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Branchen | Ukraine | Wasserwirtschaft

Aufbau der Wasserwirtschaft kostet über 40 Milliarden Euro

Die ukrainische Wasserwirtschaft hat großen Nachholbedarf. Abwässer müssen besser gereinigt, Felder verstärkt bewässert und der Wassereinsatz zum Heizen effizienter werden.

Von Michał Woźniak | Berlin

Für die Modernisierung der Wasserver- und Abwasserentsorgung in der Ukraine bedarf es Investitionen von rund 40 Milliarden Euro bis zum Jahr 2032. Nach 18 Kriegsmonaten und dem Bruch des Kachowka-Staudamms muss diese vor fast genau einem Jahr veröffentlichte Prognose erheblich nach oben korrigiert werden. Wie Per Brodersen, Geschäftsführer der German Agribusiness Alliance beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, anhand ukrainischer Angaben vorrechnet, zerstörte der Dammbruch in der Region Cherson über 90 Prozent und in der Region Saporischschja rund 70 Prozent der Bewässerungsanlagen.

Ende Juni 2023 stellte die ukrainische Regierung ihre "Strategie zur Entwicklung der Landwirtschaft" vor, um Kriegsschäden zu beseitigen und die Produktivität in der Landwirtschaft zu verbessern. Sie beziffert den Investitionsbedarf auf über 52 Milliarden Euro. Davon entfallen knapp 7,4 Milliarden Euro auf Bewässerungssysteme. Bis zum Jahr 2033 sollen für von Dürre betroffene Agrarflächen in den südlichen und östlichen Landesteilen knapp 3.700 Euro je Hektar investiert werden. Davon 2.300 Euro in Bewässerungs- und Wasserverteilsysteme, die restlichen 1.400 Euro in Kanäle und Pumpstationen. Das Ministerium für Agrarpolitik und Nahrungsmittel hat bereits einige Partner für sein Vorhaben bekanntgegeben: Neben den heimischen Unternehmen Fregat, Variant Irrigation und Voda Ukrainy finden sich internationale Firmen wie JUB, Lindsay, Nelson, Netafim und Valley.

Von Notversorgung bis Anpassung an EU-Normen

40 Milliarden Euro

Investitionen benötigt die Wasserwirtschaft bis zum Jahr 2032

Der Investitionsbedarf der Wasser- und Abwasserwirtschaft ist vielfältig. Durch den russischen Angriffskrieg reicht er von der Notversorgung der Bevölkerung bis zur Anpassung der ukrainischen Abwasserwirtschaft an EU-Standards.

Zur Notversorgung gehören mobile Wasseraufbereitungsanlagen, beispielsweise eine von Kärcher, die seit Juni Einwohner der Region Mykolajiw mit bis zu 5.000 Litern sauberen Wassers pro Stunde versorgt. Um deren Betrieb zu gewährleisten, wurden ukrainische Spezialisten im THW-Trainingszentrum im niedersächsischen Hoya geschult.

Am oberen Ende der Skala befindet sich das Ziel der Anpassung der ukrainischen Abwasserwirtschaft an EU-Normen. Anfang 2023 passte das Parlament in Kiew mit der Annahme des Gesetzentwurfs Nr. 6478 die ukrainischen Regelungen zur Abwasserentsorgung an die EU-Ratsrichtlinie 91/271/EWG an. "Die Verabschiedung dieses Gesetzesentwurfs wird das nachhaltige Funktionieren von Entwässerungssystemen sicherstellen, die Qualität der Dienstleistungen in diesem Bereich verbessern und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt verringern", kommentierte die stellvertretende Ministerin für Gemeindeentwicklung, Territorien und Infrastruktur Nataliya Khotsyanivska.

Ein Schritt in die richtige Richtung, denn es bleibt viel zu tun. Viele Ortschaften sind nur teilweise an die Kanalisation angeschlossen, in Grechany beispielsweise weniger als jeder vierte der über 2.000 Haushalte. Die in Klärgruben gesammelten Abwasser werden mitunter nicht rechtzeitig abgepumpt, laufen über und verschmutzen umliegende Gewässer.

Projekte von klein bis sehr groß

Andernorts werden bereits Projekte geplant. Die Region Wolyn erhält aus dem Regionalfonds für Umweltschutzmaßnahmen über 155.000 Euro für den Bau einer Kläranlage in Torchyn, Reparaturen von Kläranlagen in der Gemeinde Zuman und einige Abwasserleitungsprojekte.

In Butscha bei Kiew wird eine Kläranlage gebaut, die nicht nur energieautark funktionieren soll. "Bei Bedarf wird sie die Gemeinde mit Energie und Wärme versorgen", erklärte die Ziele Serhiy Mostipaka, Leiter des Kommunalunternehmens Buchaservice, gegenüber dem Nachrichtenportal EcoPolitic.

In Saporischschja wurde im Juni der Wiederaufbau der "Zentralen Kläranlage Nr. 2" im Wert von über 100.000 Euro an Omega Vest Treyd vergeben. Den Auftrag im Wert von über 3,8 Millionen Euro für den Neubau der externen Wasserversorgungs- und Abwassernetze des Industrieparks Chmelnyzkyj sicherte sich nur wenige Wochen später BudAlliance.

Bereits im April 2023 genehmigte die Europäische Investitionsbank zusätzliche 20 Millionen Euro für den Ausbau des Wasserversorgungs- und Entwässerungssystems in Mykolajiw. Das Geld soll vor allem für den Wiederaufbau von Wasseraufbereitungsanlagen und einer Wasserpumpstation sowie den Bau eines Lagerbeckens für Sedimente genutzt werden. Die Mittel sind Teil des Darlehensprogramms "Municipal Infrastructure Development Program of Ukraine" (PRMIU) mit einem Gesamtvolumen von 400 Millionen Euro.

Bei der Finanzierung aufs Ausland angewiesen

Nur für wenige kommunale Projekte finden sich Finanzmittel im Staatshaushalt. Die meisten Projekte können bloß dank ausländischer Geber realisiert werden. Die höchsten Geldbeträge stellt die Europäische Union zur Verfügung, darunter Deutschland. Erst Anfang August gewährte die Entwicklungsbank KfW der Region Tscherniwzi einen Zuschuss von knapp 15 Millionen Euro für die Verbesserung der Wassermanagementinfrastruktur.

Seit Frühjahr 2023 erarbeitet die Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregierung (IKI) zusammen mit der Europäischen Investitionsbank und dem ukrainischen Ministerium für Wiederaufbau Kriterien für die Auswahl der Anträge von Wasserversorgungsunternehmen, die sich am Programm zur Sanierung und Modernisierung des Wasser- und Abwassersektors beteiligen wollen. Diese können sowohl Fachwissen und Finanzhilfen rechnen.

Weitere Projekte in der ukrainischen Wasserwirtschaft:
  1.  Ausschreibungsdatenbank der GTAI
  2.  Ukrainische Ausschreibungsplattform DREAM
  3.  KfW Entwicklungsbank
  4.  Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregierung (IKI
  5.  Europäische Investitionsbank
  6.  Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
  7.  Nefco - Nordic Green Bank 

Chancen bei Fernwärme

Die IKI engagiert sich nicht nur in der Wasserwirtschaft. Seit April 2023 läuft ihr Programm ReWarm. Laut ihren Angaben versorgen heute 254 Fernwärmeunternehmen insgesamt 26 Millionen Menschen in der Ukraine – mehr als zwei Drittel der Bevölkerung.

Im Fokus steht der Sektor auch beim Ukrainisch-Dänischen Energiepartnerschaftsprogramm. Es unterstützt beispielsweise den Wiederaufbau der Wärmeinfrastruktur nach den letztjährigen Angriffen auf Mykolajiw. Auch bei der Nefco befinden sich zahlreiche Projekte in der Ausschreibungsphase.

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