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Wirtschaftsumfeld | Tunesien | Investitionen

EU will in Tunesien mehr investieren

Auf einem Investitionsforum haben die EU und Tunesien neue Projekte verkündet. Die Beziehungen sind eng, aber Tunesien sucht auch andere Partner. (Stand 21.06.2024)

Von Verena Matschoß | Tunis

Auf dem Tunisia Investment Forum Mitte Juni 2024 zelebrierten die tunesische Regierung und die Europäische Union ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die 21. Auflage des Forums wurde von der Foreign Investment Promotion Agency FIPA organisiert, dieses Mal in Partnerschaft mit der EU. Auf der Veranstaltung wurden einige neue Projekte mit europäischer Finanzierung offiziell verkündet. 

Die EU und andere Geber sagten insgesamt 472,6 Millionen Euro für den Bau eines Stromunterseekabels zwischen Italien und Tunesien zu. Rund 335 Millionen Euro der Summe sollen als Zuschüsse fließen. An dem Projekt, das unter dem Namen ELMED firmiert, sind zahlreiche Institutionen finanziell beteiligt. Neben der Europäischen Kommission sind das die Weltbank, die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die KfW Entwicklungsbank

Finanzierungen für Straßenbau und Privatwirtschaft

Zwei weitere Projekte mit Finanzierung der EIB standen ebenfalls im Zentrum des Forums. Im Straßenbau hat die Bank 210 Millionen Euro für die Modernisierung der Nationalstraße zwischen Sfax und Kasserine zugesagt. Im Rahmen des Projekts soll der Straßenkorridor vierspurig ausgebaut werden und damit die Gouvernorate Sfax, Kairouan, Sidi Bouzid und Kasserine besser verbinden. Eine internationale Ausschreibung soll noch 2024 starten und die Arbeiten könnten dann im Jahr 2025 beginnen. Neben der EIB finanziert auch die Weltbank das Projekt. 

Zudem fördert die EIB mit 170 Millionen Euro die Kreditvergabe an kleinste, kleine und mittlere Unternehmen in Tunesien. Eine weitere Kreditlinie mit 80 Millionen Euro soll von der französischen Entwicklungsagentur AFD kommen. Daneben stellt die KfW Entwicklungsbank 10,5 Millionen Euro für eine Garantiefazilität bereit. Cécile Couprie, Regionaldirektorin der AFD für Nordafrika, erwartet, dass die Initiative dazu beiträgt, "eine der größten Herausforderungen für die tunesische Wirtschaft zu bewältigen - den Zugang kleiner Firmen zu Finanzierungen". 

Nach Angaben der Zeitung Economist Maghrébin stehen die angekündigten Vorhaben zusätzlich zu rund 120 Projekten, die das sogenannte Team Europe im Zeitraum 2021 bis 2027 in Tunesien umsetzen will. Im Rahmen von Team Europe arbeiten die EU, die EU-Mitgliedstaaten – einschließlich ihrer Durchführungsstellen und öffentlichen Entwicklungsbanken – sowie die EIB und die EBWE zusammen. Die Team Europe-Initiativen sind Teil der Global Gateway-Strategie der EU.

EU und ihre Mitgliedstaaten sind wichtige Geldgeber

Nach Tunesien ist in den vergangenen Jahren bereits viel europäisches Geld geflossen. Nach eigenen Angaben stellte die EU dem nordafrikanischen Land seit 2011 rund 2 Milliarden Euro an Zuschüssen und 1,4 Milliarden Euro an Krediten im Rahmen der Makrofinanzhilfe zur Verfügung. Zahlen des tunesischen Finanzministeriums zufolge hielt die EU Ende 2022 rund 11,5 Prozent der Auslandsschuld Tunesiens bei multilateralen Gebern und rund 7 Prozent der gesamten Auslandsschuld. 

Auch bei den bilateralen Gebern stehen die EU Mitgliedstaaten weit vorne. Ende 2022 war Deutschland sogar der wichtigste bilaterale Geber für Tunesien. 

Europäische Länder stehen für die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen

Tunesien ist aber bei Weitem nicht nur Empfänger von Finanzhilfen, sondern vor allem auch ein attraktives Investitionsziel für Unternehmen aus der EU. Laut der Foreign Investment Promotion Agency FIPA stammen etwa die Hälfte des Bestands der ausländischen Direktinvestitionen außerhalb des Energiesektors aus den EU-Mitgliedstaaten. 

Hierbei investieren sie vor allem in Industriesektoren, allen voran in der mechanischen und elektrotechnischen Industrie oder der Textil- und Bekleidungsbranche. Damit sind sie auch sehr wichtige Arbeitgeber. Allein in Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung sind laut FIPA über 80.000 Mitarbeiter beschäftigt. Asiatische Investoren spielen in Tunesien bisher noch eine untergeordnete Rolle.

Tunesien stark in europäische Lieferketten einbezogen

Wo investiert wird, wird auch gehandelt. Zahlreiche Unternehmen produzieren in Tunesien Vor- und Fertigprodukte, in erster Linie für den europäischen Markt. Dabei hat Tunesien mit der EU einen Handelsbilanzüberschuss: Tunesien führt mehr in die EU aus, als es von dort importiert. Rund 70 Prozent der tunesischen Ausfuhren entfallen auf Länder der Europäischen Union. Die mit Abstand wichtigsten Handelsgüter sind Produkte der Elektrotechnik und Bekleidung.

Vertiefte Zusammenarbeit oder mehr Unabhängigkeit vom Westen?

Obwohl die Verflechtung zwischen der EU und Tunesien eng ist, gab es schon einmal bessere Zeiten für die Partnerschaft. Der einstige Reformvorreiter des Arabischen Frühlings lehnt einen Umbau seiner Wirtschaft immer mehr ab. Im Frühjahr 2023 lehnte der tunesische Präsident ein Kreditprogramm des Internationalen Währungsfonds ab, weil er mit den geforderten Maßnahmen nicht einverstanden war. Der IWF will, dass die Regierung Subventionen abbaut und den Staatssektor umstrukturiert. Von einem solchen Reformprogramm hängt auch die Makrofinanzhilfe der EU in Höhe von 900 Millionen Euro ab. 

Das finanziell angeschlagene Tunesien ist allerdings auf internationale Finanzierung angewiesen: Das Finanzministerium veranschlagte im Oktober 2023 für das Jahr 2024 einen Bedarf an internationaler Budgethilfe in Höhe von umgerechnet über 4 Milliarden Euro. Dabei will Tunesien vermehrt auf Gelder vom dem Nachbarland Algerien oder von Saudi Arabien setzen. Die Finanzierungslücke bleibt groß - bei 70 Prozent der erwarteten Hilfen war der Darlehensgeber noch offen. Die EU hat im Rahmen des gemeinsamen Memorandum of Understanding im Frühjahr 2024 bereits 150 Millionen Euro an Budgethilfe ausgezahlt. 

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