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Zoll | Türkei | CO2-Grenzausgleich

Türkische Industrie bereitet sich auf CBAM vor

Die EU ist der wichtigste Absatzmarkt der türkischen Exporteure. Viele fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Der Informationsbedarf zum CBAM ist hoch.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Die Türkei zählt zu den Ländern, die wegen ihrer engen Handelsverflechtungen mit der EU weltweit mit am stärksten von der CO2-Grenzabgabe (CBAM) betroffen sein werden. Über 40 Prozent der türkischen Gesamtexporte gehen in die EU. Darunter befinden sich auch viele energieintensive Waren, bei deren Herstellung hohe CO2-Emissionen anfallen wie Aluminium, Eisen und Stahl, die unter die Bepreisung von CO2-Emissionen fallen. Diese Industrien bereiten sich deshalb bereits auf CBAM vor. Sie dürften auch mit die ersten sein, die versuchen werden, ihre Kohlenstoffemissionen zu reduzieren und eine grüne Transformation anzustreben.

Türkei will nationales ETS einführen

Bislang fehlen Vorschriften zur Emissionsminderung für Industriezweige in der Türkei. Die Einführung eines türkischen Emissionshandelssystems (ETS) ist jedoch schon länger in der Vorbereitung und der Start der Pilotphase wird für das Jahr 2025 erwartet. Das türkische ETS soll sich am EU-Emissionshandelssystem orientieren und auf CBAM abgestimmt sein.

Industrievertreter wie Adil Pelister, Vorstandsvorsitzender der Istanbul Chemicals and Products Exporters' Association (İKMİB), betonte zuletzt gegenüber der Presse wiederholt die Wichtigkeit der Einführung eines türkischen ETS, insbesondere vor dem Hintergrund der ab 2026 anstehenden Bepreisung der Emissionen von Importen in die EU. Die Chemieindustrie gehört mit Ausnahme von Düngemitteln nicht zu den in der ersten Phase direkt von CBAM betroffenen Industrien. Ob und wann die EU chemische Erzeugnisse in den Anwendungsbereich aufnehmen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Die EU-Kommission hat den Auftrag, bis Ende 2025 eine Bewertung vorzulegen.

Pilotphase steht kurz bevor

Die Türkei hat im Jahr 2015 ein Meldesystem zur Erfassung und Bewertung der Treibhausgasemissionen des Landes eingeführt, das als Grundlage für das türkische ETS dienen soll. Etwa 800 Produktionsanlagen werden derzeit überwacht. Ein Klimaschutzgesetz, das auch das gesetzliche Rahmenwerk für ein nationales ETS schaffen soll, könnte Berichten zufolge noch 2024 dem Parlament zur Ratifizierung vorgelegt werden. Danach könnte die Pilotphase des türkischen ETS 2025 starten. Sie soll über zwei Jahre laufen.

Regierung stellt Klimaschutzstrategie vor

Im März 2024 veröffentlichte das türkische Ministerium für Umwelt, Urbanisierung und Klimaschutz die Klimaschutzstrategie der Regierung für 2024 bis 2030 (CCMSAP). Ein wesentlicher Teil der Strategie ist die Bepreisung von Treibhausgasemissionen und die Implementierung des ETS.

Die Türkei legte 2023 dem UN-Klimasekretariat ein Update ihrer 2015 übermittelten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDC) vor. Darin hat die Türkei das Ziel formuliert, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um bis zu 41 Prozent unter das Business-As-Usual-Szenario (BAU-Szenario) zu senken. Bis 2053 soll das Netto-Null-Ziel erreicht werden. Verantwortlich für die Umsetzung der Klimaschutzziele ist das 2021 gegründete Directorate of Climate Change.

CBAM steht für "Carbon Border Adjustment Mechanism," auf Deutsch "CO2-Grenzausgleichsmechanismus" und auf Türkisch "Sınırda Karbon Düzenleme Mekanizması" kurz SKDM.

Die türkische Industrie fürchtet um ihre Wettbewerbsfähigkeit

Die Industrie ist in der Türkei nach der Stromerzeugung die zweitgrößte Quelle von Treibhausgasemissionen. Von der Einführung des CBAM dürften vor allem die Produzenten von Aluminium, Eisen und Stahl, Zement und Düngemitteln betroffen sein. Die türkische Industrie ist um ihre Wettbewerbsfähigkeit in der EU besorgt. Industrieverbände, Ministerien, aber auch Forschende und Wirtschaftsberatungen bieten 2024 vermehrt Informationen und Schulungen zur CO2-Grenzabgabe an. Auch die Automobilindustrie, die rund 70 Prozent ihrer Exporte in die EU liefert, beobachtet die Entwicklungen genau. Sie ist zwar noch nicht direkt von der CBAM-Abgabe betroffen, aber indirekt könnte sich die Anwendung auf Eisen, Stahl und Aluminium auch auf die Automobilzulieferindustrie auswirken.

Mehr Informationsangebote schaffen Transparenz

Die türkische Eisen- und Stahlindustrie bereitet sich mit EU-Unterstützung auf die Einführung des CBAM vor. In Izmir fand am 23. April 2024 die Eröffnungssitzung des Projekts "Intercluster Cooperation for Carbon Management“ statt, das von der EU finanziell über einen Zeitraum von 36 Monaten mit 520.000 Euro gefördert wird. Im Rahmen des Projekts sollen auch Studienbesuche und Schulungen in Deutschland und Italien stattfinden.

Das türkische Ministerium für Industrie und Technologie setzt mit Unterstützung der Weltbank über die staatlichen Einrichtungen der KMU-Förderung KOSGEB und den Forschungsrat TÜBITAK das "Türkiye Green Industry Project" zur grünen Transformation der Industrie um. Das Projekt zielt insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ab. Die Handelskammer Istanbul veranstaltete im Mai 2024 ein Seminar zum Thema "Grüne Transformation und CO2-Grenzausgleichsmechanismus". Auch die Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer in Istanbul (AHK) organisiert Veranstaltungen zu CBAM und grüner Transformation. Im Oktober 2024 ist ein Event für die Mitgliedsunternehmen unter dem Titel Grüne Transformation und Anpassungsprozess in der Industrie“ geplant. 

Der türkische Verband der Automobilindustrie (OSD) organisierte für seine Mitglieder in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Automobilzulieferer (TAYSAD) und der Automobilexporteure (OIB) Schulungen für die im Rahmen des CBAM geforderten Berechnungen und Meldungen.

Exporteure erwarten steigende Kosten

Die CBAM-Kosten für die türkischen Exporte in die EU, gemessen am Niveau von 2022, könnten sich pro Jahr auf 3,3 Milliarden Euro belaufen. Diesen Schätzwert nannte das türkische Wirtschaftsmagazin Ekonomist im März 2024 unter Berufung auf Dr. Emre Ilıcalı, Mitbegründer des auf Umweltthemen spezialisierten Beratungsunternehmens Altensi. Die Aluminiumindustrie ist besonders stark betroffen. Die Treibhausgasemissionen bei der Produktion von Aluminium in der Türkei seien etwa doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt, sagte Etem Karakaya, Dozent an der Wirtschaftsfakultät der Eskisehir Osmangazi Universität, dem Ekonomist.

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