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Wirtschaftsausblick I Turkmenistan

Tatsächliches Wachstum hinkt Prognosen hinterher

Turkmenistans Wirtschaft wächst offiziell jährlich um mindestens 6 Prozent. Inoffiziell sind die Zuwächse weit geringer. Infrastruktur- und Industrieprojekte bieten Lieferchancen.

Von Uwe Strohbach | Aschgabad

Top-Thema: Turkmenistan klinkt sich stärker in internationale Verkehrskorridore ein

Das Land am Kaspischen Meer gilt immer noch als verschlossen. Doch im Transport- und Logistiksektor bewegt sich was. Seit Oktober 2023 ist Turkmenistan beim internationalen Verkehrsprojekt TRACECA dabei, das Europa über den Kaukasus mit Zentralasien verbinden soll. Der Ausbau des Gleisnetzes des Landes ist bereits angelaufen, genauso wie die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur. Gemeinsam mit anderen TRACECA-Anrainern werden mehrere Güterverteilzentren geplant.

Turkmenistan ist auch bestrebt, den Warentransit durch weniger Formalitäten zu vereinfachen. Der geplante Beitritt zum Übereinkommen zur Erleichterung des Internationalen Seeverkehrs (FAL) soll dafür den Weg ebnen.

Wirtschaftsentwicklung: Gasförderung und Bauprojekte stützen die Wirtschaft

Die Regierung rechnet für 2024 und 2025 mit einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um jeweils 6,3 Prozent. Geberbanken erwarten ähnliche Wachstumsraten. Diese Prognosen und ebenso die bisher offiziell gemeldeten Zuwächse sind aber kritisch zu hinterfragen, da Turkmenistan bei der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung keine international üblichen Berechnungsmethoden nutzt. Die Inflation gilt als unterbewertet, die Devisenpolitik als intransparent. Hinzu kommt ein großer informeller Sektor.

Einen alternativen Ansatz verfolgt der Internationale Währungsfonds (IWF), was sich in seinen Prognosen niederschlägt. Demnach wird Turkmenistans BIP mit jeweils 2,3 Prozent in den Jahren 2024 und 2025 deutlich langsamer wachsen.

Die Rahmenbedingungen im Land bleiben schwierig. Die überschaubare Zahl privater Unternehmen erbringt bislang nur etwa 14 Prozent der Industrieproduktion. Erst auf den zweiten Blick zeigen sich gewisse Fortschritte: Turkmenistan hat damit begonnen, seine Wirtschaft breiter aufzustellen, was dem Privatsektor mehr Entfaltung ermöglicht. Haupttreiber der wirtschaftlichen Entwicklung ist und bleibt aber die Gasförderung, die sich auf einem hohen Niveau stabilisiert hat.

Investitionsquote verharrt auf niedrigem Niveau

Die jährlichen Bruttoanlageinvestitionen belaufen sich 2024 und 2025 jeweils auf etwa 11 Milliarden US-Dollar (US$). Die Investitionsquote, also der Beitrag zum BIP, hat sich mit etwa 15 Prozent während der letzten Jahre nahezu halbiert.

Verantwortlich dafür sind das rückläufige Engagement ausländischer Investoren in der Öl- und Gasförderung sowie die gegenüber früher stark gedrosselten Investitionen in staatliche Prestigeobjekte. Gleichwohl sorgen mehr kreditfinanzierte Projekte im nicht staatlichen Sektor und einige internationale Darlehen für positive Impulse.

Lage auf dem Verbrauchermarkt bleibt angespannt

Die offiziell gemeldeten Einkommensverbesserungen und Umsatzsprünge im Einzelhandel entsprechen aufgrund von unterbewerteten Preissteigerungen nicht der Realität. Importierte Konsumgüter sind nur noch für eine kleine Minderheit der etwa 7 Millionen Einwohner erschwinglich. Das hat damit zu tun, dass solche Waren fast nur noch zum hohen Parallelkurs bezogen werden können und nicht zum offiziellen Devisenkurs.

Die Versorgungslage im Land gilt als schwierig. So dürfen staatliche Läden nur noch begrenzte Mengen subventionierter Grundnahrungsmittel verkaufen. Zudem wächst seit einigen Jahren wieder der Anteil von Lebensmitteln an den Ausgaben der Haushalte – 2023 erreichte er 54 Prozent. Bei der Einschätzung der Kaufkraft ist aber auch die große Schattenwirtschaft im Land zu beachten.

Ausrüstungsimporte ziehen leicht an 

Die Regierung rechnet für 2024 mit einem Außenhandelsumsatz von 20,7 Milliarden US$. Das entspräche einer Zunahme um etwa 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, womit sich der 2021 eingesetzte Aufwärtstrend fortsetzen dürfte. Dazu trägt vor allem der Exportschlager Erdgas bei. Etwa 80 Prozent der Gaslieferungen gehen nach China. Auf Erdgas, Öl und Ölprodukte entfallen jährlich rund 85 Prozent der turkmenischen Ausfuhren. Darüber hinaus exportiert das Land noch Textilien/Bekleidung, Strom, Dünger und Tomaten. Die EU nimmt aus Turkmenistan vorwiegend Öl und Ölprodukte ab.

Die Warenimporte betrugen nach Angaben der Welthandelsorganisation 2021 bis 2023 nur etwa 3,5 Milliarden US$ pro Jahr. Darin schlagen sich der anhaltende Devisenmangel, reale Kaufkraftverluste und stockende Investitionen nieder. Die Bezüge von Maschinen und Ausrüstungen – insbesondere solcher für den Bereich Öl und Gas, den Agrarsektor und die Lebensmittelbranche – haben sich seit 2022 etwas belebt. Hauptbeschaffungsmärkte im Ausland sind China und die Türkei. Aus der EU importiert Turkmenistan vor allem Erzeugnisse des Maschinenbaus, Chemiewaren und Fahrzeuge.

Deutsche Perspektive: Zulieferchancen bei staatlichen Vorhaben sind eingeschränkt, aber nicht ausgeschlossen

Geschäftschancen bieten in Turkmenistan in erster Linie die unter staatlicher Regie verfolgten Infrastruktur- und Industrieprojekte. Hinzu kommen die ebenfalls meist zentral koordinierten Ausbauvorhaben, die auf die Substitution von Importen abzielen. Gute Ansatzpunkte bietet außerdem der Agrarsektor.

Als einer der Schwerpunkte in der verarbeitenden Industrie gilt aktuell der Chemiesektor. Geplant sind etwa Produktionen für erdgasbasierte Kraftstoffe, verschiedene Düngemittel sowie zahlreiche Grundchemikalien. In der Baustoffbranche steht der Einstieg in die Fertigung von Gipskartonplatten und Trockenbaustoffgemischen an. Außerdem besteht größerer Zulieferbedarf für die Stromerzeugung, die zukünftig verstärkt durch Kombikraftwerke erfolgen soll.

Lieferverträge mit Turkmenistan sollten unbedingt durch die Vereinbarung von Vorkasse oder durch ein bestätigtes Akkreditiv abgesichert werden. Der turkmenische Kunde erwartet mehr denn je, dass das Angebot des ausländischen Lieferanten eine günstige Finanzierung beinhaltet.

Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".

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