Die Grundlagen für den Aufbau wie auch für den Instanzenzug des spanischen Gerichtssystems legen das spanische Gerichtsverfassungsgesetz (Ley Orgánica del Poder Judicial) und das spanische Zivilprozessgesetz (Ley de Enjuiciamiento Civil) fest.
Der Gerichtsaufbau der ordentlichen Gerichte, die für den deutschen Dienstleistungsempfänger als relevanteste Gerichte in Spanien anzusehen sind, stellt sich wie folgt dar:
- Friedensgericht (Juzgado de Paz) - je eines in den Gemeinden (municipio) ohne Gericht erster Instanz (Artikel 99 Gerichtsverfassungsgesetz)
- Gerichte erster Instanz (Juzgado de Primera Instancia) - mindestens eines pro Gerichtsbezirk (partido judicial) (Artikel 84 Gerichtsverfassungsgesetz) / Handelsgericht (Juzgado de lo Mercantil) - mindestens eines pro Provinz (provincia) (Artikel 86bis Gerichtsverfassungsgesetz)
- Provinzgerichte (Audiencia Provincial): je eines pro Provinz (Artikel 80 Gerichtsverfassungsgesetz)
- Obergerichte (Tribunal Superior de Justicia): je eines pro Autonome Gemeinschaft (Comunidad Autónoma) (Artikel 71 Gerichtsverfassungsgesetz)
- Oberster Gerichtshof (Tribunal Supremo) (Artikel 53 Gerichtsverfassungsgesetz).
Die Regeln über die sachliche Zuständigkeit sind in Spanien im Gerichtsverfassungsgesetz und im Zivilprozessgesetz enthalten:
Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Spaniern und Deutschen in Spanien ist grundsätzlich das Gericht erster Instanz (Juzgado de Primera Instancia) sachlich zuständig, es sei denn die Zuständigkeit ist per Gesetz ausdrücklich einem anderen Gericht zugeschrieben (Artikel 85 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz und Artikel 45 Zivilprozessgesetz).
So steht für Klagen um Streitwerte bis zu 90 Euro der Weg zum Friedensgericht (Juzgado de Paz) offen (Artikel 47 Zivilprozessgesetz).
Zudem besteht eine Sonderzuständigkeit der spanischen Handelsgerichte (Juzgados de lo Mercantil). Betroffen sind beispielsweise die Bereiche geistiges und gewerbliches Eigentum, unlauterer Wettbewerb, das Recht der Handelsgesellschaften und Fragen des Transportrechts (Artikel 86bis Absatz 1 Gerichtsverfassungsgesetz). Ein weiterer, wichtiger Kompetenzbereich sind alle Verfahren, die im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren stehen (Artikel 86ter Gerichtsverfassungsgesetz). Auch ist es für die Vollstreckung der Entscheidungen aus seinem Zuständigkeitsbereich verantwortlich (Artikel 86quater Gerichtsverfassungsgesetz). Die Handelsgerichte in Alicante sind auch im Zusammenhang mit den europäischen Bestimmungen über die Gemeinschaftsmarke (vergleiche Verordnung (EG) Nr. 40/94, abgelöst durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009) und über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (vgl. Verordnung (EG) Nr. 6/2002) zuständig (Artikel 86bis Absatz 4 Gerichtsverfassungsgesetz) und heißen dann Gemeinschaftsmarkengerichte (Juzgados de Marca Comutaria).
Die örtliche Zuständigkeit der spanischen Gerichte ist hauptsächlich im Zivilprozessgesetz geregelt:
So richtet sich auch in Spanien der allgemeine Gerichtsstand grundsätzlich nach dem Beklagtenwohnsitz (Artikel 50 Absatz 1 Zivilprozessgesetz). Klagen gegen spanische Unternehmer und Freiberufler können regelmäßig auch beim Gericht am Ort der Tätigkeitsausübung eingereicht werden (Artikel 50 Absatz 3 Zivilprozessgesetz). Zivilverfahren gegen juristische Personen sind grundsätzlich am Gericht des Ortes des Geschäftssitzes anzustrengen. Darüber hinaus können sie auch am Gericht des Ortes des Ursprungs des jeweiligen Rechtsverhältnisses geführt werden, wenn sich dort die Niederlassung dieser juristischen Person befindet (Artikel 51 Absatz 1 Zivilprozessgesetz).
Zu diesen Grundsätzen gibt es allerdings zahlreiche Ausnahmen. Zum Teil kann der Kläger zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Gerichtsstand wählen, so zum Beispiel:
- Im Zusammenhang mit Verletzungen des geistigen Eigentums (demandas sobre infracciones de la propriedad intelectual) ist der Ort, an dem die Verletzung begangen wurde, an dem es Hinweise für eine Urheberrechtsverletzung gibt oder an dem sich illegale Exemplare finden, entscheidend (Artikel 52 Absatz 1 Nr. 11 Zivilprozessgesetz).
- Im Zusammenhang mit unlauterem Wettbewerb (en materia de competencia desleal) ist der Sitz des Beklagten, mangels dessen Wohnsitz und sofern sich dieser nicht in Spanien befindet, der Ort der unlauteren Wettbewerbshandlung oder der Ort, wo diese ihre Folgen entfaltet, relevant (Artikel 52 Absatz 1 Nr. 12 Zivilprozessgesetz).
In vielen Fällen hat der Kläger jedoch kein Wahlrecht im Hinblick auf den Gerichtsstand, so zum Beispiel:
- Im Zusammenhang mit dinglichen Rechten an Immobilien (acciones reales sobre muebles inmuebles) ist grundsätzlich der Belegenheitsort, also die Lage der Immobilien, ausschlaggebend (Artikel 52 Absatz 1 Nr. 1 Zivilprozessgesetz).
- Für Gewährleistungsklagen (demandas sobre obligaciones de garantía) ist das Gericht zuständig, das über die Hauptverbindlichkeit entscheidet oder zu entscheiden hätte (Artikel 52 Absatz 1 Nr. 3 Zivilprozessgesetz).
- Im Zusammenhang mit Patent- und Markensachen (en materia de patentes y marcas) ist das Gericht zuständig, was durch die Spezialgesetze benannt wird (Artikel 52 Absatz 1 Nr. 13 Zivilprozessgesetz). So richtet sich die Zuständigkeit für Streitigkeiten in spanischen Patentsachen nach Artikel 118 des Patentgesetzes (Ley de Patentes). Im Zusammenhang mit den europäische Bestimmungen über die Gemeinschaftsmarke und das Gemeinschaftsgeschmacksmuster sind ausschließlich die Gemeinschaftsmarkengerichte in Alicante zuständig (Artikel 86Quinquies Gerichtsverfassungsgesetz).
- Für Drittwiderspruchsklagen (tercerías de dominio o de mejor derecho) ist das Gericht zuständig, das die Pfändung verfügte (Artikel 52 Absatz 1 Nr. 15 Zivilprozessgesetz).
Die Internetseite der spanischen Justizverwaltung (Administración de Justicia) bietet eine Vielzahl weiterer Informationen über das spanische Justizwesen.