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Zuständige Gerichte

Germany Trade & Invest (Stand: 07.01.2019)

Ist der deutsche Unternehmer gezwungen, seine Forderungen gerichtlich durchzusetzen, muss er den ungarischen Dienstleistungserbringer vor dem zuständigen Gericht verklagen. Bei Gerichtsprozessen zwischen Parteien aus verschiedenen Staaten muss hierzu geklärt werden, ob die Gerichte des einen oder des anderen Staates den Streit entscheiden dürfen.

Das Gericht, vor dem man klagt (oder verklagt wird), muss also international zuständig sein. Die Frage nach dem Ort, an dem in diesem Staat geklagt werden kann bezeichnet man als örtliche Zuständigkeit des jeweiligen Gerichts. Schließlich ist noch zu klären, ob es speziellen Gerichten vorbehalten ist, in dem Fall zu entscheiden (sachliche Zuständigkeit). Dies kann sich beispielsweise nach Art oder Höhe der Forderung richten.

Internationale Zuständigkeit

Bei Streitigkeiten zwischen ungarischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern richtete sich in Fällen (vor dem 10.2.2015) einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Frage der internationalen und örtlichen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG--Europäische Gemeinschaft) Nr.--Nummer 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO - Brüssel-I-Verordnung). Die Brüssel-I-Verordnung wurde zum 10.1.2015 durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (genannt Brüssel-Ia-Verordnung) ersetzt.

Gerichtsstandsvereinbarungen sind dabei grundsätzlich zulässig. Darunter versteht man eine Vertragsklausel, die bestimmt, an welchem Ort oder vor welchem Gericht bei Streitigkeiten geklagt werden darf. Es ist also möglich, mit einer Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts vertraglich zu bestimmen.

Auch wenn gemäß Artikel 25 EuGVVO nicht nur schriftliche Gerichtsstandsvereinbarungen möglich sind, ist eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien jedoch ratsam. Auch bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung kann sich deren Unwirksamkeit bei bestimmten Angelegenheiten, zum Beispiel Versicherungs- und Verbraucherverträgen, ergeben.

Fehlt eine Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag, sind nach Artikel 4 EuGVVO grundsätzlich die Gerichte des Wohnsitzstaates des Beklagten international zuständig. Für juristische Personen wie zum Beispiel eine GmbH wird (mangels Wohnsitzes) auf den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung abgestellt.

Einen detaillierteren Überblick über die EuGVVO (Brüssel-Ia-Verordnung) bietet der Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen in deutscher Sprache. Denkbar sind im Ergebnis also Fälle, in denen bei Streitigkeiten deutscher Dienstleistungsempfänger mit ungarischen Dienstleistern vor einem ungarischen Gericht zu klagen wäre:

  1. Eine (wirksame) Gerichtsstandsvereinbarung sieht dies ausdrücklich vor oder
  2. beim Fehlen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung lässt sich die internationale Zuständigkeit des ungarischen Gerichts ggf.--gegebenenfalls direkt aus der EuGVVO ableiten.

In diesen Fällen stellt sich für den deutschen Dienstleistungsempfänger die Frage, nach der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des ungarischen Gerichts.

Örtliche und Sachliche Zuständigkeit

Das Jahr 2012 brachte eine große Reform der Gerichtsverwaltung in Ungarn (Act CLXI of 2011 on the Organisation and Administration of the Courts). Unter anderem wurde mit der sogenannten Kúria ein neues Spitzenorgan der ungarischen Justizverwaltung geschaffen (The Curia of Hungary).

Zudem waren und sind die Änderungen im Fokus internationaler Expertengremien, etwa der Venedig Kommission, die das ungarische Richter- und Gerichtsgesetz (CLXI/2011) im Jahr 2012 ausführlich überprüft hatte (siehe hierzu die Meldung vom 30.05.2012: Internationaler Expertenbericht nimmt Ungarns Justizreformen unter die Lupe).

Informationen zu Reformen und neue Zuständigkeiten innerhalb der ungarischen Justiz enthält das ungarische Gerichtsportal Bíróság in englischer Sprache. Das Europäische Justizportal der EU gibt in deutscher Sprache Auskunft über Gerichtshierarchie und Gerichtsorganisation in Ungarn.

Die gerichtliche Zuständigkeit in Ungarn beruht vor allem auf diesen Rechtsgrundlagen:

Die ungarische Gerichtsverfassung ist vierstufig gegliedert mit einem dreifachen Instanzenzug. Das Gerichtssystem setzt sich, von der Spitze her betrachtet, zusammen aus (§ 8 ung.ZPO):

  • dem Obersten Gericht (Legfelsőbb Bíróság)
  • den Tafelgerichten (Ítélőtábla in Budapest, Pécs, Szeged, Debrecen, Győr)
  • dem Hauptstädtischen Gericht (Fővárosi Bíróság) und den Komitatsgerichten (Megyei Bíróság) sowie
  • den örtlichen Gerichten oder Amtsgerichten (Helyi Bíróság - Stadt- und Stadtbezirksgerichte vergleichbar den deutschen Amtsgerichten).

Nur scheinbar getrennt davon findet man die Arbeitsgerichte (Munkaügyi Bíróság). Mangels eigenständiger Verwaltungsgerichtsbarkeit werden Verwaltungsstreitverfahren ebenfalls vor den ordentlichen Gerichten geführt.

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach ungarischem Recht zunächst nach dem Wohnort des Beklagten, bei einer juristischen Person entsprechend nach deren Sitz (§ 25 ung. ZPO). Daneben gibt es einige gesetzlich vorgesehene Fälle, in denen dem Kläger eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Gerichtsstandes zugestanden wird (§§ 25-30 ung. ZPO).

Die sachliche Zuständigkeit sieht in erster Instanz grundsätzlich die Zuständigkeit der örtlichen oder Amtsgerichte vor (§§ 20 - 24 ung. ZPO sowie Vorschriften des GerOrgG (§ 16 folgende). Bestimmte Sachbereiche werden aber von vornherein den Komitatsgerichten zugewiesen, Hierzu zählen etwa:

  • vermögensrechtliche Prozesse ab einem bestimmten Streitwert (§§ 23 folgende ung. ZPO)
  • gewisse Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes
  • Überprüfung von Wirtschaftsgesellschaftsbeschlüssen
  • Fälle der Haftung des Staates
  • Abwehr der Zwangsvollstreckung

Die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung sieht die ungarische Zivilprozessordnung ausdrücklich in Vermögensstreitigkeiten vor, und zwar in ihrem § 27 . Demnach ist aber nur eine abweichende Vereinbarung eines Gerichtsstandes in Ungarn möglich; es gelten aber relativ strenge Vorgaben für deren Form.

Nach der seit dem 01.01.2018 in Kraft getretenen Reform der Zivilprozessordnung sind nun Sammelklagen als kollektive Rechtsdurchsetzung nach den §§ 580 folgenden ung.ZPO möglich.

Auf der Internetseite des sogenannten Europäischen Gerichtsatlasses für Zivilsachen steht ein Suchdienst für das jeweils zuständige Gericht in Ungarn auf Deutsch zur Verfügung (Länderauswahl: Ungarn).

Rechtsmittel

In Ungarn gibt es einen sogenannten dreistufigen Instanzenzug. Dieser umfasst in vereinfachter Darstellung diese Ebenen:

  • Eingangsinstanz
  • Berufung (fellebbezés, §§ 364 folgende ung. ZPO)
  • Revision (felülvizsgálat, §§ 405 folgende ung. ZPO).

In zweiter Instanz entscheidet über Berufungen das Komitatgericht, ansonsten das Tafelgericht. Letzteres entscheidet auch als zweite Instanz über Berufungen gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte, bildet dafür aber besondere Spruchkörper für Arbeitssachen. Ein weiterer Rechtsbehelf des ungarischen Rechts ist die sogenannten Wiederaufnahme des Verfahrens.

In Ungarn besteht Anwaltszwang beispielsweise in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Berufungsverfahren und in allen Fällen vor dem Obersten Gericht, sowie neuerdings auch bei der Registrierung einer Gesellschaft.

Besonderheiten sind hier zu beachten, sofern die Vollmacht von Deutschland aus unterzeichnet wird oder aber ein deutscher Rechtsanwalt beauftragt werden soll: letzterer ist dann zur Zusammenarbeit mit einem in Ungarn zugelassenen Rechtsanwalt gesetzlich verpflichtet.

Germany Trade & Invest (Stand: 07.01.2019)

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