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Special Singapur Konnektivität

Hub Singapur: Deutsche Spezialtechnik für Südostasien

Singapur bietet trotz hoher Standortkosten gute Aussichten für deutsche Unternehmen. Viele bedienen mit ihren Produkten erfolgreich Infrastrukturprojekte in Asien.

Von Marcus Hernig | Bonn

Rund 2.000 deutsche Unternehmen sind 2022 in Singapur registriert, Tendenz steigend. Die meisten von ihnen nutzen den Stadtstaat als zentrale Operationsbasis, um den umliegenden südostasiatischen Markt, Australien und Neuseeland zu bedienen. Nicht wenige steuern von Singapur aus auch ihre Geschäfte in Südasien, dem Mittleren Osten oder sogar weltweit. Besonders bei Infrastrukturprojekten in den Bereichen Energie, Transport, Immobilien und Abfallwirtschaft können deutsche Unternehmen ihre Spezialtechnologien zum Einsatz bringen. Germany Trade & Invest hat mit Marktkennern vor Ort gesprochen und stellt sechs Erfahrungsberichte deutscher Mittelständler vor: Das Spektrum reicht vom "Asien-Einsteiger" bis zum langjährigen Erfolgsbeispiel.

  • Deutsche Unternehmen in Singapur: Von hier aus Asien erschließen

    Deutsche Unternehmen schätzen Singapur als internationalen Hub. Der Stadtstaat erholt sich von der Pandemie, doch einiges hat sich verändert. Wie sind die Zukunftsperspektiven?

    Wer aufmerksam durch Singapur fährt, entdeckt an den vielen Baustellen und Neubauten immer wieder bekannte und weniger bekannte Logos deutscher Unternehmen: Ob Herrenknecht oder Züblin beim Tunnelbau oder Viessmann bei der Klimatechnik – deutsche Mittelständler zeigen im Stadtstaat Präsenz.

    Doch "Made in Germany" läuft nicht von selbst. Gerade kleinere Unternehmen müssen ihre Spezialprodukte auf dem südostasiatischen Markt erst einmal bekannt machen.

    Ist Singapur der beste Startpunkt Richtung Südostasien? 

    "Auf jeden Fall", sagt Dr. Tim Philippi, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer Singapur: "Das gilt für alle Unternehmen, die nicht nur ein spezielles Land ins Auge fassen, sondern sich über Singapur hinaus in der gesamten Region einschließlich Australien und Neuseeland engagieren wollen. Ich kenne nur ganz wenige deutsche Firmen hier in Singapur, deren regionale Zentralen in anderen Ländern des Verbandes südostasiatischer Staaten (ASEAN) liegen. Singapur ist wichtigster Exportmarkt in ASEAN und gleichzeitig Standort für Regionalzentralen. Das unterscheidet Singapur von anderen Ländern im Asien-Pazifik-Raum."

    Christoph Hallier, Deutsche Botschaft Singapur Christoph Hallier, Deutsche Botschaft Singapur | © Christoph Hallier, Deutsche Botschaft Singapur

    Christoph Hallier, Gesandter und Leiter der Wirtschaftsabteilung an der deutschen Botschaft, betont, dass Singapur Modellcharakter für seine Region haben möchte: "Deutsche Firmen können via Singapur in neue Infrastrukturprojekte im ASEAN-Raum einsteigen. Die europäische Initiative Global Gateway könnte hier die nötige Finanzsicherheit bieten. Die fehlt oft, wenn deutsche Unternehmen von Singapur aus in Konnektivitätsprojekte der Nachbarstaaten hineinwollen. Europäische Unternehmen sollten hier früh und gezielt über Ausschreibungen informiert werden."

    Auch Singapur selbst bietet Chancen, um Projekte in den südostasiatischen Staaten zu finanzieren: "Singapur ist vor allem deshalb ein Hub", weiß Dr. Paul Weingarten von Roedl&Partner, "weil viele Holdings hier Projekte von Betreibergesellschaften in Vietnam, den Philippinen, Malaysia oder Thailand finanzieren. Das können beispielsweise Wind- und Solarenergieprojekte sein."

    Wie erleichtert Singapur den Markteintritt nach Südostasien?

    Gerade ein Jahr alt ist die South East Asia Manufacturing Alliance. Die Initiative will ausländische Unternehmen zur Produktion in Industrieparks holen, die Singapur in verschiedenen südostasiatischen Staaten betreibt. Damit möchte man es auch deutschen Unternehmen leichter machen, nach Südostasien zu gehen. Der Stadtstaat bietet seine Stärken Rechtssicherheit und Transparenz auf der einen sowie langjährige Expertise und Vernetzung mit ASEAN auf der anderen Seite.

    Die offizielle Wirtschaftsförderungsagentur Economic Development Board (EDB) verweist noch auf eine zweite ASEAN-Initiative des Stadtstaates, Infrastructure Asia, die Spezialtechnik aus europäischen Ländern wie Deutschland mit singapurischen Projekten in Südostasien verknüpfen will. Enterprise Singapore und die Singapurer Zentralbank bieten Finanzierungsmöglichkeiten. Noch mangelt es allerdings an Erfahrungsberichten deutscher Unternehmen zu den beiden sehr jungen Projekten.

    Wie wirkt sich die Pandemie auf den Standort Singapur aus?

    Die Pandemie war für den Stadtstaat eine große Herausforderung. Reisen wurden abgesagt, der Flugverkehr über die ausgezeichnete Vernetzung via Singapur kam zum Erliegen. "COVID-19 stellte Singapurs selbstverständliche Rolle als Hub für eine ganze Region infrage. So konnten sich Bangkok und Kuala Lumpur als weitere regionale Zentren positionieren. Manch einer, der in Thailand oder Malaysia seinen Hauptmarkt hatte, entschied sich wegen der Reisebeschränkungen gegen Singapur als Standort", musste Paul Weingarten erfahren.

    Dominique Herold, Leiterin German Centre Singapur Dominique Herold, Leiterin German Centre Singapur | © Dominique Herold

    "Aus der Not heraus haben viele reisegewohnte Manager ihre Praktiken umgestellt. Auch Servicetechniker konnten nicht mehr zu den Standorten in den Nachbarstaaten fliegen", erzählt Dominique Herold, Leiterin des German Centre Singapore. Doch aus der Krise erwuchs auch eine Chance: "Der plötzliche Zwang zur Digitalisierung ließ Apps und Video-Tutorials für Servicelösungen entstehen. Speziell für den Markt ASEAN entwickelten deutsche Unternehmen eine eigene digitale Produktsparte, die zukunftsweisend für Deutschland und Europa sein könnte."


    Ist Singapur ein zukunftssicherer Standort für deutsche Unternehmen?

    Tim Philippi zeigt sich optimistisch: "Trotz Pandemie kommen ständig neue Unternehmen nach Singapur. Wichtige Zukunftstrends sind hier vertreten. Ein Beispiel sind die Branchen Biotechnologie und Gesundheitswirtschaft."

    Dr. Tim Philippi, Geschäftsführer Deutsch-Singapurische Industrie- und Handelskammer Dr. Tim Philippi, Geschäftsführer Deutsch-Singapurische Industrie- und Handelskammer | © Dr. Tim Philippi

    Dominique Herold fügt hinzu: "Hier im German Centre haben wir in Kooperation mit deutschen und internationalen Unternehmen den Life Science Incubator für Biotechnologie eingerichtet. Ein zweiter Schwerpunkt ist der grüne Industriesektor in den Bereichen Recycling oder Umweltmanagement."

    Paul Weingarten sieht aber auch einen harten Wettbewerb: "Der Preiskampf in Singapur ist nicht zu unterschätzen. Besonders stark ist die chinesische Konkurrenz auf vielen Sektoren. Auch Europäer und Amerikaner liefern sich untereinander oft einen Schlagabtausch um das beste Angebot."

    Vieles, was in Singapur erfolgreich ist, findet in den Staaten Südostasiens ebenfalls Absatz. "Der Markt ist sehr innovativ", weiß Paul Weingarten. "Hightech-Lösungen bestimmen die lokale Produktion, die im Stadtstaat immerhin 20 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht. Da sind auch deutsche Innovationen gefragt." Nicht allein Biotechnologie, klimafreundliche Energielösungen und Innovationen bei Recyclingtechnologien sind spannende Zukunftsfelder für deutsche Unternehmen. Singapur baut und erweitert ständig seine Infrastruktur. Erfolgreiche Lösungen im Tunnel- oder Straßenbau können ebenfalls für andere asiatische Länder sehr interessant sein und sich als Standards in der Region etablieren.

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • Deutscher Tunnelbauer: Auf den globalen Hub Singapur ist Verlass

    Singapur bietet gute Perspektiven für deutsche Infrastrukturbauer. Doch die Region Südostasien als Ganzes bleibt ein schwieriger Markt. China ist mehr Konkurrent als Partner.

    Die Ed.Züblin AG gehört seit 1898 zu den führenden Bauunternehmen Deutschlands und seit 2016 komplett zur österreichischen STRABAG-Gruppe. Das Unternehmen beschäftigte im Jahr 2020 rund 14.000 Mitarbeiter weltweit.

    In Singapur ist Züblin seit 1997 aktiv. Im Jahr 2015 nahm das Unternehmen ein Fertigteilwerk in Malaysia in Betrieb, um weltweit Projekte mit den eigenen Bauteilen zu versorgen. Die Spezialität des Unternehmens in Singapur ist das sogenannte Microtunneling. Dabei handelt es sich um kleinere Tunnel mit bis zu drei Metern Durchmesser. Microtunneling wird im Stadtstaat hauptsächlich beim Bau von Abwasserleitungen angewendet. Weitere Einsatzmöglichkeiten weltweit liegen im Pipelinebau, im U-Bahnbau oder bei der Konstruktion von Meerwasserentsalzungsanlagen.

    Standortwahl Singapur: Hohe Verlässlichkeit und viele Geschäftsmöglichkeiten

    Warum wählt ein deutsches Bauunternehmen wie Züblin den Standort Singapur für seine internationalen Aktivitäten? Der kaufmännische Leiter des Singapurer Tunnelspezialisten, Christian Knaack, ist überzeugt, dass die langfristige Auslastung mit Projekten im Stadtstaat selbst das stärkste Argument ist. Die Investitionen rechnen sich. "Hinzu kommen", so Knaack, "die hohe Rechtssicherheit und vor allem die Vertragskonformität. Die Projekte sind finanziert. Sie laufen reibungslos und werden abgeschlossen".

    Josef Kofler, Geschäftsführer Züblin Josef Kofler, Geschäftsführer Züblin | © Josef Kofler, Geschäftsführer Züblin

    "Das vermisst man oft in anderen Staaten der Region Südostasien", ergänzt Josef Kofler, Geschäftsführer der Singapurer Niederlassung. "Der Kunde in Singapur hat Geld und bezahlt. In vielen Nachbarstaaten kommt die Ausschreibung, man gewinnt gegebenenfalls. Dann aber wird verschoben oder ganz abgesagt." Josef Kofler wundert sich auch nach Jahren vor Ort noch immer darüber, wie viele Tunnel im Land gebaut werden: "2030 wird das U-Bahnnetz fast die Länge Londons erreichen. Und was die planen, das setzen die auch um."

    Die kleinräumigen Strukturen im Stadtstaat erfordern eine intensive Nutzung oberhalb wie unterhalb der Erdoberfläche. "Natürlich sind wir nicht die einzigen, die hier ihre Chancen sehen. Viele versuchen, uns zu unterbieten. Der Wettbewerb ist hart und die Kosten vor Ort hoch."

    Erfolge im Mikrotunnelbau sorgen für Perspektiven bei Meerwasserentsalzungsanlagen

    Für die Ed.Züblin AG ist Singapur der Hub für internationale Infrastrukturprojekte weltweit. "Nicht nur die zentrale Lage in einer globalen Wachstumsregion, sondern die ausgezeichnete Infrastruktur des Stadtstaates machen dies möglich" bekräftigen die beiden Züblin-Manager.

    "Sehr interessante Möglichkeiten" für die Kleintunnelbauer am Standort Singapur bot das Pipelineprojekte TurkStream zwischen Russland und der Türkei. Im Jahr 2017 baute Züblin Singapur für TurkStream die Land-Meer-Verbindungstunnel im russischen Anapa am Schwarzen Meer. In Abu Dhabi realisierte die Firma ihr bisher größtes Mikrotunnel-Projekt mit 50 Kilometer Gesamtlänge.

    Meerwasserentsalzungslagen, die Ein- und Auslasstunnel benötigen, können zu einem wichtigen Zukunftsstandbein für die deutschen Spezialbohrer werden. Süßwasser spielt in den wachsenden Häfen am Indischen Ozean eine lebensnotwendige Rolle.

    Nur langfristige Präsenz sichert Erfolge in Südostasien

    In den ASEAN-Staaten vor Singapurs Haustür wechseln sich Licht und Schatten für den Stuttgarter Tiefbauspezialisten ab. "Singapur ist unser Gobal Hub. Natürlich haben wir Südostasien von hier aus im Blick", betont Kofler, "aber Singapur ist am stabilsten und bietet die bisher verlässlichsten Möglichkeiten".

    "In Vietnam haben wir vor zwei, drei Jahren versucht, ein Tunnelbauprojekt zu starten. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) war Geldgeber. Die Auslandshandelskammer und die deutsche Botschaft haben das Projekt flankiert. Trotzdem bekam die französische Konkurrenz den Zuschlag", sagt Christian Knaack: "Wir hatten Glück im Unglück, denn am Ende verschob sich das Projekt erheblich."

    Vietnam und andere Länder in Südostasien sind für die Tiefbauer interessante, aber weitgehend geschlossene Märkte. Man kommt nur sehr schwer hinein. In Bangkok versuchte Züblin, in das Prestigeprojekt Airport High-Speed Rail Link einzusteigen. Am Ende kam man "technisch nicht zusammen". Den Zuschlag bekam ein Konsortium, an dem die China Railway Construction Corporation beteiligt ist.

    Was haben die Chinesen und was fehlt den Deutschen? Für Christian Knaack ist die Antwort klar: "Die langfristige Erfahrung im Markt. Wir gehen in die Märkte hinein und wieder heraus. Südostasien benötigt langfristige Präsenz." Die hat Züblin seit vielen Jahren in Malaysia. In direkter Nähe zum wichtigsten regionalen Absatzmarkt Singapur fertigt man dort – mit deutschem Qualitätsanspruch – wichtige Spezialbauteile für Tunnelprojekte weltweit.

    China und die Seidenstraße: Harte Konkurrenz eröffnet kaum neue Chancen

    Bei der hohen Qualität aber liegt auch ein Problem. Im Vergleich zu der immer stärkeren Konkurrenz aus China und anderen asiatischen Ländern ist man oft zu teuer für den südostasiatischen Markt. Chinas Belt and Road Initiative (BRI) sehen Kofler und Knaack als geschickt vom chinesischen Staat inszenierte Subvention. Bisher eröffneten sich für den Spezialtunnelbohrer keinerlei Chancen entlang der neuen Seidenstraße und auch künftig sei das sehr unwahrscheinlich.

    Mit japanischen und koreanischen Firmen sieht es dagegen besser aus. Hier finden sich gute Chancen zur Zusammenarbeit. Singapurs nächster U-Bahn-Bauabschnitt, die Cross Island Line, macht Deutschen und Ostasiaten Hoffnung auf neue Aufträge.

    "Die Chinesen machen es besser als die Deutschen", meint Geschäftsführer Kofler am Ende unseres Gesprächs: "Sie verbinden staatliche Planung mit gezielten Aufträgen an die eigenen Firmen. Genau diese Unterstützung durch die Politik fehlt uns."

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • Deutscher Kranspezialist: "Wir bewegen alles außer Containern"

    Deutsche Spezialmaschinen finden ihre Märkte in asiatischen Häfen. Die Recyclingbranche ist ein wichtiger Zielmarkt, doch gerade in Südostasien gibt es viele Hürden zu nehmen.

    Der Krantechnikspezialist Sennebogen wurde 1952 im bayrischen Straubing gegründet. Das Maschinenbauunternehmen beschäftigt weltweit 1.800 Mitarbeiter. Die Krane und Bagger der Firma findet man in Häfen, auf Baustellen oder in Rohstofflagern auf der ganzen Welt. Seit 2009 kümmert sich eine eigene Niederlassung in Singapur um die asiatischen Märkte.

    Für Sennebogen ist Singapur "alternativlos" in Asien

    Marco Burgmer, seit acht Jahren Geschäftsführer von Sennebogen in Singapur, ist sich sicher: "Der Standort Singapur ist für unser Unternehmen alternativlos in der Region Asien." Dafür gibt es für die bayrische Spezialfirma drei Gründe:

    Marco Burgmer, Geschäftsführer Marco Burgmer, Geschäftsführer | © Marco Burgmer

    Der erste liegt in der exzellenten Infrastruktur des Stadtstaates begründet. "Von Singapur aus erreicht man leicht die ganze Welt, egal ob unsere Kunden in Asien, Australien, Europa oder Nordamerika sitzen. Dazu gehört der Flughafen genauso wie der hohe Grad der Digitalisierung hier, der Deutschland manchmal wie einen Ort in der Steinzeit aussehen lässt", meint Burgmer. "Über das Mobiltelefon machen wir hier die Steuererklärung, 5G ist flächendeckend Realität und das COVID-Tracing läuft schnell und effizient über die App. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Banken ist wichtig, da diese hervorragende Netze für Geschäfte in Südostasien haben. Das erleichtert die Hubfunktion Singapurs. Die europäischen Banken können da nicht mithalten."

    Als zweiter Grund kommt die Nähe des Standortes zu weniger bekannten, aber wichtigen Schwellenmärkten in der Region hinzu. "Indonesien liegt vor der Haustür. Sie kommen schnell nach Medan in Nordsumatra oder in das nahe gelegene Batam, wo viele Unternehmen bereits für Märkte weltweit produzieren. Von Europa aus liegen diese Orte im "Off". Sie sind nur sehr umständlich zu erreichen."

    Der dritte Grund: "Als es darum ging, eine Entscheidung für Hongkong oder für Singapur zu treffen, war China der ausschlaggebende Punkt. Wir bedienen China als Markt quasi überhaupt nicht und so fiel Hongkong als Standort für eine Asienzentrale aus", erklärt Burgmer.

    Südostasiens Häfen: Viel Potenzial und einige Schwierigkeiten

    Die Spezialkrane und -bagger des bayrischen Maschinenbaukonstrukteurs eignen sich besonders gut für die Recycling- und Rohstoffbranche. Sie werden weltweit in vielen Häfen und anderen Verkehrsinfrastrukturen eingesetzt. Daraus entstehen große Marktchancen für die Zukunftsregion Südostasien. In der Praxis lassen sich diese allerdings bisher nur bedingt einlösen.

    Indonesien, das größte aller südostasiatischen Länder und in direkter Nachbarschaft zu Singapur, hat sich als vielversprechender Markt herausgebildet: "Wir sind seit vier, fünf Jahren im Markt. Die Häfen und die Rohstoffe bieten enorme Marktchancen, die wir nutzen wollen", sagt Marco Burgmer. 

    Auch in malaysischen Häfen stehen die grünen Maschinen mit der Aufschrift "Sennebogen". Chancen für die Deutschen bieten sich bei allem, was nicht in Container verladen wird: Kohle, Metallschrott, Papier, Holz und andere Güter. Das Containergeschäft werde, so Burgmer, komplett von den asiatischen Firmen dominiert. Die Spezialisierung von Sennebogen liegt darin, sich von der "Containerlogistik" fernzuhalten.

    In den übrigen Häfen der Region Süd- und Südostasien haben sich bisher kaum Geschäftschancen ergeben. "Es scheint zu wenig Kapital in den übrigen Märkten Südostasiens zu sein", meint der Singapurer Geschäftsführer Burgmer: "Vietnam und Thailand sind interessant, aber schwierige Märkte. Da ist sehr viel Politik und Bürokratie drin. Das gilt auch für die Philippinen. In Kambodscha oder Laos sind wir gar nicht präsent."

    Stahlschrottrecycling bietet Chancen in Bangladesch und Australien

    Offenbar sind ärmere Staaten aber doch bereit, für die relativ teure und häufig "erklärungsbedürftige Technik made in Germany", wie Marco Burgmer das nennt, Geld zu bezahlen: "Unsere Maschinen sind in Bangladesch zuletzt sehr gefragt. Dort entsteht massenweise Metallschrott, der mit unseren Baggern und Kranen verladen wird. Ausrangierte Schiffe werden dort von Arbeitern in Flipflops mit dem Schweißbrenner zerlegt. Ich hätte das nicht geglaubt, wenn ich es nicht gesehen hätte." Deutsche Krantechnik beseitigt so den massenhaft entstehenden Metallschrott entlang der Schiffsrouten im Indischen Ozean.

    Der wird auch in einem anderen Land der Region im großen Stil angelandet: "In Australien gibt es den größten Stahlschrottmarkt der Region. Das ist für unsere Maschinen ein genauso interessanter Markt wie die Holzproduktion in Neuseeland."

    Südkorea kauft Krane und Bagger für Projekte im Mittleren Osten

    Sennebogen spürt die Präsenz der ostasiatischen Firmen aus China, Japan und Korea zunächst als Konkurrenz. Oft sind deren Produkte deutlich günstiger als die deutschen. Hinzu kommt die deutliche staatliche Förderung, von der die Konkurrenz profitiert. Dabei geht es nicht nur um die bekannten Subventionen für chinesische Firmen seitens des chinesischen Staates: "Japanische Banken spielen den japanischen Firmen wichtige Kundendaten zu, um ihnen in Südostasien vor der eigenen Haustür Vorteile zu verschaffen", weiß Burgmer zu berichten.

    Allerdings gibt es auch eine unerwartete Geschäftschance auf Drittmärkten: "Koreanische Unternehmen kaufen unsere Produkte und nutzen sie in Häfen und anderen Infrastrukturen des Mittleren Ostens", ergänzt Marco Burgmer. So können aus Konkurrenten auch schnell einmal interessante Kunden mit Multiplikatoreffekt werden.

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • Brandschutzexperte: "Asien ist unser Zukunftsmarkt"

    Deutsche Mittelständler setzen Standards beim Thema Brandschutz. In Südostasien steigt der Bedarf. COVID-19 hat viele Projekte aber erst einmal gestoppt.

    Hersteller von Brandschutzlösungen finden im Infrastrukturbau weltweit Aufträge. Deutschland verfügt über hoch entwickelte Expertise. Der boomende Hoch- und Tiefbau in Asien – vom Büroturm bis zur neuen U-Bahnlinie – bietet deutschen Anbietern von Brandschutzprodukten und -systemen neue Marktchancen. Gegründet im Jahr 1969 gehört die svt Unternehmensgruppe aus Seevetal bei Hamburg mit weltweit über 1.000 Mitarbeitern an über 50 Standorten zu den führenden Herstellern Europas.

    Vom German Centre nach ganz Asien

    Balaji Yananas Arbeitsplatz im Großraumbüro 05-109 des German Centre im Singapurer Distrikt Jurong besteht aus nur einem Schreibtisch. Er lebt seit 21 Jahren im Stadtstaat und vertritt seit fünf Monaten den deutschen Brandschutzprodukthersteller als Regionaldirektor für Asien. Sein Arbeitgeber svt ist seit 2017 vor Ort.

    "Recht spät – aber nicht zu spät", meint Balaji Yanana. Andere Größen der Branche, wie etwa Branchenführer Hilti, seien schon länger mit ihren Produkten im Markt. Gestartet ist svt mit einer kleinen Repräsentanz, die ihre Aktivitäten bald in die gesamte Region ausweiten möchte. Der Markt ist vielversprechend, denn Brandschutz ist ein zunehmend wichtiges Thema in den vielen Infrastrukturprojekten der Bereiche Transport, Energie und Immobilien in Süd- und Südostasien.

    Singapur bietet gute Chancen für Nischenanbieter

    Wie für viele mittelständische Unternehmen, die sich im German Center angesiedelt haben, waren für svt Singapurs Standortvorteile gegenüber anderen Orten in der Region ausschlaggebend. Dazu gehören Rechtssicherheit, die überschaubare Größe des Stadtstaats, die simplen Prozesse in Zollabwicklung und Steuerbehandlung gerade im Im- und Export.

    Balaji Yanana, Regionaldirektor Asien SVT Balaji Yanana, Regionaldirektor Asien SVT | © Balaji Yanana

    "Es ist einfacher hier", sagt Balaji Yanana, "und gleichzeitig motiviert auch der spürbare Zuwachs an Ansiedlungen kleinerer deutscher Unternehmen mit Nischenprodukten wie den unseren hier im German Centre."

    Noch laufen alle Geschäfte über Deutschland, noch gibt es keine Niederlassung für das operative Geschäft. Das soll sich, so Balaji Yanana, bald ändern, denn in Singapur gibt es interessante Geschäftsfelder. Im Stadtstaat könnten das die vielen neuen Datenzentren sein, die im Rahmen der "Smart Nation" Singapur entstehen. Hier sind gerade passive Brandschutzlösungen wie Versiegelungen und feuerfeste Anstriche gefragt – Felder, auf denen svt besonders innovativ ist.

    Südostasiens neue Infrastrukturen brauchen Brandschutzlösungen

    Der Blick über die Straße von Malakka Richtung Indonesien oder über die Landgrenze im Norden nach Malaysia eröffnet weitere Perspektiven in den Ländern des Verbands südostasiatischer Staaten (ASEAN). Der 2016 beschlossene Masterplan on ASEAN Connectivity 2025 und weitere nationale und internationale Konnektivitätsinitiativen sollen die Mobilität in der Region stärken. "Was auch immer Sie Mobilität nennen möchten: neue U-Bahnstationen, Flughäfen, Bus- und Eisenbahnhöfe. Überall stellt sich zunehmend die Brandschutzfrage", sagt Balaji Yanana. "Sehr interessant für uns ist auch die steigende Elektromobilität in Asien. Batterieentwicklung ist immer auch eine Frage der Batteriesicherheit. Und da steht Brandschutz ganz oben."

    Hinzu kommen der große Energiehunger in Süd- und Südostasien, verbunden mit neuen Städtebau- und Urbanisierungskonzepten. Balaji Yanana skizziert den Trend: "Bisher waren passive Brandschutzlösungen für Gebäude – Versiegelungen und Feuerschutzanstriche – unser Hauptmarkt hier in Singapur und in anderen asiatischen Ländern. Doch die beiden anderen Bereiche, Energie und Mobilität, kommen nun zunehmend in den Blick."

    Perspektiven für den Kraftwerksbau sind groß, aber unsicher

    Neue Solar- und Windkraftprojekte in Thailand, Malaysia, Indonesien und vor allem auch in Vietnam sowie auf den Philippinen sind zunehmend attraktiv für deutsche Anbieter von Brandschutzlösungen. "Besonders interessant von Singapur aus ist auch Indien, mein Heimatland", ergänzt Balaji Yanana. "Das ist ein großer Markt, auf dem man vieles bewegen könnte. Die Chancen sind da, die deutschen Unternehmen sind aber oft nicht anpassungsfähig genug, um etwas Neues zu wagen. Wichtig wäre es, mehr auf den Kunden einzugehen und weniger allein ein Marketing zu verfolgen, dass die Produktqualität in den Vordergrund stellt."

    Aktuell ist svt an einigen Schlüsselvorhaben in Indonesien beteiligt. Dort geht es um Brandschutzprojekte den Bereichen Öl und Gas, aber auch im Kraftwerksbau. "Viele Chancen liegen in dem riesigen Energiemarkt Indonesiens auf der Hand, sagt Balaji Yanana, "die Regierung fördert den Kraftwerksbau von Kohle bis zu den Erneuerbaren". Die COVID-Jahre bedeuteten aber zunächst auch einen herben Rückschlag: "Die geplanten Projekte in Vietnam, Thailand oder Malaysia wurden zunächst verzögert, laufende Energieprojekte in Indonesien gestoppt." Erst eine Wiederaufnahme der Projekte würde die guten Anfänge fruchtbar werden lassen.

    Die Konkurrenz kommt oft aus Deutschland

    "China ist natürlich ein großer Faktor. Aber für uns sind nicht die Infrastrukturprojekte wie die der neuen Seidenstraße relevant. Was uns mit China verbindet, ist die Rohstoffproblematik. Die Rohstoffe für unsere Produkte werden zu einem großen Teil in China produziert. Der gesamte Bausektor weltweit ist davon abhängig", sagt Balaji Yanana. "Allerdings können bereits bestehende Verbindungen von svt zu chinesischen Kunden interessant sein, auch gemeinsam mit einem deutschen Partner. Wenn diese Kunden im ASEAN-Markt aktiv sind, könnten sie unsere Expertise mitnehmen." Auch die koreanischen Firmen, die den Energiesektor in Singapur dominieren, können interessante Kunden in der Region für Anbieter deutscher Brandschutzprodukte werden.

    Die größte Konkurrenz sieht der Regionaldirektor Asien bei den deutschen Mitbewerbern im Markt. Europäische und vor allem deutsche Unternehmen setzen die Standards im Brandschutz.

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • Steckverbinder made in Germany: Kleine Lösungen – große Projekte

    Infrastrukturprojekte in Singapur bieten Chancen für Elektrotechnik aus Deutschland. Daraus ergibt sich eine gute Perspektive, Standards für Südostasien zu entwickeln.

    Die Firma Wieland Electric bezeichnet sich selbst als "Lösungsanbieter und Weltmarktführer für steckbare Elektroinstallation". Mittlerweile sind die Produkte des Bamberger Unternehmens nach eigenen Angaben in mehr als 70 Ländern der Welt im Einsatz. Die Kunden kommen üblicherweise aus dem Segment Gebäudetechnik. Weitere wichtige Abnehmerbranchen sind Maschinenbau, Windkraft und Lichttechnik. Daher finden sich Produkte des Unternehmens in Komponenten zum Aufbau von Transport- und Energieinfrastruktur weltweit. In Singapur ist das Familienunternehmen seit sechs Jahren präsent. Seit etwas mehr als einem Jahr existiert eine voll geschäftsfähige Niederlassung.

    Später Markteintritt eröffnet dennoch Chancen

    Frank Sinnecker ist von Beginn an als Geschäftsführer vor Ort. Er weiß: "Produkte, die Servicepakete mit technischem Support vor Ort einschließen, sind äußerst wichtig, um im Markt erfolgreich zu sein." Die Produkte, von denen Sinnecker spricht, sind Steckverbindungen für elektrische Komponenten. Das klingt erst einmal "nicht sexy", wie er selbst sagt.

    Doch hinter den Produkten von Wieland stecken ausgefeilte Lösungen made in Germany gerade für neue Infrastrukturen, wie sie in Singapur und Südostasien entstehen. Mit seinen Produkten steht Wieland stellvertretend für eine Reihe von deutschen Mittelständlern, die weltweit hoch spezialisierte Lösungen anbieten. Für elektrische Leitungen in neuen Büro- und Wohngebäuden, für Gepäckförderbänder auf Flughäfen, für Ladesäulen zur E-Auto-Betankung oder für neu errichtete Windparks sind Wielands Steckverbindungen entscheidende Schnittstellen.

    In Singapur entstehen Plug-and-Play-Lösungen für Südostasien

    Singapur hat Mut zu Innovationen und schafft damit Standards für die Zukunft einer ganzen Region. Modulhochhäuser sind ein neuer Trend. Früher mussten Elektriker die gesamte Verkabelung auf den Baustellen individuell besorgen, heute können elektrische Module komplett vorgefertigt werden. Genau diese Plug-and-Play-Lösungen der neuen Singapurer Gebäudetechnik unterstützt die deutsche Steckverbindungstechnologie.

    Frank Sinnecker, Geschäftsführer Wieland Electric Singapore Frank Sinnecker, Geschäftsführer Wieland Electric Singapore | © Frank Sinnecker

    "Die Politik in Singapur fordert mehr Effizienz: Neue Mieter sollen schneller in die Gebäude einziehen können", erklärt Frank Sinnecker. Wenn die gesamte Elektrik schon vorkonfektioniert ist, dann brennt in den Gebäuden schneller das Licht und smarte Anwendungen sind früher funktionsfähig. Angesichts des Arbeitskräftemangels im Stadtstaat ist das zunehmend von Bedeutung. Aus Angst vor der Übertragung des Coronavirus waren die Grenzen des Landes lange geschlossen, sodass viele Arbeitskräfte aus Süd- und Südostasien fehlen.

    Neue Standards für Elektromobilität werden in Singapur gesetzt. Das eröffnet Marktchancen beim Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur, in der ebenfalls Wieland-Lösungen stecken. Auch der Ausbau des Singapurer Flughafens Changi bot vor COVID-19 gute Perspektiven, die Technologie in die geplanten Erweiterungen einzubauen. "Vieles ist momentan noch gestoppt. Wir sind aber optimistisch, dass hier viele Projekte bald wieder anlaufen", meint Sinnecker und ergänzt: "In Singapur treibt die Regierung viele Entwicklungen an. Das kommt nicht von den Unternehmen selbst."

    Südostasien bietet Chancen bei neuen Infrastrukturprojekten

    Neben der Gebäudetechnik bietet das Wieland Electric Produkt- und Servicelösungen für den Industriebereich an, wie Frank Sinnecker das nennt. Der Industriebereich umfasst Verkehrsinfrastrukturen wie Gepäckbändersysteme an Flughäfen oder die neuen Elektrofahrzeuge. "Die Modelllösungen, die wir in Singapur schaffen, können als Blaupausen in die südostasiatischen Märkte exportiert werden." Auch für die Elektrobranche gilt: Was in Singapur funktioniert, hat Vorbildcharakter. Erfolgreich in Singapur zu sein, ist ein Gütesiegel für die Region.

    Ein besonderes Geschäftsfeld öffnete sich vor einigen Jahren auf den Philippinen. Dort entstanden massenhaft Call-Center, sogenannte Business Process Outsources (BPO), welche von den großen US-amerikanischen Technologiefirmen genutzt werden. Vor Pandemiebeginn war der Bedarf an neuen Büroräumen enorm. Die Devise lautete: je schneller einsatzfähig, desto besser; je mehr Zeitaufwand für die Wartung, desto schlechter. Steckverbindungen konnten diesen Zeitaufwand deutlich reduzieren. Das deutsche Produkt war gefragt.

    Ein sonst typisches Problem des südostasiatischen Marktes konnte hier ausgeblendet werden. Denn häufig gilt: Niedriger Preis geht vor Produktqualität. "Das spielte", so Frank Sinnecker, "bei der Entscheidung keine Rolle." Ob sich die weltweit operierenden Callcenter auf den Philippinen allerdings nach der Pandemie wieder so reaktivieren werden, dass der Markt weiterhin attraktiv bleibt oder ob sich Home-Office-Lösungen dauerhaft etablieren werden, weiß er nicht.

    Der Einsatz in südostasiatischen Windenergieanlagen hängt am chinesischen Markt

    Neue Energieinfrastrukturen in Südostasien, Windkraft in Thailand oder in Vietnam sind interessante Märkte für die Firma Wieland. Allerdings werden die Steckverbindungen nicht direkt in die Einsatzländer verkauft, sondern sie sind Bestandteile von Windrad-Rotoren, die dorthin geliefert werden. Fertigungsland für diese Rotoren und andere Windradbauteile bleibt China. Dort hat Wieland eine eigene Niederlassung.

    Von China aus gehen die Windräder in die neuen Windparks in Südostasien. Mit jedem neuen Projekt, dass dort umgesetzt wird, wächst auch das Geschäft mit den Steckverbindungen. "Wir profitieren sehr von der Fertigung in China", sagt Sinnecker ohne zu zögern, "allerdings sind unsere Kunden die großen europäischen Marken, die dort produzieren." Ob auch die chinesische Windrad-Konkurrenz Steckverbindungen aus Deutschland bei Projekten entlang der neuen Seidenstraße verbaut, ist angesichts steigender Konkurrenz aus dem Reich der Mitte allerdings fraglich.

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • Klimagerätehersteller: Von China nach Südostasien expandieren

    Nach über zwanzig Erfolgsjahren in China ist die Viessmann Gruppe für den asiatisch-pazifischen Raum in Singapur und Vietnam aktiv. Welche Erfahrungen hat sie dabei gemacht?

    Die Viessmann Gruppe aus dem nordhessischen Allendorf ist ein Anbieter für Lösungen in den Bereichen Wärme, Kühlung und Lüftung. In China bietet das Unternehmen seit über 20 Jahren seine Produktpalette für Privat- und Industriekunden an. Bisher exportierte man von dort in die ganze Welt – auch nach Südostasien.

    Von China aus in andere Märkte zu gehen, erwies sich schon vor der Pandemie als zunehmend schwierig. COVID hat die Problematik noch einmal verschärft. Viessmann suchte eine Lösung und fand sie: Im Jahr 2019 wählte der deutsche Hersteller Singapur als regionale Managementzentrale für den Markt in Asien-Pazifik mit seinem großen Potenzial. 

    Chinakompetenz war wichtig für den Schritt nach Singapur

    Die Erfolgsstory in China war notwendig, damit Viessmann nach Singapur gehen konnte. "Unser Schritt nach Singapur ist eine typische China-plus-eins-Geschichte", sagt der Geschäftsführer Alexander Ziehe: "China war und ist noch immer sehr wichtig für unser Know-how. Auch gibt es eine gewisse Nähe des chinesischen zum südostasiatischen Kunden, was Produktnachfrage und Marketing betrifft.“

    Für das "Plus Eins" mit einer eigenen Niederlassung in Singapur sprachen drei Gründe:

    • die Nähe zum Kunden
    • die größere Flexibilität bei der Gründung
    • ein zweiter Asien-Hub für einen neuen Kundenkreis.

    Das Unternehmen teilt das Asiengeschäft in zwei Kreise. Geschäftsführer Ziehe erklärt: "Viessmann China macht im eigenen Land seine Geschäfte. Wir machen unsere in Südostasien und im pazifischen Raum."

    Rechtssicherheit, Transparenz und die Möglichkeit, gut qualifizierte Mitarbeiter weniger bürokratisch einstellen zu können als in China: Diese Argumente sprechen für Singapur. Außerdem beschäftigt der Staat Singapur viele Entwickler in den Bereichen Immobilien- und Energiewirtschaft. Partnerschaften mit Bauunternehmen eröffnen Chancen, von Anfang an mit deutscher Technologie dabei zu sein. "Wir haben die nachhaltigen Produkte für Euch. Nehmt sie mit für Eure Entwicklungen", formuliert Alexander Ziehe seine Botschaft für den Stadtstaat.

    Mit deutscher Technik können Standards für Singapur und die Region Südostasien gesetzt werden: Was hier entwickelt und für gut befunden wird, bekommt Vorbildcharakter für die Nachbarstaaten Südostasiens. Auch dort steigen künftig die Anforderungen: CapitaLand, Singapurs größter Immobilienkonzern, ist mit Premiumprojekten in Vietnam und auf den Philippinen aktiv. Viessmann konnte seine Technik bei CapitaLand platzieren und damit die Klimatechnik in Gebäuden nachhaltig neu gestalten.

    Neue Trends wie "Vertical Farms" gehören dazu. In den Gemüsegärten, die singapurische Hochhausdächer begrünen, steckt in einem Pilotprojekt bereits Viessmann-Technik. Auch dieses Leuchtturmprojekt der singapurischen Regierung könnte interessant für den südostasiatischen Markt werden.

    Private Investitionen in südostasiatische Infrastruktur sind entscheidend

    Welche Chancen hat ein deutscher Mittelständler wie Viessmann grundsätzlich in regierungsgetriebenen Infrastrukturprojekten in der Region Südostasien? "Ehrlich gesagt sind solche Projekte wie die Vertical Farms die Ausnahme. Ein weiteres, wo wir Konzepte eingebracht haben, ist der neue Flughafen in Ho-Chi-Minh-City."

    Alexander Ziehe, Geschäftsführer Viessmann Singapur Alexander Ziehe, Geschäftsführer Viessmann Singapur | © Alexander Ziehe

    Uneingeschränkt optimistisch zeigt sich Alexander Ziehe bei den privaten Bau- und Infrastrukturprojekten in Südostasien: "Wir sind bei Chemiefabriken dabei, in Luxushotels, bei Brauereineubauten oder in Krankenhausprojekten, wo seit Pandemiebeginn einiges investiert wurde. Überall wird Heißwasser-Expertise benötigt." Interessante Projekte, die von Singapur aus gemanagt werden können, bieten sich den Energienutzungsexperten auch in Australien und Neuseeland, wo gerade der Umstieg auf erneuerbare Energien, insbesondere Solarenergie, angelaufen ist.

    Ist China beim Thema Energiekonnektivität kein übermächtiger Konkurrent? "In Australien wird China mehr und mehr zur Chance für uns hier in Singapur. Der Handelsstreit lässt die Australier nach Alternativen suchen. Hinzu kommen hohe Anforderungen an Standards im Solarbereich, die wir erfüllen können", weiß Alexander Ziehe.

    So weit ist Südostasien noch nicht. "In Vietnam kam es immer wieder zu Stromausfällen. Da ist die Gewissheit wichtiger, dass überhaupt Strom da ist, als die Frage, woher dieser stammt. Doch auch dort steigt die Nachfrage nach elektrischen Lösungen." Deutsche Unternehmen, die in Südostasien neue Produktionsstandorte suchen, müssen sich zunehmend fragen, woher der Strom kommt, den sie in ihre CO2-Bilanz hineinrechnen müssen.

    "In Vietnam und Indonesien ist das meist noch schmutziger Kohlestrom", stellt Ziehe fest. Doch die vielen Wind- und Solarparkneubauten in den Ländern sprechen eine deutliche Sprache. In Vietnam baut Viessmann eine erste Fertigungsanlage für energieeffiziente Lösungen: "Wir wollen in Südostasien für Südostasien produzieren und das möglichst grün", erklärt Alexander Ziehe.

    "Wir würden von mehr europäischer Offensive nur profitieren"

    Gerade in Vietnam möchte man "made in Vietnam" kaufen. Ziehe hofft auf europäische Initiativen wie Global Gateway: "Wenn die Europäer hier den Infrastrukturausbau fördern, dann haben Unternehmen wie wir noch bessere Chancen." Er nennt drei Gründe, warum sich Südostasien trotz aller aktuellen Probleme doch zu einem künftigen "Powerhouse" entwickeln könnte:

    • Die Spannungen zwischen China und den USA können Südostasien zunehmend als Produktionsstandort für deutsche Unternehmen interessant machen.
    • Im Unterschied zu China und Ostasien ist die Bevölkerung äußerst jung. Darin steckt viel Entwicklungspotenzial für den südostasiatischen Binnenmarkt.
    • Der Wirtschaftsraum wächst trotz vieler Probleme zusammen: Der Produktionsstandort in einem Land kann mit dem Vertrieb in einem anderen Land gut vernetzt werden.

    "Ich bin sehr optimistisch", bekräftigt Alexander Ziehe. "Wer mit dem Alten vertraut ist, der kennt das Neue" schrieb einst Konfuzius. Will sagen: Mit langjähriger Chinaerfahrung lassen sich neue Projekte in Südostasien leichter umsetzen.

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • Recyclingwirtschaft: Grüne Pioniere schauen nach Südostasien

    Singapur möchte bis 2030 zum abfallfreien Staat werden. Ein Berliner Recyclingunternehmen entwickelt dafür eine nationale Lösung. Die könnte Vorbild für ganz Südostasien werden.

    Bereits seit 1968 bietet das Unternehmen Alba Berlin GmbH Entsorgungsdienstleistungen an. Im Fokus der Unternehmensaktivitäten stehen Kreislaufsysteme und Recycling zur Abfallvermeidung. Die Alba Group ist seit 2011 in China aktiv. Jahr 2015 konnte in Hongkong ein Recyclingsystem aufgebaut und betrieben werden. Außerdem entstand dort eine Recyclinganlage für Elektronikschrott. Nach diesen Erfolgen nimmt Alba nun Südostasien in den Blick. Dort entsteht ein großer Zukunftsmarkt für Abfallrecycling – mit Singapur im Zentrum.

    Singapur setzt auf Plastikrecycling

    Das 10 Scotts mitten in Downtown Singapur ist ein guter Ort, um über die Zukunft zu reden. Im futuristischen Ambiente der Bar erzählt Jakob Graf Lambsdorff von den Perspektiven für Alba und die deutsche Recycling-Branche. Er ist verantwortlich für die jüngsten Aktivitäten des Berliner Recycling-Dienstleisters in Singapur und Südostasien. "Das Herzstück unserer Aktivitäten ist die Plastic Recycling Association Singapore (PRAS), die wir gemeinsam mit der Auslandshandelskammer, der deutschen Botschaft und weiteren deutschen Unternehmen ins Leben gerufen haben."

    Jakob Graf Lambsdorff, CEO Alba Singapur Jakob Graf Lambsdorff, CEO Alba Singapur | © Jakob Graf Lambsdorff

    Das Ziel der Initiative besteht darin, den "Grünen Plan 2030" des Singapurer Ministeriums für Nachhaltigkeit und Umwelt umzusetzen. "Das Umweltministerium setzt auf Recycling von Feststoffabfall. Da wird der zukünftige Schwerpunkt liegen", weiß Jakob Lambsdorff. Plastik macht 25 Prozent des gesamten anfallenden Mülls im Stadtstaat aus. Die Regierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 sämtlichen Plastikmüll in Singapur zu recyceln. Das technische und logistische Know-how der deutschen Abfallmanager soll entscheidend dazu beitragen, die definierten Ziele bis 2030 Wirklichkeit werden zu lassen.

    Plastikmüll ist eine von vier Säulen, um die sich das Berliner Unternehmen als Dienstleister kümmert. Die drei anderen sind Gefahrstoffe, Biomüll und das öffentliche Abfallmanagement. In allen Bereichen ist der Stadtstaat aktiv: "Plastikrecycling, Müllsammelstrategien, neue Pfandsysteme gehören dazu. Warenproduzenten sollen für das Recyceln des anfallenden Abfalls aufkommen. Das sind einige Maßnahmen, die in den Masterplan aufgenommen wurden", erläutert Jakob Lambsdorff. "Wir sollen die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, die Logistik entwickeln und singapurische Unternehmen entsprechend fortbilden. Selbst recyceln dürfen wir allerdings noch nicht." Da befindet sich auch die Achillesferse des Projekts: Am Ende kann es sein, dass lokale Unternehmen den Profit einstreichen.

    Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Recycling stehen noch am Anfang

    Singapur ist bekannt für hohe technische Standards und ehrgeizige Pläne, sich zu einer "Smart Nation" zu entwickeln. Umso mehr erstaunt, wie sehr die drängenden Fragen von Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft bisher ausgeblendet wurden. "Müll wurde zwar schon früh verbrannt", erzähl Jakob Lambsdorff, "doch der notwendige Umstieg auf Recycling fällt schwer."

    "Eine der ganz großen Herausforderungen für uns besteht darin, das Müllsammeln in den Wohngebieten zu managen", sagt Lambsdorff und verweist auf eines der großen Probleme der Region: "Für die Wohnblöcke in Singapur ist das Town Council mit seinen Angestellten zuständig. Die sammeln den Müll, wir holen ihn ab. Die Gehälter sind niedrig und manch einer möchte sich mit seinen Funden vor Ort etwas dazuverdienen. Da werden Trommeln aus Waschmaschinen oder Bauteile aus Klimaanlagen herausgefräst. Darin stecken wertvolle Rohstoffe, die etwas Geld bringen. Für uns lassen sie den Rest liegen. Dagegen gehen wir dann vor."

    Erste Pilotprojekte in Südostasien laufen an

    In den südostasiatischen Nachbarstaaten gibt es gar kein Town Council, das Sammler regulär beschäftigt. Dort leben ganze Bevölkerungsgruppen vom freien Müllsammeln. Ihr Einkommen ist sehr gering, da zwischen Flaschensammeln und Recyclingunternehmen noch andere stehen, die mitverdienen möchten. "Das ist eine unserer Visionen", so Lambsdorff, "diese freien Sammler in Indonesien, Malaysia oder Vietnam in unser System einzugliedern. Die Zwischenhändler zu reduzieren und sie im Endeffekt dadurch mehr verdienen zu lassen. Hinzu kommt der Aufbau einer rudimentären Sozial- und Krankenversicherung für diese Arbeitskräfte."

    In Vietnam, Malaysia und Indonesien hat Alba bereits damit begonnen, zehntausende Flaschensammler in erste Pilotprojekte einzubinden, die mit lokalen Entsorgern in Bandung oder in Ho-Chi-Minh-Stadt organisiert werden. Dahinter steht die Entwicklung von Abfall-Management-Lösungen für neue Smart-City-Projekte in Indonesien, Vietnam und Thailand.

    Deutsche Unternehmen: An der Spitze der Entwicklung

    Der Markt beginnt, sich zu entwickeln. In den nächsten Jahren will Singapur westeuropäisches Niveau erreichen. Eine Vorreiterstellung ist bei der Elektromobilität zu erwarten. Noch liegt der Stadtstaat hier hinter europäischen Standards zurück. Doch die Signale sind deutlich: Die gesamte Fahrzeugflotte von Alba in Singapur soll ab 2025 elektrisch werden.

    Das Plastikrecycling ist angelaufen. Zusammen mit den Singapurer Behörden organisieren die Berliner das Einsammeln der wertvollen Rohstoffe. Wenn Singapur es schaffen sollte, seine Recyclingpläne bis 2030 umzusetzen, kann dort das Zentrum eines Recyclingnetzes entstehen, in das ganz Südostasien mit seinem enormen Bedarf eingebunden sein wird. Für die grünen Technologien und Lösungen aus Deutschland ergeben sich hier große Zukunftschancen. "Deutsche, österreichische und Schweizer Unternehmen bilden zusammen mit den Skandinaviern die Spitze der Entwicklung. In Singapur sind unsere Mitbewerber andere deutsche Firmen", meint Jakob Lambsdorff dazu. Das ist eine sehr seltene Ausgangsposition.

    Von Marcus Hernig | Bonn

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