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Start-up-Szene in der Ukraine wächst trotz Krieg

Die ukrainische Start-up-Szene prescht voran: Das Ökosystem wird besser, die Start-ups wertvoller. Nachholbedarf gibt es noch bei der Finanzierung.

Von Waldemar Lichter | Warschau

Die Start-up-Szene der Ukraine trotzt dem russischen Angriffskrieg. Die Bewertung ukrainischer Start-ups hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Von bescheidenen 2,9 Milliarden Euro im Jahr 2017 ist deren Wert bis 2023 auf rund 28 Milliarden Euro gestiegen, so ein Bericht der globalen Daten- und Analyseplattform Dealroom zur Entwicklung der Branche in Mittel- und Osteuropa. Das Land gehört damit zu den Top 3 der Region: gleichauf mit Estland und nur hinter Polen, dessen Start-up-Szene mit 49 Milliarden Euro bewertet wurde.

Auch 2024 haben sich die ukrainischen Start-ups positiv entwickelt und konnten im dritten Kriegsjahr umgerechnet 287 Millionen Euro an neuen Investitionen anziehen, meldet die Onlineplattform AIN. Rund 80 Prozent der Mittel entfielen auf drei Empfänger: Creatio, Viseven und das britisch-ukrainische Carmoola.

Verteidigungssektor kurbelt Innovationskraft an

Einen Schub erleben Start-ups im Verteidigungssektor. Über 300 entwickeln militärische Innovationen, darunter durch künstliche Intelligenz (KI) gestützte Drohnen und Cyberabwehrsysteme. Investitionen kommen auch aus dem BRAVE1-Cluster, einer von der Regierung ins Leben gerufenen Plattform. Sie ist zentrale Anlaufstelle für die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen, Start-ups, Unternehmen, Investoren und internationalen Partnern.

Aber auch der Bereich Green Tech und Agri Tech bietet Chancen für Start-ups, die sich mit Themen wie nachhaltiger Landwirtschaft und Technologien, mit Klimainnovationen oder mit Energiemanagement beschäftigen. Beispiele sind Rekava (biologisch abbaubare Produkte), Ecofactor (Technologien für E-Auto-Ladestationen) oder Profeed (KI-gestützte Systeme zur Automatisierung von Fütterungsprozessen).

Rahmenbedingungen werden besser

Ungeachtet der aktuellen Herausforderungen werden die Ukraine und eine Reihe ukrainischer Städte im weltweiten Vergleich zu attraktiven Standorten für die Gründung von Start-ups gezählt. Laut dem Global Startup Ecosystem Index der Analyseplattform StartupBlink gehört die Hauptstadt Kyjiw zu den Top 35 der am besten entwickelten urbanen Start-up-Ökosysteme weltweit. Zweitplatziert unter den ukrainischen Standorten ist Lwiw. In den globalen Top 1.000 sind außerdem Charkiw, Dnipro, Odessa und Winnyzja vertreten. 

Internationale Fonds engagieren sich in der Ukraine

Das Interesse internationaler Fonds an ukrainischen Start-ups hält an. Mehrere westliche Fonds werden sich auch 2025 engagieren, insbesondere in Technologie- und Innovationsbereichen. Dazu gehört etwa Horizon Capital. Horizon ist der größte Private-Equity-Fonds in der Ukraine. Er wird von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und der Weltbank-Tochter IFC unterstützt. Dieser Fonds spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstützung von Start-ups und wachstumsstarken Unternehmen. Beispiele sind die Start-ups Preply, GoIT und Viseven.

Weitere in der Ukraine engagierte internationale Fonds sind der amerikanische Green Flag Ventures (Start-ups mit dualen Nutzungstechnologien) oder der Ukraine-Moldova American Enterprise Fund (Programme wie U.Ventures Seed- und Pre-Seed-Finanzierungen). Daneben können private Unterstützungsprogramme genutzt werden. Dazu zählt der Google for Startups Ukraine Fund. 

EU und Deutschland unterstützen ukrainische Start-ups

Förderung gibt es auch von der EU. So stellt der European Innovation Council (EIC) ukrainischen Start-ups Zuschüsse zur Verfügung. Der EIC ist das führende Innovationsprogramm der EU. Der deutsche Business-Angel-Fond Ukraimpulse Ventures bietet Start-ups Anfangsinvestitionen zwischen 10.000 und 50.000 Euro an.

Hohe Anforderungen bei ausländischer Finanzierung

Die Finanzierung durch ausländische Geldgeber ist aber generell schwierig geworden. Gefordert wird häufig, dass ukrainische Unternehmen im Ausland registriert sein müssten, um Zugang zu internationalen Investitionen zu erhalten. Investoren bevorzugen rechtliche und wirtschaftliche Stabilität, die sie in anderen Ländern als sicherer empfinden.

Schwierigkeiten, Kapital zu beschaffen, haben vor allem Start-ups in der Frühphase, da sich Investoren lieber auf etablierte Unternehmen konzentrieren. Der Rückgang des verfügbaren Risikokapitals hat dazu geführt, dass Start-ups oft auf staatliche Förderprogramme oder internationale Hilfsprojekte angewiesen sind.

Nach Schätzungen gib es rund 2.600 aktive Start-ups mit ukrainischen Wurzeln. Davon ist der größte Teil in der Ukraine selbst registriert und tätig. Etwa 600 sollen im Ausland aktiv sein. Beliebteste Ziele für eine Ansiedlung im Ausland sind vor allem Polen, aber auch die USA, Deutschland, Kanada und Estland. Acht Start-ups mit ukrainischen Wurzeln haben den Unicorn-Status erreicht, also eine Bewertung von über 1 Milliarde US-Dollar. Grammarly hat diese Schwelle sogar schon um mehr als das Zehnfache überboten und gilt deswegen als Decacorn.

Die am höchsten bewerten Start-ups mit ukrainischen Wurzeln

Start-up

Produkt

Bewertung in Mio. US$

Firmensitz

Grammarly

Digitaler Schreibassistent

13.000

San Francisco, USA

GitLab

Plattform zur automatischen Softwareentwicklung (DevSecOps)

4.000

San Francisco, USA

CreatioNo-Code-Plattform für Workflow-Automatisierung

1.200

Boston, USA

AirSlate

Softwarelösungen für Dokumenten-Workflow

1.300

Brookline, USA

People.ai

Softwaregestützte Ertragsanalysen

1.100

Redwood City, USA

Unstoppable Domains

Domain-Verwaltung

1.000

San Francisco, USA

BitFury Group

Infrastruktur und Abwicklung von Blockchain-Prozessen

1.000

Amsterdam, Niederlande

Restream

Plattform für Multistreaming

200 bis 300

Austin, USA

PreplyE-Learning

200 bis 300

Brookline, Massachusetts, USA
Quelle: Dealroom.co 2024

Lokale Investoren fehlen, staatliche Mittel sind unzureichend

Ukrainische Start-ups stehen jedoch auch im Jahr 2025 vor Herausforderungen. Zentrales Problem bleibt die Finanzierung, da lokale Investoren fehlen und internationale Kapitalgeber oft rechtliche Risiken fürchten. Strom- und Internetausfälle sowie die Mobilisierung von Fachkräften beeinträchtigen den Betrieb vieler Unternehmen. Fachkräftemangel und rechtliche Unsicherheiten erschweren das Wachstum.

Die ukrainische Regierung ist bemüht ihre Start-ups zu unterstützen. Der Ukrainian Startup Fund (USF) vergibt Zuschüsse an innovative Projekte in den Bereichen Verteidigung, Cybersicherheit, Gesundheit und Bildung. Zusätzlich fördert die Polish-Ukrainian Startup Bridge ukrainische Start-ups mit bis zu 24.000 Euro. Die staatliche Finanzierung für ukrainische Start-ups gilt allerdings als unzureichend, da die bereitgestellten Mittel oft nicht den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen und Förderbeträge zu gering sind. Bürokratische Hürden erschweren zudem den Zugang zu Fördergeldern sowie internationalen Märkten.

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