Branchenbericht Somalia Telekommunikations-, Navigationstechnik
Somalias Telekomsektor braucht Ausrüstungen
Der Erfolg der Branche begann Anfang der 90er Jahre - inmitten von Bürgerkrieg und Clanfehden. Nun soll Somalia eine landesweite 4G-Abdeckung bis 2025 erhalten.
21.04.2022
Von Ulrich Binkert | Bonn
Für eine Verbesserung der Telekommunikations-Infrastruktur braucht es Technik und Dienstleistungen. Die Branche baut Mobilfunknetze aus, legt Glasfaserkabel oder bietet neue Cloud-Lösungen an. So will China Mobile nach Branchenangaben eine Niederlassung (POP) in Somalia aufbauen und dort auf Basis fremder Infrastruktur seine Dienste erbringen. Die Firma OADC kündigte im November 2021 den Bau eines Rechenzentrums in der Hauptstadt Mogadischu an, das schon dieses Jahr in Betrieb gehen soll.
Chinesische Technikphalanx versus Europas Nicht-Präsenz
Ihre Technik inklusive der Software bezieht die Branche laut Experten komplett aus dem Ausland. Europäische Anbieter, zumal von Telekom-Diensten, sind jedoch praktisch nicht in Somalia vertreten, sagt Ahmed Amin in Hargeisa, der Hauptstadt des unabhängig agierenden Teilstaats Somaliland. Der Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Small Globe Solutions kooperiert mit einheimischen Netzbetreibern für den Bezug von Glasfasertechnik, die systemoffen und damit herstellerunabhängig eingesetzt werden kann.
"Bei der Ausrüstung von Netzwerken kommt bisher fast alles von chinesischen Anbietern", sagt auch Mohamed Ahmed Jama, Chef des Netzbetreibers Dalkom Telecom. Dies gelte besonders für das Zugangsnetz zwischen Mobilfunkanlage und Endgerät. Beim Hauptstrang der Telekom-Infrastruktur (Backbone) sei, in begrenztem Maße und nur in Somaliland, auch Alcatel vertreten und spreche Nokia mit Branchenfirmen.
Typisch ist laut Ahmed Amin hingegen der umfangreiche Ausrüstervertrag, den der drittgrößte Mobilfunkanbieter Telesom 2021 mit Huawei abgeschlossen habe. Dabei seien die Abnehmer, wie beim chinesischen Konkurrenten ZTE, von einem geschlossenen System abhängig, das mit Technik anderer Hersteller nicht kompatibel ist. Die Kunden würden sich dieser Abhängigkeit von chinesischen Anbietern nun stärker bewusst und bevorzugten offene Plattformen.
Branche investiert in Glasfaser
Der größte Mobilfunkanbieter Hormuud kündigte Mitte 2021 an, den 4G-Mobilfunkstandard bis 2023 landesweit einzuführen. Bisher beschränke sich der Dienst, an dem man seit 2015 arbeite, im Wesentlichen auf die großen Städte. Die Regierung hofft auf eine landesweite 4G-Abdeckung bis 2025. Eine bessere Infrastruktur braucht es auch für die künftige Einführung des 5G-Standards, der kurze Abstände zwischen Sendemasten und deren Anbindung an ein leistungsfähiges Backbone erfordert.
Das Backbone-Netz muss nach Angaben von Jama dringend ausgebaut werden. Die Investitionen dafür beziffert der Dalkom-Chef in einem ersten Schritt auf 30 Millionen bis 50 Millionen US-Dollar. Das Geld müsse mangels Interesse ausländischer Investoren aus Somalia kommen. Hormuud baut laut Jama bereits seit etwa vier Jahren an einer 1.200 Kilometer langen Glasfaserverbindung von Bosaso nach Mogadischu. Auch der Branchenzweite Somtel will nach Angaben von Insidern ein Backbone-Netz durch Puntland und Zentral-/Südsomalia bauen.
Eine Glasfaserverbindung nach Äthiopien plant den Informationen zufolge Somcable. Der landesweit größte Eigner solcher Leitungen besitzt in Somaliland etwa 1.500 Kilometer Glasfaser-Backbone und arbeitet laut Presseberichten an einem Upgrade seiner Infrastruktur. Äthiopien hat, so ist zu hören, Interesse an einer stärkeren Anbindung an Somaliland. Das Nachbarland ist beim Zugang ins internationale Telekommunikationsnetz sehr von Dschibuti abhängig, ähnlich wie beim maritimen Transport. Fallen gelassen hat Somcable dem Vernehmen nach hingegen den in der Presse kursierenden Plan, sein Glasfasernetz von Somaliland nach Mogadischu auszudehnen.
In den Städten selbst, vom flachen Land ganz zu schweigen, gibt es erst relativ wenige Glasfaserverbindungen. An Plänen für den Ausbau dieser "Metro-Netze" arbeiten laut Ahmed Amin fast alle Kabelbetreiber. Die Netze reichen teils bis zum Endkunden (FTTH) und zählen nicht zum Backbone. Somtel etwa habe solche Netze in Mogadischu und Bosaso aufgebaut. In Somaliland besitzt Somcable geschätzt knapp 100 Kilometer in den beiden dort größten Städten Hargeisa und Berbera. Das größte Metro-Netzwerk in Somalia hat nach Einschätzung von Dalkom-Chef Jama die Hormuud Group, gefolgt von Somali Optical Networks.
Neue Seekabel schieben Investitionen an
Ein Grund für den Ausbau des Glasfaser-Backbones an Land ist die Anlandung neuer Unterseekabel in Somalia. Aktuell ist die Ankunft von G2A aus Oman in Somaliland und Puntland, eine regionale Verbindung der Golfstaaten ans Horn von Afrika unter Umgehung von Dschibuti. Beteiligte auf somalischer Seite sind Telesom und Golis der Hormuud-Gruppe, die auch die Weiterleitung an Land von Bosaso nach Mogadischu verantwortet.
Leitung | Partner (u.a.) | Stationen | Anlandung in Somalia |
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Eastern Africa Submarine System (EASSy) | Somalia: Dalkom | Sudan-Südafrika; Somalia: Mogadischu | November 2013; Inbetriebnahme Februar 2014 |
DARE1 (Djibouti Africa Regional Express) | Djibouti Telecom, Telkom Kenya; Somalia: Somtel | Dschibuti-Bosaso-Berbera-Mogadischu- Mombasa (Kenia) | Bosaso, Mogadischu: 2020; Berbera: Mitte 2022 1) |
G2A (Gulf to Africa) | Omantel; Somalia: Telesom, Golis | Oman-Bosaso, Berbera | Bosaso: März 2022; Berbera: Mai 2022 1) |
PEACE (Pakistan & East Africa Connecting Europe) | Orange, Telecom Egypt; Somalia: Hormuud, Golis, | Frankreich-Singapur; Somalia: Mogadischu, Berbera | Mogadischu, Berbera: Anfang 2023 1) |
2Africa | Facebook, China Mobile, Orange, Vodafone; Somalia: Dalkom (als Teil von WIOCC) | Europa-rund um Afrika-Golfstaaten-Indien; Somalia: Mogadischu, Berbera | Mitte 2023 2) |
Africa-1 | bisher keine somalischen Kunden/Partner | Frankreich-Kenia-Pakistan; Somalia: Berbera | nach 2023 1) |
SEA-ME-WE 6 (South East Asia-Middle East-West Europe | kein somalischer Partner bekannt | eventuell: Berbera | Kabel soll 2025 fertig sein, später u.U. Anbindung von Somalia |
Wichtig für Somalia sind neue, leistungsstarke Kabel ins globale Netzwerk mit starken Konsortialpartnern wie Facebook: PEACE und 2Africa kommen voraussichtlich ab Anfang 2023 in Somalia an. Bis 2013 war Somalia an das internationale Netz über Satellit angebunden. Erst 2014 ging in Mogadischu mit dem EASSy-Kabel die erste Anbindung an das internationale Untersee-Netzwerk in Betrieb.
Unternehmen | Teilnehmer | Gebiet; Anmerkungen |
---|---|---|
1. Hormuud (Gruppe) | 3.550 | |
2.500 | Zentral- und Südsomalia | |
800 | Somaliland | |
250 | Puntland | |
2. Somtel | 900 | Somaliland (250.000) und andere Teilstaaten (650.000) |
3. Nationlink | 200 | Mogadischu; Betrieb momentan eingestellt; arbeitet an Umstellung von 2G auf 4G |
SO!, Amtel, Somlink Wireless, Dalkom u.a. | k.A. | Internetdienste-Anbieter (ISP) vorwiegend in Mogadischu, basierend auf Mobil- oder Festnetzen |
Mehr Zusammenarbeit dürfte Investitionen fördern
Einen Investitionsschub könnte die verstärkte Zusammenarbeit in der Branche bringen, die Ahmed Amin als einen neuen Trend erkennt. So könnten Somalilands Metro-Glasfasernetz neben dem bisherigen Monopolisten Somcable künftig auch andere Firmen wie Somtel und Telesom nutzen. Die Regierung Somalilands habe sich dafür mit 5 Prozent an dem neu dafür gegründeten öffentlich-privaten (PPP) Gemeinschaftsunternehmen beteiligt.
In Somalia haben Anbieter ihre Netzinfrastruktur lange gegen die Konkurrenz abgeschottet. Verstärkt wurde dieser Trend durch die starke Stellung der Regionen. Die Firmen sind teils nur in einer bestimmten Region tätig, so Somcable in Somaliland oder Golis in Puntland. Hinzu kommen strategische Interessen aus den Golfstaaten oder aus dem benachbarten Dschibuti, wo viele internationale Seekabel ankommen.
Die Telekommunikation ist in Somalia eine Erfolgsbranche. Die Preise sind niedrig und die Sprachqualität ist deutlich besser als etwa im benachbarten Äthiopien. Branchenführer Hormuud gilt mit über 20.000 Beschäftigten als größter Arbeitgeber des Landes. Anders als fast überall sonst in Afrika spielen Vodafone, Orange oder andere Multis keine Rolle im Sektor, ausländische Investitionen sind nicht bekannt. Die Branche entwickelte sich nach der Auflösung der staatlichen Ordnung Anfang der 90er Jahre und inmitten von Bürgerkrieg und Clanfehden. Auch das Bankensystem war zusammengebrochen, bei 98 Prozent aller Somalia-Schillinge handelte es sich um Fälschungen. Hier half das entstehende Mobilfunknetz, heute wird Somalia teils als erste bargeldlose Gesellschaft bezeichnet: Nach Angaben von Hormuud 2020 zahlen zwei Drittel aller Somalier ausschließlich per Handy. Die einheimischen Telekomfirmen mischen bis heute typischerweise auch im Finanzsektor mit – oder umgekehrt. So besitzt Hormuud eine Bank und gehört der Branchenzweite Somtel zur Dahabshiil-Gruppe, die sich als größtes Geldtransfersystem Afrikas bezeichnet. Ihre Investitionen in den Aufbau der Telekom-Infrastruktur haben die Firmen auf das Nötigste beschränkt, angesichts fehlender Mittel und Unterstützung aus dem Ausland. Attraktive Technik-Angebote der agilen chinesischen Technikanbieter um Huawei oder ZTE kamen da gerade recht. Das Backbone des Mobilfunksystems bestand lange ausschließlich aus Richtfunk, gesendet von einem Teil der Masten, die gleichzeitig die Basis für das Handynetz bilden. Glasfaser kam erst seit 2014 dazu und beschränkte sich zunächst auf Somaliland. Eine Verbindung zwischen Bosaso im Norden und Mogadischu ist im Bau, hinzu kommen Abzweigungen in einige größere Städte wie Galkayo in Puntland. Ein Großteil Somalias wird aber immer noch erst per Richtfunk oder Satellit versorgt, dazu gehören auch größere Städte wie Baidoa im Süden. |
Die International Telecom Union (ITU) zählte für Somalia 2020 gut 8,8 Millionen Mobilfunkanschlüsse oder 56 pro 100 Einwohner. Das war etwa gleich viel wie in Burundi, Malawi oder Niger und anderen einkommensschwachen Ländern und deutlich weniger als in Kenia (114). Der tatsächliche Wert allerdings könnte noch niedriger sein, die Marktdaten sind widersprüchlich. Nach Unterlagen des Beraters Ahmed Amin betrug die Zahl der Mobilfunkanschlüsse für Somaliland Ende 2019 rund 1,2 Millionen, davon 0,8 Millionen für Telesom und 0,25 Millionen für Somtel. Nun umfasst Somaliland über ein Viertel der Bevölkerung Somalias und hat pro Kopf eine höhere Wirtschaftsleistung als die anderen Regionen. Hochgerechnet ergäben sich für Somalia damit eher 5 Millionen Mobilfunkanschlüsse als die 9 Millionen der ITU. Eine Erklärung: Somalier müssen für einen lückenlosen Service oftmals mehrere SIM-Karten nutzen, in Mogadischu zum Beispiel manchmal drei. Die Telekomfirmen erlauben der Konkurrenz üblicherweise nämlich nicht die Nutzung der eigenen Infrastruktur, und oftmals wird ein Gebiet nur von einer Firma abgedeckt. Größter Carrier ist das Unternehmen Hormuud, das die Zahl seiner Abonennten 2021 in der Presse mit 3,6 Millionen bezifferte und zu dem auch Telesom und Golis gehören. Dass keine genaueren Zahlen bekannt sind, liegt nach Darstellung von Beobachtern auch am System. Die Aufsichtsbehörden sind nach langen Jahren ohne jegliche staatliche Regulierung immer noch schwach. Bezeichnend ist, dass die Zentralbank erst im Februar 2021 Somalias erste Lizenz für mobile Geldtransaktionen vergab – an den Telekom-Primus Hormuud, dessen Bezahldienst EVC zu dieser Zeit bereits um die 3 Millionen Abonnenten hatte. Auch die 2017 gegründete National Communications Authority (NCA) hat nach und nach Lizenzen vergeben für Dienste, die längst angeboten wurden. Von der NCA wiederum war selbst beim Vorstand nicht zu erfahren, welche Firma wie viele Mobilfunk-Abonnenten hat. Die NCA baut die Regierung verstärkt aus. Dies dürfte Kooperationen zwischen Telekomfirmen fördern und inzwischen auch die ganze Branche anschieben. Davor hatte die über lange Zeit faktische Abwesenheit des Staates als ein wichtiger Grund für die dynamische Entwicklung von Somalias Telekomsektor gegolten. |