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Interview | Ukraine | Biogas

"Wir wollen die besten verfügbaren Technologien einsetzen"

Landwirtschaftliche Betriebe und Nahrungsmittelhersteller in der Ukraine realisieren neue Vorhaben. Dabei setzen sie auch auf Technik made in Germany, wie das Beispiel MHP zeigt.

Von Michał Woźniak | Berlin

Adomas Audickas, Leiter der Biotreibstoffsparte bei MHP Adomas Audickas, Leiter der Biotreibstoffsparte bei MHP | © MHP

Als Leiter der Biotreibstoffsparte verantwortet Adomas Audickas die Entwicklung des Biomethangeschäfts des ukrainischen Konzerns MHP. Das Unternehmen gehört zu den führenden Geflügelfleischherstellern Europas. Nun will es seine voll integrierte Wertschöpfungskette nutzen, um seine Energiebilanz nachhaltiger zu gestalten und sein Produktportfolio zu ergänzen - um Biotreibstoffe.

Herr Audickas, MHP ist im breit aufgestellten Agrar- und Nahrungsmittelsektor tätig. Wie würden Sie diesen in der Ukraine charakterisieren?

Die Ukraine ist ein großflächiges Land, entsprechend gibt es viele große Landwirtschaftsbetriebe. In Verbindung mit dem auch uns zunehmend plagenden Arbeitskräftemangel werden innovative Lösungen notwendig. Wie unsere Wettbewerber setzen wir beim Anbau auf Smart Farming Systeme zur Planung und Überwachung des Wachstumsprozesses. In der Produktion steigern wir die Effizienz wiederum durch Automatisierung. Manchmal dank Fremdlösungen, manchmal durch solche, deren Entwicklung wir selbst anstoßen.

So haben wir beispielsweise den auf künstlicher Intelligenz basierenden Smart Poltry Production Technologist Assistant zur Geflügelzucht entwickelt. Anhand zahlreicher Parameter – von Futterrezepturen über Stalltemperatur bis Luftqualität – liefert er Optimierungsvorschläge für die Tierhaltung. Nebenbei entdeckten wir das Konzept der "Hühnerzufriedenheit" und ihrer Auswirkung auf die Fleischqualität. Deswegen kommt dem virtuellen Tierzüchter auch die Aufgabe zu, die Stimmung in Geflügelställen zu messen.

Welche Investitionen plant MHP für die nächste Zukunft?

MHP ist ein vollintegriertes Unternehmen. Auf unserer 380.000 Hektar großen Anbaufläche in der Ukraine bauen wir Mais, Weizen und Sonnenblumen an. Diese verarbeiten wir sowohl zu Futtermehl, als auch zu Sonnenblumenöl für den Einzelhandel – in der Ukraine und im Ausland. Eine Hälfte unserer Fleischproduktion gelangt auch über unsere 1.800 Filialen zu ukrainischen Kunden. Die andere Hälfte geht in den Export – hauptsächlich nach Nordafrika und Nahost (MENA-Region), in die EU und ins Vereinigte Königreich.

Die Fleischproduktion findet in drei Produktionsanlagen statt. Sie sind mit modernsten Maschinen, auch solchen made in Germany ausgestattet. Um mehr Kunden anzusprechen, investieren wir momentan in ein Portfolio von Fertigprodukten, samt der notwendigen Produktions- und Verpackungsanlagen.

Eine noch größere Aufgabe steht Ihnen persönlich mit dem Ausbau der Biotreibstoffsparte bevor.

Das stimmt. MHP verfügt bereits über zwei Biogasanlagen mit Kapazitäten von 6 und 12 Megawatt. Diese sollen nun modernisiert und ergänzt werden – mit Anlagen zur Biomethanaufbereitung und zur Verflüssigung. In der Planung befinden sich zudem zwei weitere Biogasanlagen mit einer Kapazität von jeweils 20 Megawatt. Die Projekte sollten nächstes Jahr baureif entwickelt werden.

Wir wollen die besten verfügbaren Technologien einsetzen. Deswegen arbeiten wir beim Bau der Biogaswerke auch mit zahlreichen deutschen Anbietern zusammen. Unsere Anlagen werden unter anderem von Ellmann Engineering geplant, wir nutzen Betonbehälter von Wolf System, Produktionslösungen von ETW Energietechnik und TS Umweltanlagenbau, oder Automatisierungssysteme von Siemens.

In Deutschland haben Biotreibstoffe einen ambivalenten Ruf. Oft heißt es, mehr Biotreibstoffe bedeuten weniger Nahrungsmittel. Sehen Sie diese Gefahr nicht?

In unserer Wertschöpfungskette entstehen eine Menge Abfallstoffe, hauptsächlich Gülle und Stroh. Und nur diese werden in unseren Anlagen vergärt. Wir reduzieren nicht das Nahrungsmittelangebot sondern Abfallmengen. Mit diesen Ansatz ist MHP nicht alleine – der Großteil der ukrainischen Herstellung grüner Gase basiert auf Abfällen.

Dies deutet übrigens auch auf einen Nachteil des derzeitigen Technologieangebots hin. Der Biogasanlagenmarkt basiert weitestgehend auf Standardlösungen. Technologieanbieter entwickeln zumeist für ihren Heimatmarkt. Die Ukraine hat aber eigene Spezifikationen. Im Landwirtschaftssektor dominieren große Betriebe, womit auch große Biogasanlagen gebraucht werden. Wegen des hohen Gülleanteils verläuft der Vergärungsprozess auch anders als beispielsweise in den meisten Anlagen in Deutschland. Mit entsprechenden Anpassungen ließe sich deswegen auch die Effizienz steigern. Der Markt bietet viel Spielraum für maßgeschneiderte Lösungen.

Wie groß könnte der ukrainische Markt für Biogasanlagen werden? Laut Vizelandwirtschaftsminister Vitaly Holovnya könnte das Land 2030 bereits 1 Milliarde Kubikmeter Biomethan produzieren, 20 Jahre später sogar 16 Milliarden Kubikmeter.

Ich spreche gerne von der "drei-mal-fünf Revolution": Mit 5 Milliarden Euro Investitionen in den nächsten fünf Jahren könnten landesweit jährliche Kapazitäten von 5 Milliarden Kubikmetern Biomethan entstehen. MHP alleine plant binnen drei Jahren, jährliche Kapazitäten von 200 Millionen Kubikmeter aufzubauen.

Welche Förderung wäre dafür notwendig?

Wir brauchen keine Zuschüsse, sondern Absatzmöglichkeiten. Mit einem guten Businessplan lassen sich auch für Projekte in der Ukraine willige Geldgeber finden. Das entscheidende Schlagwort heißt dabei "Bankability". Die auf Selbstversorgung ausgerichtete Energiestrategie der Ukraine hilft mit der Finanzierungswürdigkeit. Wir brauchen aber auch internationale Abnehmer. Und hier stehen uns bisherige Regelungen oft im Wege.

So ist beispielsweise in Deutschland der Transport von Biomethan über das Gasnetz grundsätzlich nicht gestattet, der Transport per Lkw hingegen schon. Wir müssen das Biomethan also energie- und kostenaufwendig in der Ukraine verflüssigen und dann per Lkw zum deutschen Kunden transportieren. Dieser Ansatz trägt zum Klimawandel bei und diskriminiert die Ukraine trotz ihrer Mitgliedschaft in der Energiegemeinschaft. Das ihr zu Grunde liegende Prinzip der Nichtdiskriminierung ist bei Biomethan in der Praxis also nicht gegeben.

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