. Europäische Unternehmen sollten hier früh und gezielt über Ausschreibungen informiert werden."
Auch Singapur selbst bietet Chancen, um Projekte in den südostasiatischen Staaten zu finanzieren: "Singapur ist vor allem deshalb ein Hub", weiß Dr. Paul Weingarten von Roedl&Partner, "weil viele Holdings hier Projekte von Betreibergesellschaften in Vietnam, den Philippinen, Malaysia oder Thailand finanzieren. Das können beispielsweise Wind- und Solarenergieprojekte sein."
Wie erleichtert Singapur den Markteintritt nach Südostasien?
Gerade ein Jahr alt ist die South East Asia Manufacturing Alliance. Die Initiative will ausländische Unternehmen zur Produktion in Industrieparks holen, die Singapur in verschiedenen südostasiatischen Staaten betreibt. Damit möchte man es auch deutschen Unternehmen leichter machen, nach Südostasien zu gehen. Der Stadtstaat bietet seine Stärken Rechtssicherheit und Transparenz auf der einen sowie langjährige Expertise und Vernetzung mit ASEAN auf der anderen Seite.
Die offizielle Wirtschaftsförderungsagentur Economic Development Board (EDB) verweist noch auf eine zweite ASEAN-Initiative des Stadtstaates, Infrastructure Asia, die Spezialtechnik aus europäischen Ländern wie Deutschland mit singapurischen Projekten in Südostasien verknüpfen will. Enterprise Singapore und die Singapurer Zentralbank bieten Finanzierungsmöglichkeiten. Noch mangelt es allerdings an Erfahrungsberichten deutscher Unternehmen zu den beiden sehr jungen Projekten.
Wie wirkt sich die Pandemie auf den Standort Singapur aus?
Die Pandemie war für den Stadtstaat eine große Herausforderung. Reisen wurden abgesagt, der Flugverkehr über die ausgezeichnete Vernetzung via Singapur kam zum Erliegen. "COVID-19 stellte Singapurs selbstverständliche Rolle als Hub für eine ganze Region infrage. So konnten sich Bangkok und Kuala Lumpur als weitere regionale Zentren positionieren. Manch einer, der in Thailand oder Malaysia seinen Hauptmarkt hatte, entschied sich wegen der Reisebeschränkungen gegen Singapur als Standort", musste Paul Weingarten erfahren.
Dominique Herold, Leiterin German Centre Singapur | © Dominique Herold"Aus der Not heraus haben viele reisegewohnte Manager ihre Praktiken umgestellt. Auch Servicetechniker konnten nicht mehr zu den Standorten in den Nachbarstaaten fliegen", erzählt Dominique Herold, Leiterin des German Centre Singapore. Doch aus der Krise erwuchs auch eine Chance: "Der plötzliche Zwang zur Digitalisierung ließ Apps und Video-Tutorials für Servicelösungen entstehen. Speziell für den Markt ASEAN entwickelten deutsche Unternehmen eine eigene digitale Produktsparte, die zukunftsweisend für Deutschland und Europa sein könnte."
Ist Singapur ein zukunftssicherer Standort für deutsche Unternehmen?
Tim Philippi zeigt sich optimistisch: "Trotz Pandemie kommen ständig neue Unternehmen nach Singapur. Wichtige Zukunftstrends sind hier vertreten. Ein Beispiel sind die Branchen Biotechnologie und Gesundheitswirtschaft."
Dr. Tim Philippi, Geschäftsführer Deutsch-Singapurische Industrie- und Handelskammer | © Dr. Tim PhilippiDominique Herold fügt hinzu: "Hier im German Centre haben wir in Kooperation mit deutschen und internationalen Unternehmen den Life Science Incubator für Biotechnologie eingerichtet. Ein zweiter Schwerpunkt ist der grüne Industriesektor in den Bereichen Recycling oder Umweltmanagement."
Paul Weingarten sieht aber auch einen harten Wettbewerb: "Der Preiskampf in Singapur ist nicht zu unterschätzen. Besonders stark ist die chinesische Konkurrenz auf vielen Sektoren. Auch Europäer und Amerikaner liefern sich untereinander oft einen Schlagabtausch um das beste Angebot."
Vieles, was in Singapur erfolgreich ist, findet in den Staaten Südostasiens ebenfalls Absatz. "Der Markt ist sehr innovativ", weiß Paul Weingarten. "Hightech-Lösungen bestimmen die lokale Produktion, die im Stadtstaat immerhin 20 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht. Da sind auch deutsche Innovationen gefragt." Nicht allein Biotechnologie, klimafreundliche Energielösungen und Innovationen bei Recyclingtechnologien sind spannende Zukunftsfelder für deutsche Unternehmen. Singapur baut und erweitert ständig seine Infrastruktur. Erfolgreiche Lösungen im Tunnel- oder Straßenbau können ebenfalls für andere asiatische Länder sehr interessant sein und sich als Standards in der Region etablieren.