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Special Tunesien Stromübertragung, -verteilung, Netze

Tunesien benötigt Stromimporte und Modernisierungsmaßnahmen

Tunesien konnte die geplante Energiewende bisher nicht verwirklichen. Jetzt wird das Stromnetz darauf vorbereitet und der Anschluss an das europäische Netz angegangen.

Von Peter Schmitz | Tunis

Tunesien propagiert nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen gestiegenen Energiepreisen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Land konnte 2021 nur etwas über die Hälfte des Primärenergiebedarfs aus eigenen Ressourcen decken. Tunesiens Stromproduktion basiert zu 95 Prozent auf Erdgas. Etwas über 40 Prozent des Gasbedarfs wird durch Importe aus Algerien gedeckt. Die damit verbundene Problematik wurde deutlich, als die Preise auf den internationalen Energiemärkten in Folge des Ukrainekriegs explodierten. Ende März 2022 waren die Einfuhren von Erdgas um etwa 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Aufgrund der Preisentwicklung und der Abwertung des tunesischen Dinars gegenüber dem US-Dollar lag die Steigerung des Wertes in lokaler Währung bei 130 Prozent. Die Auswirkungen auf den ohnehin hoch defizitären Staatshaushalt sind dementsprechend massiv. Die Zentralbank rechnete bereits im März 2022 mit Mehrausgaben von mehr als 1 Milliarde Euro.

Strommix Tunesiens und seiner Nachbarländer (2019)

Tunesien

Algerien

Libyen

Jährlich produzierte Elektrizität (in Terawattstunden)

22,1

81,5

33,7

Anteil der Stromproduktion auf Grundlage von Erdgas (in Prozent)

94,8

98,6

66,9

Anteil der Stromproduktion auf Grundlage von Öl (in Prozent)

0,2

0,4

33,1

Anteil der Stromproduktion auf Grundlage von Windenergie (in Prozent)

2,3

-

-

Spannung der Höchstspannungsleitung beim Übertragungsnetzbetreiber (in Kilovolt)

400

400

400

Quelle: International Energy Agency, Ministère Tunisien de l‘Energie et des Mines

Nutzung erneuerbarer Energien geplant

Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist für Tunesien von zentraler Bedeutung. Bis 2030 sollen 35 Prozent der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien produziert werden, aktuell sind es etwa 3,7 Prozent. Aber es gibt Fortschritte: Eine Ausschreibungsrunde über insgesamt 2.000 MW soll nach Angaben des Ministeriums für Industrie, Bergbau und Energie noch im Sommer 2022 stattfinden.

Im Sommer 2022 wird auch ein 10-Megawatt-Solarpark in Tataouine ans Netz gehen. Das Gemeinschaftsprojekt der italienischen ENI und der tunesischen staatlichen Ölfördergesellschaft ETAP startete 2017 im Rahmen einer Ausschreibungsrunde von sieben Losen zu je 10 Megawatt (MW). Der Park wurde 2019 fertiggestellt. Der Netzanschluss verzögerte sich wegen Widerstands des Gewerkschaftsdachverbands Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT), der einer Privatisierung der Stromproduktion kritisch gegenübersteht.

Zentraler Akteur auf dem Strommarkt Tunesiens ist die Société Tunisienne d'Electricité et du Gaz (STEG). Ende der 1990er Jahre wurde das staatliche Monopol aufgehoben. Der lokale Strombedarf lag Ende 2021 nach Angaben des Ministeriums für Industrie, Bergbau und Energie bei 21.100 Gigawattstunden (GWh). Davon wurden 92 Prozent des Stroms aus Erdgas erzeugt. Der Anteil erneuerbarer Energien lag Ende 2021 bei etwa 3,7 Prozent. Etwa 5 Prozent des Strombedarfs mussten durch Stromimporte gedeckt werden. 

Zwei Interkonnektoren mit Europa in Planung

Der Anschluss Tunesiens an das europäische Stromnetz ist schon lange angedacht. Ursprünglich sollte im Rahmen der Desertec-Initiative Solarstrom aus der Wüste Nordafrikas nach Europa geliefert werden. Während Desertec nicht realisiert wurde, ist die entsprechende Unterseeverbindung noch nicht vom Tisch.

Zwei Projekte sind in der neuesten Version des Zehnjahresplans zur Netzentwicklung vom Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) aufgelistet. Fortgeschritten ist die Idee eines Hochspannungs-Gleichstrom-Kabels (ELMED HVDC Submarine Cable) vom Cap Bon in Tunesien nach Sizilien. Ab 2027 soll es mit einer Kapazität von 600 MW auf einer Länge von 200 Kilometern zur Verfügung stehen. Projektpartner sind die italienische Terna sowie der staatliche Energieversorger STEG. Die Weltbank finanzierte die Machbarkeitsstudie, die im August 2021 von einem Konsortium aus der italienischen RINA und der STEG begonnen worden ist. Zunächst dürfte die Lieferung von Strom nach Tunesien im Fokus stehen. Bei einem Steigerung der tunesischen Produktion sind langfristig aber auch Exporte denkbar.

Das zweite Projekt im Plan der ENTSO-E, das Tunesien betrifft, steht unter der Leitung von Tunur. Ziel ist die Stromerzeugung über ein 4,5-Gigawatt-CSP-Kraftwerk und der anschließende Export des erzeugten Stroms nach Europa. Angedacht sind drei Unteressekabel nach Frankreich, Italien und Malta. In einer ersten Phase ist eine CSP-Komponente mit 250 MW vorgesehen. Der Umfang des Projekts lässt aufgrund der Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit allerdings Zweifel aufkommen. Von Tunur heißt es, man rechne bis 2024 mit der finalen Entscheidung, ob das mit 1,6 Milliarden Euro kalkulierte Projekt umgesetzt wird.  

Aufbau eines Smart Grid startet

Für das tunesische Stromnetz wird in den kommenden Jahren die wichtigste Herausforderung die Integration erneuerbarer Energien sein. Ein Pilotprojekt zum Aufbau eines intelligenten Stromnetzes ist gerade angelaufen. In einer ersten Phase baut ein internationales Konsortium unter der Führung von Siemens Advanta ein Smart Grid zunächst in mehreren Bezirken von Sfax auf. Bis 2025 folgen lokale Smart Grids in Kerkennah, Sousse, Sidi Bouzid, Béjà und Le Kram. Die zweite Phase soll zwischen 2026 und 2030 vor allem die Hauptstadt Tunis betreffen.  

Der Aufbau eines integrierten nordafrikanischen Strommarktes ist seit Jahren geplant, konnte bisher aber nicht umgesetzt werden. Aktuell bestehen Interkonnektoren mit Algerien und mit Libyen. In diesem Dreierverbund hat bisher nur Algerien einen Stromüberschuss realisiert. Dieser gelangt über Tunesien auch nach Libyen, bisher allerdings in geringem Umfang. 

Der Aufbau des transmaghrebinischen Strommarktes steht zwar grundsätzlich weiter auf der Agenda. Die Pläne des Comité maghrébin de l’électricité (COMELEC), dem neben Tunesien noch Mauretanien, Marokko, Algerien und Libyen angehören bestehen zwar bereits seit Jahrzehnten, die Chancen auf eine Realisierung erscheinen jedoch gering. Nicht zuletzt stehen dem die angespannten Beziehungen zwischen Marokko und Algerien sowie die weiterhin volatile Lage in Libyen entgegen. 

Bestehende Interkonnektoren Tunesiens

Verbindung

Spannung in Kilovolt

Tajerouine - El Aouinet (Algerien)

90

Fernana - El Kaala (Algerien)

90

Metlaoui - Jebel Onk (Algerien)

150

Tajerouine - El Aouinet (Algerien)

225

Jendouba - Chafia (Algerien)

400

Mednine - Aboukammech 1 (Libyen)

225

Mednine - Aboukammech 2 (Libyen)

225

Tataouine - Rowis (Libyen)

225

Quelle: Ministère de l'Industrie, des Mines et de l'Énergie


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