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Tunesiens Plan mit der Sonne
Die tunesische Regierung will erneuerbare Energien massiv ausbauen. Im Jahr 2023 startet eine neue Ausschreibungsrunde. Die bisherige Umsetzung verlief allerdings stockend.
23.08.2023
Von Verena Matschoß | Tunis
Die Voraussetzungen sind ideal: Mit rund 3.000 Stunden scheint die Sonne in Tunesien etwa 1.000 Stunden pro Jahr mehr als in Deutschland, und auch das Windkraftpotenzial ist groß. Gleichzeitig ist der äußere Druck enorm, da das Land stark abhängig von Energieimporten ist. Denn Strom wird in Tunesien fast ausschließlich aus Erdgas gewonnen und davon produziert das Land nur gut ein Drittel selbst. Der Rest kommt vor allem aus dem Nachbarland Algerien.
Pläne sind ambitioniert, Umsetzung stockt
Bis 2030 soll der Energiemix in Tunesien deutlich grüner werden. Die Regierung sieht vor, dass bis dahin 35 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien (EE) kommen. Ursprünglich sah der 2015 aufgestellte Solarplan 30 Prozent bis 2030 vor, 2022 erhöhte die Regierung die Zielmarke um fünf Prozentpunkte. Die installierte EE-Leistung soll 2030 mehr als 3.800 Megawatt erreichen - gegenüber 275 Megawatt im Jahr 2015.
Allerdings ist das Ziel der tunesischen Regierung sehr ambitioniert: Im Jahr 2020 standen die Erneuerbaren gerade einmal für 3 Prozent des erzeugten Stroms, so die Zahlen der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien IRENA.
Denn der Ausbau kommt kaum voran: Laut dem Plan der Regierung sollten 2020 bereits 1.225 Megawatt an Erneuerbaren installiert sein; Ende Juni 2023 waren es gerade einmal 565 Megawatt. Ein Grund für die Verzögerung ist die Finanzierung, denn die Staatskassen sind leer. Umso mehr ist Tunesien auf privates Engagement angewiesen. Rund 5,4 Milliarden Euro soll der Privatsektor laut Solarplan bis 2030 in den Ausbau investieren, von der öffentlichen Hand kommen 2,6 Milliarden Euro.
Laut Gesetz Nr. 2015-12 vom 11. Mai 2015 über die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gibt es folgende Möglichkeiten für ein Engagement des Privatsektors:
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Privatwirtschaft wird gebraucht
Die erste Präqualifizierungsrunde für größere EE-Anlagen über Konzessionen wurde 2018 gestartet. Hier sollten Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1.000 Megawatt gebaut werden, die eine Hälfte betrieben mit Solarkraft, die andere Hälfte mit Windkraft. Im Dezember 2019 erhielten drei Bieter den Zuschlag für den Zubau und den Betrieb von insgesamt fünf Fotovoltaikvorhaben. Bisher ist keines ans Netz gegangen. Die endgültige Genehmigung der tunesischen Regierung haben die Unternehmen erst Ende 2021 (drei Projekte) und Ende 2022 (zwei Projekte) erhalten. Inzwischen ist fraglich, ob die Projekte zu den vereinbarten Konditionen noch realisiert werden können.
Unternehmen | Projekte | Einspeisetarif |
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SCATEC Solar (Norwegen) | 50 Megawatt in der Region Tozeur, 50 Megawatt in der Region Sidi Bouzid, 200 Megawatt in der Region Tataouine | 79,379 Tunesische Millimes pro kWh (2,35 Eurocent; in Tozeur/Sidi Bouzid); 71,783 Tunesische Millimes pro kWh (2,21 Eurocent; Tataounie) |
TBEA/AMEA (chinesisch-emiratisches Konsortium) | 100 Megawatt in Kairouan | 97,920 Tunesische Millimes pro kWh (2,9 Eurocent) |
ENGIE/Nareva (französisch-marokkanisches Konsortium) | 100 Megawatt in Gafsa | 79,950 Tunesische Millimes pro kWh (2,37 Eurocent) |
Ebenfalls im Jahr 2018 wurden Anlagenbauer für zwei Windkraftprojekte mit einer Gesamtleistung von 300 Megawatt auf staatlichen Grundstücken gesucht, zwölf Unternehmen wurden vorausgewählt. Nach Angaben des Ministeriums steht eine Messkampagne aus, nach deren Abschluss sich die Unternehmen noch bis Ende 2023 auf die Ausschreibung bewerben können. Zudem soll ebenfalls bis Ende 2023 eine Umwelt- und Sozialstudie mit Unterstützung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erstellt werden.
Neuer Anlauf: 1,7 Gigawatt an Erneuerbaren bis 2025
Ungeachtet der Verzögerungen wurde im Dezember 2022 eine zweite Ausschreibungsrunde angekündigt. Gebaut werden sollen 1.100 Megawatt an Solarenergie und 600 Megawatt Windenergie. Der Zeitraum läuft von 2022 bis 2025. Auch hier könnte es zu Verzögerungen kommen, denn Anfang Mai 2023 wurde die Energieministerin entlassen. Bis heute ist der Posten vakant.
Details | Geplanter Zeitpunkt der Ausschreibung | |
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100 Megawatt geplante Kapazität pro Fotovoltaikanlage | 1. Runde: 15. Juni 2023 2. Runde: März 2024 3. Runde: November 2024 4. Runde: September 2025 Pro Runde sollen zwei Projekte ausgeschrieben werden | |
75 Megawatt geplante Kapazität pro Windkraftanlage | 1. Runde: September 2023 2. Runde: Mai 2024 3. Runde: Februar 2025 4. Runde: November 2025 Pro Runde sollen zwei Projekte ausgeschrieben werden | |
Bau auf 300 Hektar in Hecha (Region Gabès) Bau auf 270 Hektar in Khoubna (Region Sidi Bouzid) | 18. Mai 2023 |
Auch bei kleineren Projekten geht es nicht voran
Im Rahmen des sogenannten Genehmigungsregimes für kleinere Anlagen wurden seit 2017 bereits vier Ausschreibungsrunden veröffentlicht. Allerdings wurden bis März 2023 nur 22 Megawatt installiert – geplant waren 304 Megawatt. Der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zufolge war die Stromkaufvereinbarung (PPA) zwischen den Anbietern und dem staatlichen Strom- und Gasversorger STEG (Société tunisienne de l'électricité et du gaz) als Abnehmer nicht bankfähig. Zudem blockiert die Gewerkschaft der STEG den Netzanschluss der Anlagen. So wurde beispielsweise ein Solarkraftwerk in Tataouine, das von der italienischen Eni und der tunesischen ETAP (Entreprise Tunisienne d'Activités Pétrolières) entwickelt wurde, erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren an das STEG-Netz angeschlossen.
In den Ausschreibungsrunden bekamen auch deutsche Projekte einen Zuschlag. ABO Wind, ein Projektentwickler aus Wiesbaden, hat im Jahr 2019 sogar zwei Genehmigungen erhalten und könnte nun einen 10-Megawatt-Solarpark in der Region Gabès und einen Windpark mit einer Leistung von 30 Megawatt in der Nähe der Hauptstadt Tunis bauen.
Energiezusammenarbeit hat für Deutschland Priorität
Auch die deutsche Bundesregierung unterstützt die Energiewende in Tunesien. Alleine die GIZ betreut Projekte im Themenbereich Energie und Klima mit einem Gesamtbudget von knapp 60 Millionen Euro. Hierbei arbeitet sie unter anderem mit dem tunesischen Energieministerium, der Energieagentur ANME und der STEG zusammen. Im Jahr 2012 wurde die deutsch-tunesische Energiepartnerschaft ins Leben gerufen – eine Dialog-Plattform für Entscheidungsträger, Unternehmen und Fachleute beider Länder. Auch das Thema grüner Wasserstoff ist in der bilateralen Zusammenarbeit auf der Agenda.
Aktiv in der Finanzierung ist die Bundesregierung auch über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). So wurde das erste tunesische Solarkraftwerk in Tozeur mit finanzieller Unterstützung der KfW erbaut. Derzeit läuft eine Ausschreibung für die Lieferung und Installation von 219 Fotovoltaikanlagen für 185 öffentliche Einrichtungen in Tunesien. Abgabetermin ist der 31. August 2023.
Deutsche Unternehmen erkunden den Markt
Über die Exportinitiative Energie findet vom 18. bis 22. September 2023 eine Geschäftsreise nach Tunesien für deutsche Unternehmen statt. Branchenschwerpunkt ist die Förderung von Solarenergie zur Erzeugung von grünem Wasserstoff. Die Veranstaltung wird organisiert von der Renewables Academy (RENAC) mit der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer (AHK Tunesien).
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Ministerium für Industrie, Energie und Bergbau | |
Agentur für Energiemanagement | |
Staatliche Strom- und Gasgesellschaft | |
Dialog-Plattform für Entscheidungsträger, Unternehmen und Experten | |
Unterstützung deutscher Anbieter klimafreundlicher Energielösungen bei der Erschließung von ausgewählten Zielmärkten weltweit. | |
Messe für Strom und Erneuerbare Energien; 11. bis 15. Oktober 2023 in Tunis | |
Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer unterstützt und berät bei Markterschließung und Messepräsenz |