Branche kompakt | Türkei | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Die Fertigung in der Türkei ist mit vielen kleinen und mittleren Unternehmen breit aufgestellt. Dominiert wird die Produktion jedoch von großen, multinationalen Konzernen.
18.04.2024
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
In der türkischen Chemieindustrie sind etwa 20.000 kleine und mittlere Unternehmen tätig. Die Beschäftigung ist mit rund 300.000 Personen aufgrund der hohen Kapitalintensität relativ gering. Unter den zumeist multinationalen Unternehmen befinden sich deutsche Großunternehmen wie Bayer, BASF und Henkel.
In der Türkei werden vor allem petrochemische Erzeugnisse, Seifen, Waschmittel, Düngemittel, Pestizide, Farben und Lacke, synthetische Fasern sowie verschiedene chemische Rohmaterialien und Verbraucherprodukte hergestellt. Viele Unternehmen sind stark exportorientiert. Die umsatzstärksten Unternehmen sind in Istanbul und Izmir angesiedelt.
Die Chemieindustrie ist auf Einfuhren angewiesen. Gerade einmal 30 Prozent der Vorerzeugnisse werden aus dem Inland bezogen. Auch bei Technologien ist die Türkei in hohem Umfang auf Importe angewiesen. Die beiden bedeutendsten Lieferländer chemischer Erzeugnisse gemessen am Wert der Importe waren 2023 China und Deutschland. Danach folgten mit Abstand Südkorea, die USA, Saudi-Arabien und Frankreich.
Die chemische Industrie benötigt große Mengen an Erdgas, als Energieträger und Rohstoff zur stofflichen Nutzung. Die Importabhängigkeit der Türkei bei Erdgas und anderen Energieträgern ist groß. Der größte Lieferant von Erdgas ist Russland. Die Türkei beteiligt sich nicht an den Sanktionen gegen Russland.
Im Dezember 2022 gab die türkische Regierung die Entdeckung eines großen, neuen Erdgasvorkommens im Sakarya-Gasfeld im Schwarzen Meer bekannt. Dieses könnte die Importabhängigkeit reduzieren und die lokale Chemieproduktion fördern.
Düngemittelhersteller sind auf Zulieferungen aus dem Ausland angewiesen
Die Türkei importiert Düngemittel und fertigt auch im eigenen Land. In der Düngemittelbranche fertigen über 1.000 vom Industrieministerium lizenzierte Firmen, die zusammen rund 15.000 verschiedene Produkte anbieten. Schätzungsweise die Hälfte der eingesetzten Düngemittel werden auf Stickstoffbasis produziert. Rund 95 Prozent der Rohmaterialien für die Fertigung der Düngemittel werden importiert. Dies führt bei einer schwachen Lira zu starken Kostensteigerungen. Nach Angaben des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft importiert die Türkei Stickstoff aus der Volksrepublik China, Ägypten, Russland und dem Iran, Phosphor aus Nordafrika und Kalium aus der EU.
Etwa 300 lokale Unternehmen exportieren chemischen Dünger in 60 Länder. Die staatliche Düngemittelunterstützung für 2024 wurde erhöht, dies wurde am 24. Februar 2024 im Amtsblatt mit Beschluss Nr. 62469 verkündet. Branchenberichten zufolge kann die Förderung die Kostensteigerungen dennoch nur teilweise abfangen.
Großes Markenangebot ausländischer Farben und Lacke
Die Produktionsmenge in der Farbenindustrie schätzt der Fachverband BOSAD letzten Angaben zufolge für 2018 auf 874.000 Tonnen. Etwa 60 Prozent der produzierten Farben sind für die Bauwirtschaft bestimmt und 40 Prozent für die Industrie. In der Bauwirtschaft werden etwa 80 Prozent der Farben bei Renovierungen verwendet.
Zahlreiche ausländische Marken sind in der Türkei vertreten. Mehr als die Hälfte der Rohmaterialien kommt aus dem Ausland, was ebenfalls zu höheren Produktionskosten führen kann. Diese Preissteigerungen dämpfen die Inlandsnachfrage. Lokal hergestellte Farben werden bislang vor allem in Entwicklungsländer exportiert. Die Investitionen der großen Farbenhersteller konzentrieren sich auf die Verbesserung der Produktqualität und die Erhöhung der Produktvielfalt. Damit könnten sich die Absatzmöglichkeiten in den Industrieländern erhöhen.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2022 (in Mio. US$)*) |
---|---|---|
Petkim | Petrochemie | 2.946 |
Aksa Akrilik | Acrylfaser | 1.119 |
BASF Türkiye | Industrie und Bauchemikalien | 979 |
Altin Ates Kimya | Agrarchemikalien, Düngemittel | 703 |
Betek Boya | Farben und Lacke | 463 |
Akdeniz Chemson | Industriechemikalien | 436 |
Indorama Ventures | PET | 404 |
Akkim Kimya | Industriechemikalien | 356 |
Koruma Klor Alkali | Industriechemikalien | 325 |
Likit Kimya | Industriechemikalien | 319 |
Viele Hersteller von Kunststoffen
In der Kunststoffindustrie fertigen laut Fachverband PAGDER rund 11.000 Betriebe: Sie beschäftigen etwa 250.000 Personen. Von der Kunststoffproduktion sind etwa 40 Prozent für die Verpackungsindustrie bestimmt. Mehr als 20 Prozent werden an die Bauindustrie geliefert. Weitere nennenswerte Abnehmer sind die Elektro- und die Kfz-Industrie. Die Produktion von Faserverbundwerkstoffen für Infrastruktur- und Industrieprojekte gewinnt an Bedeutung. Etwa 90 Prozent des Inputs für die Kunststoffherstellung werden von der internationalen Petrochemie zugeliefert. Die Kunststoff- und Gummiindustrie hängt mit über 90 Prozent stark von Importen ab.
Petkim, gegründet 1965, ist der erste lokale Hersteller petrochemischer Grundstoffe. Das integrierte Petrochemiewerk in Aliağa (İzmir) ist das einzige der Türkei. Das Unternehmen fertigt knapp 60 Grundstoffe und liefert Naphtha. Petkim wird von Tüpras sowie durch Importe beliefert. Tüpras ist der einzige Verarbeiter von Rohöl im Land. Deshalb sind hohe Investitionen in den Ausbau der petrochemischen Industrie geplant. Die Regierung fördert lokale Projekte, die den Import substituieren, mit steuerlichen und anderen Vergünstigungen.
Produktbezeichnung (SITC Rev.4) | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 |
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Anorganische chemische Elemente, Oxide und Halogensalze (522) | 2.481,4 | 1.629.9 | -34,3 |
Deutschland | 99,3 | 88,9 | -10,5 |
Metallsalze und -peroxosalze der anorganischen Säuren (523) | 534,2 | 516,8 | -3,3 |
Deutschland | 75,7 | 72,5 | -4,2 |
Andere anorganische chemische Erzeugnisse (524) | 136,6 | 90,2 | -34,0 |
Deutschland | 12,9 | 7,2 | -44,2 |
Radioaktive Stoffe und dergleichen (524) | 36,5 | 51,6 | 41,4 |
Deutschland | 1,3 | 2,4 | 84,6 |