Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik, Slowakei | Konjunktur
Stimmung unter Investoren trübt sich ein
Die deutschen Unternehmen in Tschechien und in der Slowakei blicken pessimistischer als üblich in die Zukunft. Hohe Kosten und geringe Nachfrage belasten das Geschäft.
30.04.2024
Von Gerit Schulze | Prag
Jahrzehntelang war das verarbeitende Gewerbe das Zugpferd der Volkswirtschaften in Tschechien und der Slowakei. Nun sorgen Fachkräftemangel, hohe Energiekosten und weniger Neuaufträge für Katerstimmung in der Industrie. Das zeigen die neuesten Konjunkturumfragen der Auslandshandelskammern (AHK) in Prag und Bratislava.
In der Slowakei prognostizieren 50 Prozent der befragten Unternehmen für 2024 eine schlechtere Wirtschaftsentwicklung als im Vorjahr. Nur 12 Prozent gehen von einer Besserung aus. In Tschechien sind die Betriebe etwas optimistischer: Hier erwarten 34 Prozent einen Abwärtstrend und immerhin 30 Prozent ein besseres Abschneiden. Das liegt allerdings daran, dass Tschechien 2023 in die Rezession rutschte, während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Slowakei um 1,1 Prozent zulegte. In beiden Ländern sind die Aussichten im verarbeitenden Gewerbe negativer als im Dienstleistungs- und Handelssektor.
Traditionell bewerten die Unternehmen ihr eigenes Geschäft besser als die Gesamtkonjunktur. Doch in der Slowakei sind derzeit nur 31 Prozent der Firmenlenker optimistisch; 35 Prozent erwarten eine schlechtere Entwicklung als im Vorjahr. Auch hier schneidet Tschechien besser ab: 38 Prozent der deutschen Unternehmen glauben an ein besseres Geschäftsjahr als 2023, nur 17 Prozent prognostizieren schlechtere Ergebnisse.
Dennoch sieht Bernard Bauer "Tschechien an einem Scheidepunkt", wie der geschäftsführende Vorstand der AHK Tschechien bei der Präsentation der Umfrageergebnisse sagte. "Der Druck von innen und außen steigt. Bei hohen Kosten müssen die Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwerfen."
Unternehmen investieren weniger
Dafür wären mehr Investitionen nötig, die aber nicht absehbar sind. In Tschechien planen 2024 nur 29 Prozent der befragten Unternehmen steigende Kapitalausgaben. Jeder fünfte Betrieb will seine Investitionen dagegen senken. In der Slowakei schränkt sogar jede dritte Firma ihre Ausgaben ein.
"Das ist ein negatives Signal", sagte Markus Halt, kommissarischer Geschäftsführer der AHK Slowakei, bei einer Pressekonferenz in Bratislava. "Die slowakische Wirtschaft steht in einem starken internationalen Konkurrenzverhältnis. Wenn jetzt weniger investiert wird, steigert das nicht die Wettbewerbsfähigkeit."
Hohe Löhne zwingen zu Entlassungen
Doch die Zurückhaltung der Unternehmen hat handfeste Gründe. Dazu gehören die gestiegenen Ausgaben für Personal und Energie. In der Slowakei rechnen die ausländischen Unternehmen in diesem Jahr mit einem Zuwachs von durchschnittlich 7,8 Prozent bei den Lohnkosten. "Dazu tragen die hohe Inflation der Vorjahre und der Fachkräftemangel bei", erläutert AHK-Experte Halt. "Doch die wirtschaftliche Lage erlaubt solche hohen Steigerungen gar nicht mehr."
In Tschechien erwarten zwei Drittel der Firmen 2024 Lohnsteigerungen zwischen 3 und 8 Prozent. Jeder vierte Arbeitgeber geht sogar von mehr als 8 Prozent aus. Als Folge planen immer mehr deutsche Unternehmen Entlassungen. In Tschechien wollen 2024 rund 23 Prozent der Befragten Personal streichen, in der Slowakei 28 Prozent.
Zugleich verschärft sich jedoch der Fachkräftemangel, der in der Slowakei für 58 Prozent der befragten Unternehmen das größte Geschäftsrisiko darstellt, in Tschechien für 48 Prozent. Firmenvertreter zeigen sich besorgt: "Tschechien hat kaum Rohstoffe und braucht deshalb qualifizierte Fachkräfte, um konkurrenzfähig zu bleiben", warnt Milan Šlachta, Repräsentant der Bosch Group in Prag und zugleich Präsident der AHK Tschechien. Martin Kořínek, Geschäftsführer des Kfz-Zulieferers Grammer in Tschechien, kritisierte auf der Pressekonferenz der AHK, dass das staatliche Ausbildungssystem nicht genügend geschultes Personal für seine Branche bereitstelle. "Wir müssen deshalb selbst in die Ausbildung investieren, vor allem um die digitalen Fähigkeiten zu verbessern."
Neben dem Fachkräftemangel und höheren Lohnkosten ist die geringe Nachfrage zurzeit das größte Risiko für die Geschäftsentwicklung. In der Slowakei rechnen nur noch 36 Prozent der Unternehmen mit wachsenden Umsätzen. Genauso viele erwarten einen Erlösrückgang. Das sei der schlechteste Wert seit der Weltfinanzkrise 2009, betont die AHK in Bratislava. In Tschechien erwarten immerhin 46 Prozent der Umfrageteilnehmer steigende Umsätze.
Kritik an Politik und Verwaltung
Verschlechtert hat sich in beiden Ländern die Wahrnehmung von Politik und Verwaltung. Themen wie Korruption, Bürokratie und Rechtssicherheit werden von den Unternehmen deutlich negativer wahrgenommen als in den Vorjahren. In der Slowakei kommt die Unsicherheit über den wirtschaftspolitischen Kurs der neuen Regierung hinzu. "Ein wichtiges Thema für die Unternehmen ist außerdem der Zugang zu EU-Fördermitteln, der aus ihrer Sicht nicht besonders gut läuft", so Markus Halt von der AHK.
Tschechien | Slowakei |
---|---|
Verfügbarkeit von Fachkräften (3,9) | Kriminalität und Korruption (4,2) |
Transparenz der öffentlichen Vergabe (3,4) | Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik (4,0) |
Effizienz der öffentlichen Verwaltung (3,4) | Rechtssicherheit (3,9) |
Lob für Zuliefernetz und Energieversorgung
Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer. Investoren in beiden Ländern loben die gute digitale Infrastruktur und das zuverlässige Netz an Zulieferern. Das größte Plus ist die Mitgliedschaft in der EU, die für vertraute und eingespielte Regelungen sorgt. Positiv erwähnen die deutschen Unternehmen auch die stabile Energieversorgung.
Tschechien | Slowakei |
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EU-Mitgliedschaft (2,1) | EU-Mitgliedschaft (1,6) |
Telekommunikationsinfrastruktur (2,3) | Telekommunikationsinfrastruktur (2,2) |
Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer (2,5) | Energieversorgung (2,5) |
Die meisten Unternehmen bekennen sich daher weiter zu ihrem Standort. In der Slowakei würden 75 Prozent der befragten deutschen Firmen wieder investieren. Jeder vierte Investor würde sich heute allerdings ein anderes Zielland aussuchen, wobei Tschechien und Polen ganz oben auf der Wunschliste stehen. In Tschechien sind die Investoren treuer. Dort würden 83 Prozent der Unternehmen erneut investieren. Auch das ist aber ein historisch niedriger Wert. Mögliche Alternativstandorte sind Polen, Bulgarien, Bosnien-Herzegowina und die Schweiz.
Feedback von über 240 Unternehmen
Die Konjunkturumfragen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) finden jedes Frühjahr in 16 Ländern Mittelosteuropas statt.
In Tschechien nahmen an der Konjunkturumfrage 2024 rund 140 Mitgliedsfirmen und andere deutsche Unternehmen teil. Sektorale Verteilung: 39 Prozent verarbeitendes Gewerbe, 42 Prozent Dienstleistungssektor, 11 Prozent Handel, 6 Prozent Bauwirtschaft, 2 Prozent Energie, Wasser und Entsorgung
In der Slowakei führte die AHK ihre Konjunkturumfrage 2024 zusammen mit Handelskammern aus fünf anderen europäischen Ländern durch. Es nahmen 101 Unternehmen teil. Sektorale Verteilung: 44 Prozent verarbeitendes Gewerbe, 40 Prozent Dienstleistungssektor, 17 Prozent Handel