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Branchen | Ukraine | Bergbau und Rohstoffe

Rohstoffreichtum der Ukraine in Gefahr

Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Kampf um die Rohstoffe. Das Land hat große Vorkommen an Eisen, Titan und Lithium, die nun zum Teil von Russland kontrolliert werden.

Von Gerit Schulze | Berlin

Die Wirtschaftskraft der Ukraine beruht auf reichen Rohstoffvorkommen. Lagerstätten für Eisenerze, Steinkohle und Erdgas sorgten vor Kriegsausbruch dafür, dass sich das Land mit Energie und Stahl weitgehend selbst versorgen konnte. Im Jahr 2020 förderte die Ukraine 100 Millionen Tonnen Rohstoffe und lag damit weltweit auf Platz 25 (Quelle: World Mining Data, 2022). Rund die Hälfte davon entfiel auf Eisen und Ferrolegierungen, weitere 43 Prozent auf mineralische Brennstoffe wie Öl und Gas.

Bei Titan und Kaolin in weltweiter Spitzengruppe

Enormes Potenzial haben die Lithium- und Titanlagerstätten sowie unerschlossene Öl- und Gasfelder. Nicht umsonst hatte die EU 2021 eine strategische Rohstoffpartnerschaft mit der Ukraine geschlossen. Denn bei 22 der 30 von der EU als kritisch eingestuften Rohstoffe verfügt die Ukraine über Vorkommen. Das sagte Premierminister Denys Schmyhal bei der Raw Materials Week im November 2022 in Brüssel. Sein Land könnte integraler Bestandteil der industriellen Beschaffungsketten in der EU werden. Nach Schmyhals Ausführungen gehörte die Ukraine 2021 zu den zehn größten Produzenten von Titan, Eisenerz, Kaolin, Mangan, Zirconium und Graphit.

Förderung ausgewählter Rohstoffe in der Ukraine

Förderung in 1.000 t (2020)

Weltmarktanteil in %

Titan (Titandioxid)

537

6,4

Kaolin

1.681

4,0

Mangan

699

3,6

Eisenerze

49.274

3,2

Uran (Tonnen)

877

1,6

Zirkon (Zirconium)

16

1,3

Graphit

10

1,1

Gips und Anhydrit

1.529

0,9

Salz

2.100

0,8

Kokskohle

6.435

0,6

Bentonit

125

0,6

Erdgas (Mio. cbm)

20.171

0,5

Kesselkohle

17.734

0,3

Erdöl

2.430

0,1

Quelle: World Mining Data 2022, Österreichisches Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, 2022

Laut Nationalem Verband der Rohstoffförderer (NEIAU) zählt die Ukraine bei den gesicherten Titanreserven zu den zehn wichtigsten Standorten der Welt. Bislang sind 30 Lagerstätten erkundet. Bei Lithium entfällt nach NEIAU-Angaben ein Drittel der erkundeten Vorkommen in Europa auf die Ukraine.

Russland hat wichtige Förderstätten okkupiert

Doch schon seit 2014 kontrolliert Russland große Teile der Lagerstätten in den Gebieten Donezk und Luhansk. Mit dem Angriffskrieg im Februar 2022 hat sich die Lage verschärft. Nach Erhebungen der kanadischen Denkfabrik SecDev besetzt Russland ukrainische Rohstoffvorkommen im Wert von 12,4 Billionen US-Dollar (US$), darunter 41 Kohleminen, 27 Gaslagerstätten, 9 Ölfelder und 6 Eisenerzvorkommen. Außerdem blockieren die Besatzer Kalksteinlagerstätten, die für die Stahlproduktion im Land benötigt werden.

Bei einigen Rohstoffen wie Kohle oder Salz ist die Ukraine nun auf Importe angewiesen. Da Russland die Seehäfen am Schwarzen Meer blockiert (bis auf einige Getreideterminals), verursachen die Transporte aus dem Ausland hohe Kosten.

Außerdem halten sich Investoren mit der Erschließung neuer Lagerstätten zurück, solange der russische Beschuss andauert. Laut dem Fachportal GMK Center hatte bis Sommer 2022 die Hälfte der ukrainischen Rohstoffförderer ihre Arbeit eingestellt. Um zerstörte Förderanlagen zu reparieren und betroffene Unternehmen zu unterstützen, wurde die Initiative "Bergbaufront" gegründet. Sie sitzt in Wien und sammelt Geld für den Wiederaufbau zerstörter Lagerstätten.

Erschließung künftig umweltschonender geplant

Perspektivisch setzt Kiew weiter auf den Rohstoffreichtum des Landes. Eine interaktive Karte des Geologischen Dienstes umfasst 1.000 Lagerstätten mit strategisch wichtigen Rohstoffen. Umweltminister Ruslan Strilez kündigte im Herbst 2022 an, dass bei der Erschließung der Vorkommen künftig mehr Wert auf Umweltschutz gelegt und der Kohlendioxidausstoß verringert werden soll. Die mineralischen Ressourcen sind auf der Webseite “Mineral Resources of Ukraine” dokumentiert. Eine Übersicht der wichtigsten Lagerstätten für kritische Bodenschätze hat das Ukrainian Geological Survey zusammengestellt.

Insgesamt verfügt die Ukraine laut dem Branchenmagazin Mining World über rund 20.000 Rohstoffvorkommen, von denen 7.800 erforscht sind. Besonders interessant sind drei Lithiumlagerstätten, die nach Untersuchungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften 500.000 Tonnen des Leichtmetalls enthalten. Der wichtigste Fundort Schewtschenko (Shevchenkivske) liegt im westlichsten Zipfel des Gebiets Donezk und ist nur wenige Kilometer von der Frontlinie entfernt. 

Die potenziellen Investoren für diese Fundorte halten sich angesichts des Krieges mit der Erschließung zurück. Zu ihnen gehört die polnische-ukrainische Investmentgesellschaft Millstone&Co. Damit sind auch die Pläne der Ukraine gefährdet, ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette für Europas Batterieproduzenten zu werden.

Auch in Kriegszeiten neue Lizenzen vergeben

Zuständig für die Entwicklung der Lagerstätten ist die staatliche Ukrainian Geological Survey (Dershgeonadra). Im Kriegsjahr 2022 versteigerte die Behörde 65 Lizenzen für Erschließung und Förderung, darunter Granit-, Ton-, Bernstein- und Salzvorkommen. 

Erfolgreiche Auktionen für die Vergabe von Rohstofflizenzen im Jahr 2022 (Auswahl)

Lagerstätte / Region

Rohstoffe

Auktionsgewinner

Mayorivska / Poltawa

Erdgas, Gaskondensat

Naftogazdiya (DTEK)

Birkivsko-Zinkivska / Poltawa

Erdgas, Gaskondensat

Naftogazregion (DTEK)

Rybnyzka / Iwano-Frankiwsk

Erdgas, Gaskondensat

Ukrgasvydobuvannya (Naftogaz)

Sarny / Riwne

Bernstein

UA CoalTradeCompany

Tjatschiw / Transkarpatien

Steinsalz

Olymp Finance Group

Sarny / Riwne

Bernstein

Amberprom

Obuchiw / Kiewer Gebiet

Quarzsand

Korkop Wydobuwannja

Tachtaiske / Poltawa

Granit, Migmatit

Geoatomexpert

Schepetiwka / Chmelnyzkyj

Granit

Kontur

Browary / Kiewer Gebiet

Sand

TOW Oktawa

Tschortkiw / Ternopil

Lehm, Ton, Kalkstein

TOW Bertnyky Kamin

Quelle: Dershheonadra (www.geo.gov.ua), 2023

Eine der größten Transaktionen 2022 war der Verkauf der Erdgaslagerstätte Mayorivska im Gebiet Poltawa für über 28 Millionen Euro. Die ukrainische Erdgasförderung lag 2022 bei 18,5 Milliarden Kubikmeter und damit etwas unter dem langjährigen Durchschnitt von rund 20 Milliarden Kubikmetern. Marktführer Naftogaz will 2023 seine Investitionen in die Förderung des Brennstoffs um 15 Prozent erhöhen. Das Tochterunternehmen Ukrgasvydobuvannya weitet die Erschließung neuer Felder aus und hatte im September 2022 einen neuen Monatsrekord mit 30.222 Metern vorgetriebener Bohrlöcher aufgestellt.

Transkarpatien lässt große Salzlagerstätte erschließen

Ein wichtiges Rohstoffvorhaben ist die Erschließung einer neuen Salzlagerstätte im Gebiet Transkarpatien durch das Unternehmen Kation Invest LLC. Wie die Regionalverwaltung im August 2022 mitteilte, könne das Vorkommen in Buschtyno den Inlandsbedarf an Streusalz für die Straßen im Umfang von 450.000 Tonnen komplett decken. Vor Kriegsausbruch war das Staatunternehmen Artyomsol in Soledar (Gebiet Donezk) einer der größten Salzproduzenten Europas, musste im April 2022 aber wegen der russischen Invasion die Förderung einstellen.

Ausländische Investoren bei Exploration willkommen

Möglichkeiten für eine Beteiligung an der Rohstofferschließung:


  • Partnerschaft mit bestehenden Lizenzinhabern
  • Konzession für Erschließung und Förderung über einen Zeitraum von 20 Jahren (Vergabe über elektronische Auktionsverfahren)
  • Production Sharing Agreement (PSA): Abkommen mit der Regierung für bis zu 50 Jahren mit garantierten stabilen Rahmenbedingungen und internationalen Schlichtungsklauseln

Investitionsanreize


  • Bis zu 30 Prozent Investitionszuschuss
  • Grundstücksübertragung
  • Bau der Infrastruktur durch den Staat

Voraussetzungen


  • Mehr als 20 Millionen Euro Investition
  • Mehr als 80 neu geschaffene Arbeitsplätze
  • Verarbeitung und Anreicherung von Rohstoffen
  • Umsetzung des Vorhabens innerhalb von fünf Jahren
  • Mehr als 30 Prozent der Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter (CapEx)

Quelle: Ukrainian Geological Survey


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