Das Jahr 2012 brachte eine große Reform der Gerichtsverwaltung in Ungarn (Act CLXI of 2011 on the Organisation and Administration of the Courts). Unter anderem wurde mit der sogenannten Kúria ein neues Spitzenorgan der ungarischen Justizverwaltung geschaffen (The Curia of Hungary).
Zudem waren und sind die Änderungen im Fokus internationaler Expertengremien, etwa der Venedig Kommission, die das ungarische Richter- und Gerichtsgesetz (CLXI/2011) im Jahr 2012 ausführlich überprüft hatte (siehe hierzu die Meldung vom 30.05.2012: Internationaler Expertenbericht nimmt Ungarns Justizreformen unter die Lupe).
Informationen zu Reformen und neue Zuständigkeiten innerhalb der ungarischen Justiz enthält das ungarische Gerichtsportal Bíróság in englischer Sprache. Das Europäische Justizportal der EU gibt in deutscher Sprache Auskunft über Gerichtshierarchie und Gerichtsorganisation in Ungarn.
Die gerichtliche Zuständigkeit in Ungarn beruht vor allem auf diesen Rechtsgrundlagen:
Die ungarische Gerichtsverfassung ist vierstufig gegliedert mit einem dreifachen Instanzenzug. Das Gerichtssystem setzt sich, von der Spitze her betrachtet, zusammen aus (§ 8 ung.ZPO):
- dem Obersten Gericht (Legfelsőbb Bíróság)
- den Tafelgerichten (Ítélőtábla in Budapest, Pécs, Szeged, Debrecen, Győr)
- dem Hauptstädtischen Gericht (Fővárosi Bíróság) und den Komitatsgerichten (Megyei Bíróság) sowie
- den örtlichen Gerichten oder Amtsgerichten (Helyi Bíróság - Stadt- und Stadtbezirksgerichte vergleichbar den deutschen Amtsgerichten).
Nur scheinbar getrennt davon findet man die Arbeitsgerichte (Munkaügyi Bíróság). Mangels eigenständiger Verwaltungsgerichtsbarkeit werden Verwaltungsstreitverfahren ebenfalls vor den ordentlichen Gerichten geführt.
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach ungarischem Recht zunächst nach dem Wohnort des Beklagten, bei einer juristischen Person entsprechend nach deren Sitz (§ 25 ung. ZPO). Daneben gibt es einige gesetzlich vorgesehene Fälle, in denen dem Kläger eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Gerichtsstandes zugestanden wird (§§ 25-30 ung. ZPO).
Die sachliche Zuständigkeit sieht in erster Instanz grundsätzlich die Zuständigkeit der örtlichen oder Amtsgerichte vor (§§ 20 - 24 ung. ZPO sowie Vorschriften des GerOrgG (§ 16 folgende). Bestimmte Sachbereiche werden aber von vornherein den Komitatsgerichten zugewiesen, Hierzu zählen etwa:
- vermögensrechtliche Prozesse ab einem bestimmten Streitwert (§§ 23 folgende ung. ZPO)
- gewisse Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes
- Überprüfung von Wirtschaftsgesellschaftsbeschlüssen
- Fälle der Haftung des Staates
- Abwehr der Zwangsvollstreckung
Die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung sieht die ungarische Zivilprozessordnung ausdrücklich in Vermögensstreitigkeiten vor, und zwar in ihrem § 27 . Demnach ist aber nur eine abweichende Vereinbarung eines Gerichtsstandes in Ungarn möglich; es gelten aber relativ strenge Vorgaben für deren Form.
Nach der seit dem 01.01.2018 in Kraft getretenen Reform der Zivilprozessordnung sind nun Sammelklagen als kollektive Rechtsdurchsetzung nach den §§ 580 folgenden ung.ZPO möglich.
Auf der Internetseite des sogenannten Europäischen Gerichtsatlasses für Zivilsachen steht ein Suchdienst für das jeweils zuständige Gericht in Ungarn auf Deutsch zur Verfügung (Länderauswahl: Ungarn).