Hafen top, Straßen und Flughafen flop: Nicht alles läuft rund in der Drehscheibe für das Horn von Afrika. Eine riesige neue Freizone entsteht, Investoren zögern aber. (Stand: 05.05.2023)
Dschibuti bildet mit seinem leistungsfähigen Hafen das logistische Drehkreuz für den seegestützten Handel am Horn von Afrika. Aus Sicht vieler deutscher Firmen ist Dschibuti vor allem eine Logistikdrehscheibe für Äthiopien. Das große Nachbarland wickelt geschätzt 95 Prozent seines seegebundenen Außenhandels von knapp 20 Millionen Tonnen über den Hafen Dschibuti ab.
Transportwege und -zeiten
Der Großteil des Frachtumschlags im Hafen von Dschibuti ist für Äthiopien bestimmt. Knapp 90 Prozent aller Güter im Äthiopien-Verkehr gelangen derzeit auf der Straße in das Nachbarland. Die noch recht neue und eigentlich sehr leistungsfähige Bahnlinie Ethio-Djibouti Railway (EDR) transportiert den Rest. Mittelfristig hofft die EDR, ihren Anteil auf ein Viertel steigern zu können. Dafür fehlt es aber unter anderem an ergänzenden Investitionen, ein Geldgeber ist aktuell nicht in Sicht.
Im Äthiopien-Handel geht es vor allem um Lieferungen dorthin und weniger um den umgekehrten Weg. Dschibutis Nachbarland importiert wertmäßig viermal mehr als es exportiert. Von den 1.100 Lkw, die täglich vom Hafen Dschibuti vollbeladen in Richtung Grenze fahren, kommen 900 leer zurück, hieß es im März 2023 bei der regierungseigenen Djibouti Ports Corridor Road (DPCR). Ähnlich ist es im Bahnverkehr: Aktuell gingen täglich drei Güterzüge nach Äthiopien, davon zwei mit Containern. Aber selbst die Züge mit anderer Fracht waren nach Angaben der Bahngesellschaft auf dem Rückweg allesamt leer.
Straßenausbau kommt nur zäh voran
Die meisten Lkw nach Äthiopien fahren heute vom Hafen über Galafi im Norden Dschibutis. Ein Korridor weiter südlich, der über die äthiopische Stadt Dire Dawa führt, wäre bis zu 100 Kilometer kürzer. Doch auf dieser Strecke sind die dschibutischen Straßen in schlechtem Zustand.
Die DPCR berichtet von zunehmenden Problemen, die Straßen in Schuss zu halten. Schuld seien Starkregenereignisse seit dem Jahr 2018. Die der Hafenverwaltung unterstellte Behörde ist für die sieben Straßen des "Transportkorridors" nach Äthiopien zuständig. Sie sieht sich, "einzigartig in Afrika", als "One-Stop-Shop" für alle Fragen rund um diese Straßen. Sie kümmere sich dort zum Beispiel auch um die Sicherheit.
Die Behörden bauen die Straßen aus, mit einigem Geld von der Weltbank und aus den Golfstaaten. Logistiker sprechen allerdings von zähem "Stückwerk". Eine bessere Verbindung nach Äthiopien soll zunächst auf dem Nordkorridor (RN 5 und RN 1) entstehen: Dort befindet sich momentan die Strecke zwischen Galafi an der äthiopischen Grenze bis vor Gallamo weiter südlich im Ausbau. 35 weitere Kilometer nach Südosten von Gallamo nach Moloud sollen "innerhalb eines Jahres" von der Ethiopian Construction Works Corporation fertiggestellt werden. Dies vereinbarten die äthiopische und die dschibutische Regierung im März 2023.
Den Ausbau des südlichen Korridors hat ein 80 Millionen US-Dollar (US$) teures, weitgehend von der Weltbank finanziertes Projekt zum Ziel. Es verbessert einen Teil der heute von den Lkw benutzten Route von Dschibuti-Stadt in Richtung Westen (RN 1) und später die Abzweigung nach Süden über Ali Sabieh in Richtung des äthiopischen Grenzorts Dewele (RN 5, RN 19). Daneben soll weiter südlich eine 110 Kilometer lange, neue Straße entstehen (RN 18: Djibouti - Holl-Holl - Daasbio - Ali Sabieh - Galileh). Hierzu gibt es eine Absichtserklärung aus dem Jahr 2021, allerdings keine Informationen zur Finanzierung und zum aktuellen Stand. Beteiligt ist die marokkanische Firma Somagec, die bereits im geplanten Industriepark Damerjog (DDIP) baut.
Flughafenprojekt mit Fragezeichen
Dschibuti besitzt den internationalen Flughafen Ambouli, den Logistiker jedoch als klein und unbedeutend bezeichnen. Es gebe dort weder Kühlmöglichkeiten noch ein Abfertigungszentrum. Auf dem zentrumsnah gelegenen Airport bewegen sich jährlich nach aktuellen, allerdings undatierten Berichten etwa 150.000 Personen und 10.000 Tonnen Fracht.
Geplant ist auch ein neuer Flughafen, und zwar in Bicidley bei Ali Sabieh nahe der äthiopischen Grenze. Der Airport hätte eine Jahreskapazität von 1,5 Millionen Passagieren und 100.000 Tonnen Fracht. Der Standort liegt zwar nahe der Bahn- und Straßenrouten nach Äthiopien, aber rund 60 Kilometer entfernt von Dschibuti-Stadt mit seinen Hafenterminals.
Die französischen Firmen ADP Ingénierie und Egis Group erhielten Mitte 2021 den Auftrag für die Planung und den Bau dieses Flughafens. Das Geld soll den Meldungen zufolge vom FASEP-Fonds der französischen Regierung kommen. Das Vorhaben ist inzwischen auch ein "Leuchtturm"-Projekt des Global-Gateway-Programms, mit dem die Europäische Union Infrastrukturprojekte vor allem in Afrika unterstützen will.
Logistiker in Dschibuti erkannten im März 2023 allerdings keinen Fortschritt bei dem Projekt. Machbarkeitsstudien wurden bereits finanziert und sollten eigentlich 2021 abgeschlossen sein, sind nach aktuellen Angaben der EU-Kommission aber in Verzug. Im rund eine Flugstunde entfernt gelegenen Addis Abeba besteht bereits ein leistungsfähiges Luftdrehkreuz für Ostafrika und darüber hinaus. Zudem gibt es in Äthiopiens Hauptstadt Pläne für den Bau eines neuen Mega-Airports für 100 Millionen Passagiere, was etwa dem Fünffachen der heutigen Kapazität entspricht.
Ältere Pläne der dschibutischen Regierung nennen den Bau eines weiteren Flughafens namens Ahmed Dini Ahmed. Er sollte nahe des nördlichen Archipels Sept Frères (Sawabi-Inseln) im Roten Meer direkt gegenüber Jemen entstehen und etwas kleiner als die Anlage in Bicidley ausfallen.
Logistikdrehscheiben
Dschibutis Logistik dreht sich um seinen Hafen, genauer um mehrere einzelne Häfen und Terminals. Sie schlugen nach den letzten Daten der Weltbank 2020, im ersten Coronajahr, 812.000 Standardcontainer (TEU) um (Hamburg: 8,5 Millionen). Im Spitzenjahr 2019 waren es 987.000 TEU.
Der lange Zeit einzige leistungsfähige Hafen am Horn von Afrika bekommt nun eine gewisse Konkurrenz in Berbera. Der Hafen im benachbarten Somaliland hat mit dem Investor DP World seine Kapazität auf 0,5 Millionen TEU ausgebaut und plant eine Erhöhung auf 2 Millionen TEU. Er wickelt derzeit erst 0,14 Millionen TEU ab und es fehlt noch ein Transitabkommen mit Äthiopien. Die wenig leistungsfähigen Häfen in Eritrea dürften absehbar keine Konkurrenz werden, ebenso wenig Port Sudan im Norden oder Lamu in Kenia. Das dortige große Infrastrukturprojekt LAPSSET kommt bisher nicht recht in Gang
Dschibutis Containerumschlag ist der effizienteste in Afrika südlich der Sahara, konstatiert die Weltbank in ihrem aktuellen Container Port Performance Index 2021. Am wichtigsten ist dabei der Doraleh Container Port (DCP, nach französischer Abkürzung SGTD). Geringere Containerkapazitäten haben zudem der alte, auch historisch genannte Hafen Old Port und der Doraleh Multipurpose Port (DMP).
Nicht containerisierte Fracht läuft hauptsächlich über den DMP, der von China Merchants Port Holdings (CMP) ausgebaut wurde. Ein Teil dieses Geschäfts hat sich inzwischen nach Tadjorah verlagert. Dieser nördlich gelegene Hafen war einmal für die Ausfuhr von Kali vorgesehen, die Pläne wurden bislang aber nicht umgesetzt.
Öl und Gas kommen über das Terminal Horizon ins Land. Künftig soll dies auch im Hafen Damerjog erfolgen, der bisher nur der Verschiffung von Lebendtieren dient. In Damerjog baute die marokkanische Firma Somagec dafür bereits einen Hafenanleger und arbeitet offenbar auch an einer Pipeline ins Meer. Das Projekt ist Teil des geplanten, riesigen Djibouti Damerjog Industrial Park (DDIP).
Der Hafen Ghoubet wird dem Vernehmen nach derzeit nicht genutzt. Dort wollten chinesische Firmen Salz exportieren, die Produktion kam jedoch bislang nicht zustande. Außerdem ist der Hafen nach chinesischen Quellen schlecht ausgebaut und mangelhaft angeschlossen.
Verwaltet werden sämtliche Häfen und Terminals von der staatlichen Djibouti Ports and Free Zones Authority (DPFZA). Die Eigentumsverhältnisse sind Beobachtern nicht völlig klar, es ergibt sich folgendes Bild: Die beiden wichtigsten Terminals, der Mehrzweckhafen DMP und das Containerterminal SGTD, gehören der Hafengesellschaft PDSA. An PDSA ist China Merchants Port (CMP) seit 2012 mit 23,5 Prozent beteiligt. Dadurch sind die Chinesen auch Miteigentümer von DMP und SGTD sowie dem alten, inzwischen unbedeutenden Hafen. Am Hafen Tadjorah ist CMP eigenen Angaben zufolge nicht beteiligt und, so lassen sich die Informationen verstehen, auch nicht an den anderen beiden Häfen Damerjog und Ghoubet.
Im Jahr 2018 hatte Dschibutis Regierung den emiratischen Hafenbetreiber DP World aus einer bestehenden Konzession für den Containerhafen SGTD gedrängt. China Merchants hatte nach dem Ausbau des Mehrzweckhafens DMP 2020 weitere Milliardeninvestitionen zugesagt und steuert seine Afrika-Aktivitäten inzwischen aus Dschibuti.
Dschibutis Häfen und Terminals: Eigentumsverhältnisse und BesonderheitenHafen/Terminal/Organisation | Anteilseigner | Anmerkungen |
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Djibouti Ports and Free Zones Authority (DPFZA) | Staat Dschibuti 100% | Behörde zur Verwaltung von Häfen/Terminals und Freizonen |
Port de Djibouti (PDSA) | China Merchants Port Holdings (CMP) 23,5%, DPFZA 76,5% | Hafengesellschaft |
Doraleh Multipurpose Port (DMP) | PDSA 100% | Mehrzweckhafen, zudem Container-Umschlagkapazität 220.000 TEU; für 580 Mio. US$ ausgebaut |
Société de Gestion du Terminal a conteneur de Doraleh (SGTD; früher: Doraleh Container Terminal, DCT) | PDSA 66,66%, DPFZA 33,33% | Container-Umschlagkapazität 1,6 Mio. TEU |
Alter (= historischer) Hafen | PDSA 100% | noch in Betrieb, schlägt aber keine Container mehr um; Umschlagskapazität laut CMP "weit unter" den angegebenen 350.000 TEU; CMP plant dort Immobilienentwicklung, hat dieses Projekt aber noch nicht offiziell gestartet |
Damerjog | DPFZA | transportiert bisher nur Lebendtiere; laufender Ausbau zu Öl- oder Gasterminal |
Tadjorah | DPFZA | in Betrieb seit 2017 und ausgebaut für 90 Mio. US$; transportiert andere Güter als das eigentlich eingeplante Kali |
Ghoubet | DPFZA | eingeweiht 2017 mit einer Gesamtinvestition von 64 Mio. US$; wird derzeit nicht genutzt |
Horizon | Emirates National Oil Company 40%, ungenannte Ölfirma 38%, DPFZA 22% | Terminal für Öl, Gas, Chemikalien und Speiseöl |
Quelle: Djibouti Ports and Free Zones Authority, Branchenunternehmen; Offshore-Technology.com 2023
Riesige Freizone im Aufbau
Das Jahr 2018 markiert auch den Schwenk Dschibutis vom emiratischen Freizonenmodell hin zu chinesischen Vorbildern. Ein Teil der Fracht für Äthiopien wird über die Djibouti Free Zone abgewickelt. Diese Anlage entstand mit emiratischem Geld und ist seit 2004 in Betrieb. Daneben gibt es die private East Africa Holdings Free Zone und die UKAB Free Zone.
2018 öffnete China Merchants zudem zusammen mit Dschibutis Hafenverwaltung “Afrikas größte Freizone”. Auf erstaunlichen 50 Quadratkilometern sollen Unternehmen Waren für die Nachbarländer effizient umschlagen oder auch eine Verarbeitung aufbauen. Nach aktuellen Angaben der Freizone haben sich bisher 300 Firmen auf einer Fläche von 80 Hektar angesiedelt, darunter BASF. Die Investitionen erreichten laut CMP bislang insgesamt 300 Millionen US$.
Beobachter zeigen sich mit Blick auf die hochfliegenden Ausbaupläne allerdings skeptisch. Dies bezieht sich auf die Freizone und den gesamten Standort. China vergibt inzwischen auch nach Afrika viel weniger Kredite. Dschibuti hat Pressebereichten zufolge außerdem große Schwierigkeiten, die bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber China zu bedienen.
CMP zum Beispiel will nach eigenen Angaben nicht in den großen Damerjog-Industriepark DDIP investieren, sondern nur Firmen aus China oder anderen Ländern dorthin vermitteln. Bei Häfen gebe es in ganz Afrika inzwischen Überkapazitäten. Momentan sehe man keine weiteren großen Investitionen.
Seit dem "Rausschmiss" von DP World stößt das Werben von Dschibutis Behörden um ausländische Investitionen auf Skepsis. Sorgen machen auch Konflikte und die Devisenknappheit in Äthiopien, die das Frachtvolumen beeinträchtigen.
Transportunternehmen
Die großen internationalen Reeder sind mit eigenen Büros in Dschibuti präsent. Von den ausländischen Logistikmultis ist nach Branchenangaben nur Bolloré mit nennenswerten eigenen Aktivitäten vertreten, DHL mit seinem Express-Service. Der niederländische Logistiker Steder, der 2011 ein Büro in Dschibuti eröffnet und unter anderem Schwertransporte organisiert hatte, verkaufte sein Geschäft inzwischen an die Branchenfirma MTI, so Angaben von MTI.
Ähnlich wie in Äthiopien ist es Branchenangaben zufolge schwierig, schnell gute und verlässliche Lkw-Transporte zu bekommen. Die schlechten Straßen in Dschibuti führen zu Defekten, ein befragter Logistiker versucht deshalb, persönliches Gut nur mit der Bahn zu befördern. Gewichtsobergrenzen werden teils nicht eingehalten und auch nicht von den Behörden durchgesetzt. Die Fahrzeuge führen in der Regel keine GPS-Tracker an Bord.
Laut Association des Transitaires Djiboutiens (ATD) gibt es in Dschibuti nicht genügend Lkw. Einheimische Firmen führten weniger als 2 Prozent der Lkw-Transporte nach und aus Äthiopien durch. Transportdienstleistungen würden in Addis Abeba in Birr ausgeschrieben. Die äthiopische Landeswährung lässt sich aber de facto nicht offiziell in Dollar umtauschen. Sie ist auf dem Schwarzmarkt derzeit nur halb so viel wert wie offiziell.
Dschibutis Transportfirmen haben deshalb hauptsächlich Kunden im Inland. Dazu gehören die Militärbasen ausländischer Staaten sowie Hilfsorganisationen, die Nahrungsmittel und andere Güter an die Flüchtlingslager in der dürregeplagten Region verteilen. Die ATD deckt mit ihren knapp 90 Mitgliedern nach eigenen Angaben rund zwei Drittel der Transportleistung in Dschibuti ab, bezieht sich dabei allerdings nur auf Container.
Größere Transport- und Logistikunternehmen in DschibutiAnbieter | Anmerkungen |
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MTI | nach eigenen Angaben: größte Transportfirma in Dschibuti mit 200 Beschäftigten; Kundenfokus auf Militärbasen und NGO in Dschibuti; erbringt Dienste mit eigenen Assets inkl. Hafenkränen und 30 Lkw; größter Anbieter von Lkw-Schwertransporten für Äthiopien (z.B. Windräder); möchte mehr internationale Verbindungen |
Marill | erbringt Dienste teils mit eigenen Assets; seit einem Jahrhundert am Markt und gut vernetzt; vertritt u.a. DB Schenker und DHL Äthiopien (Forwarding); Teil einer Gruppe (rund 500 Mitarbeiter) mit französischem Ursprung |
Massida | vertritt ausländische Firmen; kaum eigene Assets |
Bolloré | einziger internationaler Logistiker am Markt |
BMMI (Bahrain) | Reederei mit Logistikdiensten |
Quelle: Branchenunternehmen 2023
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Von Ulrich Binkert
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Bonn