Branchenbericht | Ukraine | Forstwirtschaft, Holzbearbeitung
Ukrainische Wälder sollen mehr Erträge einbringen
Die Ukraine reformiert ihre Forstwirtschaft und orientiert sich dabei an europäischen Erfahrungen. Die Waldbewirtschaftung soll effizienter werden.
20.09.2022
Von Gerit Schulze | Berlin
Die ukrainischen Wälder sollen dem Land in Zukunft mehr Erträge sichern. Dafür beschloss das Ministerkabinett im September 2022 eine Reform der Forstwirtschaft. Von den bislang 24 Landesforstämtern bleiben neun übrig. Die 158 Forstbetriebe fusionieren zum Staatsbetrieb "Forests of Ukraine". Erlöse soll der neue Konzern nicht nur durch den Verkauf von Holz erzielen, sondern auch durch die Vermarktung von Ökoprodukten und mit touristischen Angeboten.
Die neue Struktur orientiert sich an den Erfahrungen Polens und der baltischen Republiken. Ziel ist es, die Wälder effizienter zu bewirtschaften, mehr Investitionen anzulocken und neue Technologien in der Branche einzuführen, teilte der Leiter der staatlichen Forstbehörde, Jurii Bolochowez, mit.
Geringer Waldbestand im europäischen Vergleich
Im europäischen Vergleich hat die Ukraine einen relativ geringen Waldbestand. Die bewaldete Fläche ist sogar kleiner als in Deutschland, obwohl das Land fast doppelt so groß ist. Das Umweltministerium der Ukraine ordnete per Erlass Nr. 494 schon am 22. Juli 2021 an, dass die Bewaldung mindestens einen Wert von 20 Prozent der Landesfläche erreichen soll (aktuell 16 Prozent).
Kennziffer | Ukraine | Deutschland |
---|---|---|
Waldfläche in Mio. Hektar | 9,6 | 10,7 |
Anteil an der Gesamtfläche in % | 16 | 30 |
Anteil Privatwald in % | 0 | 48 |
Besonders dicht steht der Wald schon heute in den westlichen Regionen wie Transkarpatien und Iwano-Frankiwsk. Da ein großer Teil der Holzernte in der Westukraine eingefahren wird, wo keine Kampfhandlungen stattfinden, kann sich die Branche auch in Kriegszeiten entwickeln.
Im 1. Halbjahr 2022 ernteten die ukrainischen Forstbetriebe 5,1 Millionen Kubikmeter unbearbeitetes Holz. Das waren 1,6 Millionen Kubikmeter weniger als im Vorjahreszeitraum. Rund 4,4 Millionen Kubikmeter Rohholz konnten verkauft werden. Die Erlöse betrugen 8,5 Milliarden Hrywnja (233 Millionen Euro, Wechselkurs der ukrainischen Nationalbank am 19. September 2022: 1 Euro = 36,46 Hrywnja),. Dabei lagen die Preise fast ein Drittel über dem Wert des Vorjahres. Um die Korruption beim Holzhandel einzudämmen, wird Rohholz seit diesem Jahr nur noch über elektronische Auktionen verkauft.
Präsident macht Aufforstung zur Chefsache
Präsident Wolodymyr Selenskyj erließ im Juni 2021 ein Dekret zur Aufforstung. Im Rahmen des Programms "Zelena kraina" sollen innerhalb von drei Jahren eine Milliarde neue Bäume gepflanzt werden und die Waldfläche in zehn Jahren um eine Million Hektar anwachsen. Bis Frühjahr 2022 wurden im Rahmen des Programms rund 175 Millionen neue Bäume gesetzt, die Hälfte davon in den Regionen Schytomyr, Riwne und Tschernihiw.
Nach Einschätzung des ukrainischen Umweltministeriums leidet die Forstwirtschaft des Landes unter fünf Hauptproblemen:
- Unterfinanzierung
- Fehlende zuverlässige Informationen über den Zustand der Wälder
- Geringer Waldbestand
- Niedrige Arbeitsproduktivität in der Forstwirtschaft
- Geringer Mechanisierungsgrad bei der Waldbewirtschaftung und Holzernte
Privateigentum an den Wäldern ist auch mit der aktuellen Reform nicht geplant. Die ukrainischen Waldbestände bleiben in staatlichem Besitz, eine Privatisierung der Staatsforste ist verboten. Die Aktien des neuen Forstbetriebs "Forests of Ukraine" hält zu 100 Prozent der Staat.
Der Waldkodex der Ukraine schreibt vor, dass Forstbetriebe die Wälder nach internationalen Standards bewirtschaften und zertifizieren lassen müssen. Das soll eine nachhaltige Forstwirtschaft sicherstellen. In der Ukraine hat sich die Zertifizierung nach dem in Bonn ansässigen Forest Stewardship Council (FSC) durchgesetzt. Derzeit ist mehr als ein Drittel des Waldbestandes zertifiziert. Nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges im Frühjahr 2022 wurde die Zertifizierung zunächst ausgesetzt. |
Krieg sorgt für mehr Waldbrände
Russlands Angriffskrieg sorgt für mehr Brände in den ukrainischen Wäldern. Die staatliche Forstbehörde registrierte bis Ende August 2022 über 120 größere Brände. Davon seien 70 Prozent durch Raketen- oder Artilleriebeschuss verursacht worden. Die Forstämter investieren daher weiter in den Ausbau von Brandschneisen und Schutzstreifen ohne Brandlasten wie Totholz und Sträucher.
Probleme bereiten den Forstämtern Kampfmittelreste, die teilweise Waldbewirtschaftung und Holzeinschlag verhindern. Außerdem fehlen Transportkapazitäten wie Lastwagen, Treibstoff und Fahrer. Ende August 2022 schätzte die staatliche Forstbehörde die Kriegsschäden für die Branche auf rund 500 Millionen Euro.
Regierung strebt höhere Wertschöpfung an
Ein wichtiges Ziel der Reformen in der Forstwirtschaft ist es, die Verarbeitungstiefe in der Ukraine zu erhöhen. Wie viel Potenzial eine größere Wertschöpfung hat, zeigen Berechnungen der Regierung: 2021 konnte eine Tonne Rundholz für rund 90 Euro verkauft werden, Sperrholzplatten dagegen für 670 Euro und Möbel für über 2.800 Euro je Tonne.
Bei den Holzauktionen im August 2022 wurden 586.000 Tonnen Rundholz für 1,58 Milliarden Hrywnja verkauft (43,3 Millionen Euro). Das entsprach einem Verkaufspreis von 74 Euro je Tonne.
Im Rahmen des eRobota-Programms verteilt die ukrainische Regierung Fördermittel an Industrieunternehmen, darunter Holz verarbeitende Betriebe. Der Staat stellt dabei Finanzhilfen von bis zu 8 Millionen Hrywnja zur Anschaffung von Produktionsausrüstungen zur Verfügung.
Vorbild für einen Ausbau der Holzverarbeitung ist Polen: Während die Möbelexporte der Ukraine 2021 einen Wert von 875 Millionen Euro hatten, erreichte das Nachbarland bei ähnlich großer Waldfläche einen Ausfuhrwert von 15,4 Milliarden Euro.
2010 | 2015 | 2021 | |
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Holzeinschlag, in 1.000 cbm | 18.065 | 21.924 | 17.649 |
industrielles Rundholz | 7.536 | 8.303 | 8.215 |
Brennholz | 8.610 | 10.965 | 8.452 |
Holzexporte vor dem Krieg auf Rekordhoch
Holz ist ein wichtiges Exportprodukt der Ukraine. Im Jahr 2021 erreichten die Ausfuhrerlöse mit gesägtem oder geschältem Holz (Zolltarifposition HS 4407) einen Wert von 676 Millionen US-Dollar (US$). Das war das beste Ergebnis der letzten zehn Jahre. Die größten Abnehmerländer waren China, Ungarn und Italien. Hohe Exporteinnahmen von 276 Millionen US$ erzielte die Ukraine 2021 außerdem mit Furnierblättern (HS 4408). Mit der Ausfuhr von Brennholz, Holzabfällen und Pellets konnte das Land über 122 Millionen US$ einnehmen. Diese Produkte gingen vor allem nach Rumänien, Polen und Deutschland.