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Branchen | Tschechische Republik | Wasserstoff

Tschechien setzt bei Wasserstoff auf Importe

Tschechien ist bei der Nutzung von Wasserstoff in Verzug. Im Verkehr und in der Energiewirtschaft kommt das Gas kaum zum Einsatz. Die Regierung ändert daher ihre Strategie.

Von Gerit Schulze | Prag

Ganze 26 Pkw mit Brennstoffzelle sind derzeit laut Zulassungsstatistik in Tschechien unterwegs. Das Ziel von 200 Fahrzeugen bis 2025 dürfte damit kaum zu erreichen sein. Immerhin gibt es bereits sechs Wasserstofftankstellen im Großraum Prag, im nordböhmischen Litvínov und in Ostrava. Bis 2030 sollen es 40 sein.

Wasserstoff (H2) wäre schon jetzt genug vorhanden. Tschechiens Petrochemie produziert rund 120.000 Tonnen H2 pro Jahr - überwiegend durch partielle Oxidation von Erdölrückständen und damit nicht CO2-frei. Das Gas wird als Rohstoff und Zwischenprodukt für die Herstellung von Ammoniak, Anilin und bei der Raffination verwendet. Die größten Verbraucher sind die Chemiekonzerne Orlen Unipetrol, BorsodChem, Synthos Kralupy, Spolchemie und DEZA.

Kilogramm kostet bis zu 20 Euro

Außerhalb der Chemieindustrie spielt Wasserstoff noch keine Rolle in Tschechien. Das liegt auch an den hohen Preisen, die an den wenigen Tankstellen bis zu 20 Euro je Kilogramm erreichen können.

Erst wenn sich der Preis bei 2 Euro einpendelt, wäre der Energieträger konkurrenzfähig, schreiben die Autoren der aktualisierten Wasserstoffstrategie der Tschechischen Republik. Das Dokument wurde im Juli 2024 vom Ministerium für Industrie und Handel (MPO) veröffentlicht. Die Neufassung reagiert auf aktuelle technische Entwicklungen und auf ambitioniertere Ziele der Europäischen Union.

Wo will Tschechien künftig Wasserstoff einsetzen?
Als Ersatz für fossile Treibstoffe im Verkehr und als Alternative zu batteriebetriebenen Elektroautos
Als Transportmedium für Energie
Als chemischer Grundstoff (zur Herstellung von Kraftstoffen, Kunststoffen, Ammoniak oder als Reduktionsmittel)
Zur Energiespeicherung für überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen oder aus der Kernkraft
Quelle: Wasserstoffstrategie der Tschechischen Republik, Aktualisierung, 2024

Tschechien plant die breite Markteinführung von Wasserstoff in drei Etappen, in denen der Erzeugerpreis für den Energieträger schrittweise sinkt:

1. Etappe: Lokale Wasserstoff-Inseln (Produktionspreis 8 Euro/Kilogramm)

Die Wasserstoffwirtschaft soll zunächst in ehemaligen Kohleregionen entstehen, die im Strukturwandel stecken: Karlovy Vary, Ústí nad Labem und Mährisch-Schlesien.

Bis 2030 sieht die Wasserstoffstrategie keine massiven Importe von H2 vor. Grüner Wasserstoff (RFNBO) soll bis dahin überwiegend aus Elektrolyseuren im Inland stammen, die mit Solar-, Wind- oder Wasserkraft betrieben werden. Auch überschüssiger Strom aus Atomkraftwerken ist dafür vorgesehen. Mit dem so erzeugten Wasserstoff (etwa 20.000 Tonnen pro Jahr) könnten der Verkehrssektor und die Industrie versorgt werden, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Parallel soll das Gaspipelinesystem so umgerüstet werden, dass Tschechien grünen Wasserstoff importieren kann. 

Benötigte Investitionen für die erste Phase In Millionen Euro *)
Bau von Wind-, Solar- und Wasserkraftanlagen

2.275

Aufbau von Elektrolyseuren

1.078

Anschaffung von Wasserstofffahrzeugen und Aufbau der entsprechenden Infrastruktur 

878

Umnutzung der Gastransport- und Verteilerleitungen

208

Infrastruktur zur Speicherung von Wasserstoff

80

Produktion von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels)

40

*) Umgerechnet zum EZB-Wechselkurs am 28. August 2024: 1 Euro = 25,053 KčQuelle: Studie "Bereitschaft der Tschechischen Republik für die Wasserstoffwirtschaft", PwC u.a. 2024

Um das Ziel von 20.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr zu erreichen, wäre eine zusätzliche Kraftwerksleistung aus erneuerbaren Energiequellen von 400 Megawatt nötig. Das entspricht etwa 80 Windrädern.

2. Etappe: Globale Wasserstoffbrücken

Tschechiens Voraussetzungen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen sind überschaubar. In anderen EU-Ländern wird die Produktion von grünem Wasserstoff billiger sein. Daher soll der Energieträger perspektivisch importiert und dafür ein leistungsfähiges Transportnetz entstehen.

Die Regierung rechnet mit vier potenziellen Importrouten:

  • Ost (Ukraine)
  • Süd-Ost (Balkan und Türkei)
  • Süden (Nordafrika) und
  • Norden (Ostsee und Skandinavien).

Zusätzlich könnte Tschechien Wasserstoff aus Übersee beziehen.

Erdgasleitungen sollen umgerüstet werden

Tschechien will dabei sein bestehendes Erdgaspipelinenetz so umrüsten, dass es als wichtiges Transitland für Wasserstoff zusätzliche Einnahmen erzielt. Das Industrieministerium rechnet mit einem Preis für importierten Wasserstoff von 3 Euro je Kilogramm im Jahr 2030 und 2 Euro im Jahr 2050.

3. Etappe: Entwicklung neuer Technologien (ab 2040)

In dieser Phase will Tschechien eigene Innovationen zur Wasserstofferzeugung entwickeln, um preislich mit importiertem grünen H2 konkurrieren zu können. Auch bei Brennstoffzellen sollen eigene Akzente gesetzt werden.

Auch wenn die aktuelle Wasserstoffstrategie langfristig angelegt ist, gibt es in Tschechien schon heute viele Projekte zur Produktion des sauberen Energieträgers und zur Nutzung. Vor allem der Verkehrssektor steht dabei im Fokus.

Geplante Anzahl an Fahrzeugen mit WasserstoffantriebZielvorgaben der tschechischen Regierung
Fahrzeugtyp

2025

2030

2035

Pkw

200

3.000

8.000

Leichte Nutzfahrzeuge (N1)

50

800

3.500

Schwere Lastwagen (N2, N3)

10

380

1.500

Busse

10

200

350

Quelle: Aktualisierung des Nationalen Aktionsplans Saubere Mobilität, August 2024

Tatra baut bereits Lastwagen mit Brennstoffzelle

Der tschechische Lastwagenhersteller Tatra hat bereits einen funktionsfähigen Prototypen mit Brennstoffzelle entwickelt. Das Lkw-Modell Force e-Drive wurde im Oktober 2023 in Ostrava vorgestellt und soll im Bergbau zum Einsatz kommen. Die Reichweite beträgt 400 Kilometer.

Bei der Entwicklung kooperiert Tatra mit der Prager Hochschule für Chemietechnologien VŠCHT und mit dem Forschungs- und Ingenieurbüro ÚJV Řež. Dieses hatte schon vor fast zehn Jahren am ersten tschechischen Wasserstoffbus TriHyBus mitgearbeitet, woran auch Linde beteiligt war. Inzwischen hat Bushersteller Škoda Electric aus Plzeň diesen Brennstoffzellenbus weiterentwickelt und vermarktet ihn als Škoda H'City. 

Der Bus fährt seit 2023 im regulären Linienverkehr mit Fahrgästen in Prag. Dank der Tanks für 39 Kilogramm Wasserstoff auf dem Dach schafft das Fahrzeug eine Reichweite von 350 Kilometern.

Prag stellt Nahverkehr auf Wasserstoffbusse um

Im August 2024 kündigte die Hauptstadt Prag an, die städtischen Verkehrsbetriebe noch stärker auf Wasserstoffbusse umzustellen. Dank eines Zuschusses der European City Facility (EUCF) werden nun eine Wirtschaftlichkeitsanalyse und technische Machbarkeitsstudie erstellt. Geplant ist eine Solaranlage zur klimaneutralen H2-Produktion im Elektrolyseur. Partner ist der kommunale Gasversorger Pražská plynárenská.

Auch Tschechiens Eisenbahn will auf Wasserstoffantrieb umstellen, besonders auf bislang nicht elektrifizierten Strecken (rund 6.000 Kilometer). Im Rahmen des Projekts RegioHyt wurde im Frühjahr 2024 eine Machbarkeitsstudie für acht Regionalverbindungen vorgestellt, darunter Pardubice-Liberec-Ústí nad Labem. Die Untersuchung zeigte, dass der Betrieb von Wasserstoffzügen deutlich günstiger wäre, als diese Trassen zu elektrifizieren. Auch gegenüber dem Einsatz von Dieselloks ergäben sich Kostenvorteile. 

Deutsch-tschechische Kooperationen

Deutschland ist für Tschechien wichtigster Partner bei der Wasserstoffwirtschaft. Ziel der Initiative Czech German Hydrogen Interconnector (CGHI) ist es, Wasserstoffversorger in Norddeutschland und im Baltikum mit Nachfrageclustern in Süddeutschland und Nordböhmen zu verbinden. 

Im Juni 2024 wurde das Projekt Hydrogen Bavaria-Bohemia (HyBaBo) gegründet, um bayerische und tschechische Firmen und Forschungseinrichtungen zu vernetzen. 

Sachsen und Tschechien haben Anfang 2024 vereinbart, die grenzüberschreitenden Erdgasleitungen auf Wasserstoff umzustellen und bei der Forschung zu kooperieren.

Geplante Projekte zur Wasserstoffproduktion in TschechienAuswahl

Betreiber, Investor / geplanter Standort

Maximale tägliche Wasserstoffproduktionskapazität (in kg)

Anmerkung

Stand

Sev.en Energy / Most

8.000

Projekt Green Mine: Umnutzung eines ehemaligen Steinbruchs; Stromproduktion durch schwimmendes Fotovoltaikkraftwerk mit Leistung von 17,5 MW

Investitionsvorhaben, Produktionsstart frühestens 2026

Orlen Unipetrol RPA / Litvínov

6.850

Elektrolyseur mit 30 MW Leistung, angeschlossen an Solarkraftwerk mit 60 Megawatt Peak (MWp) Leistung, weitere 30 MWp durch Windkraftwerk

In Vorbereitung, Betrieb ab 2025 geplant

ČEZ, Net4Gas, Siemens Energy / Počerady

1.920

Projekt H2HUB: H2-Produktion auf dem Areal des Heizkraftwerks, Elektrolyseur mit 4 MW Leistung

Investitionsvorhaben, Machbarkeitsstudie steht noch aus

FOR H2ENERGY / Žatec

1.400

Produktion im Gewerbegebiet Triangle; Elektrolyseur mit 4 MW Leistung auf Basis von Fotovoltaik; Produktion, Forschungszentrum und Abfüllanlage; wird an öffentliches Gasnetz angeschlossen

Investitionsvorhaben, Betrieb ab 2026 geplant

Tatra / Kopřivnice

1.000

Wasserstoffproduktion auf dem Gelände des Lkw-Herstellers

Investitionsvorhaben

Veolia Energie ČR / Krnov

400

Stromproduktion aus Biomasse und Fotovoltaik auf dem Gelände eines Heizkraftwerks; Elektrolyseur mit 3 MW Leistung; H2 für Eisenbahnverkehr

Machbarkeitsstudie in Vorbereitung

Veolia Energie ČR / Frýdek-Místek

400

Stromproduktion aus Biomasse und Fotovoltaik, später Wind; Elektrolyseur mit 2 MW Leistung; produzierter H2 für Fahrzeuge und Metallurgie

In Vorbereitung, Betrieb ab 2026 geplant

E.ON / Mydlovary

220

Projekt "Innovationshub Mydlovary", Elektrolyseur mit Leistung von 1 bis 2 MW, Speichertank für 200 Kubikmeter

In Umsetzung, Betrieb ab Ende 2024 geplant

Sev.en Energy / Litvínov

200

Elektrolyseur mit 1 MW Leistung, angeschlossen an Solarkraftwerk (teilweise schwimmend); Zusammenarbeit mit der Universität ÚJEP in Ústí nad Labem

Investitionsvorhaben

Zásilkovna / Prag-Satalice

200

H2-Produktion und Tankstelle für Logistikfirma Zásilkovna und für die Öffentlichkeit

Investitionsvorhaben

Quelle: Centrum dopravního výzkumu (Wasserstoffkarte der Tschechischen Republik) 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

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