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Equipment with conveyor for working with small plastic granules for the chemical industry Equipment with conveyor for working with small plastic granules for the chemical industry | © Sergey Ryzhov/stock.adobe.com

Special | Ungarn | Beschaffung

Freie Kapazitäten in Ungarns Kunststoffindustrie

Die ungarische Kunststoffindustrie leidet unter teurer Energie und schwacher Nachfrage. Die Hersteller bedienen ein breites Produktportfolio und stehen für neue Kunden bereit.   

Von Kirsten Grieß | Budapest

Hersteller von Kunststoffen und Kunststoffwaren tragen im Schnitt ein Drittel zur Produktionsleistung der chemischen Industrie Ungarns bei. Der Anteil der Exporterlöse am Gesamtumsatz für Primärkunststoffe lag 2023 laut nationalem Statistikamt (KSH) bei 70 Prozent, für Kunststoffwaren bei 58 Prozent. Im Bereich der Kunststoffprodukte werden in Ungarn vor allem Vorprodukte, Komponenten und Teile hergestellt. Wichtige Abnehmer sind die Automobil- und Zulieferindustrie, die Bau- und Verpackungswirtschaft sowie die Elektronik- und Möbelindustrie.

Produktion von Kunststoffen und Kunststoffwaren in UngarnIn Millionen Euro *)
Produktgruppe

2022

2023

Veränderung 2023/2022 

in Prozent

Kunststoffe in Primärformen

4.580

3.440

-26,7

Kunststoffwaren insgesamt

4.676

4.443

-7,3

Platten, Folien, Schläuche und Profile

909

801

-14,0

Verpackungsmittel

1.299

1.133

-14,9

Baubedarfsartikel

535

488

-11,1

sonstige Kunststoffwaren

1.933

2.021

2,1

* Umgerechnet zum Durchschnittskurs 2022: 1 Euro = 391,29 Ft; 2023: 1 Euro = 381,85 Ft.Quelle: Ungarisches Statistikamt (KSH) 2024

Nach Jahren des kontinuierlichen Wachstums brach der Produktionswert von Primärkunststoffen in Ungarn 2023 gegenüber 2022 um 27 Prozent ein. Rückläufig war auch die Herstellung von Kunststoffprodukten, die wertmäßig um 7 Prozent sank. Basierend auf einer Umfrage des ungarischen Kunststoffverbands Magyar Műanyagipari Szövetség (MMSZ) von Ende 2023 meldeten die befragten 122 Branchenunternehmen bereits für 2022 geringere Produktionsmengen.

Produktion der wichtigsten Primärkunststoffe in UngarnIn 1.000 Tonnen
Produktgruppe

2021

2022

Veränderung in Prozent

Primärkunststoffe insgesamt 

1.683,0

1.437,0

-14,6

Polyethylen (PE)

432,9

342,5

-20,9

Polypropylen (PP)

263,3

238,3

-9,5

Polyvinylchlorid (PVC)

297,9

233,7

-21,6

Polystyrol (PS)

106,1

93,2

-12,2

Quelle: Magyar Műanyagipari Szövetség (MMSZ) 2024

MOL baut eigene Kunststoffverarbeitung aus

In der Primärkunststoffproduktion dominieren drei große Anbieter den ungarischen Markt. An der Spitze steht die MOL-Gruppe, ein gemischter Erdöl-, Gas-, Petrochemie- und Einzelhandelskonzern. Im Mai weihte MOL sein bis dato größtes Investitionsprojekt in der Stadt Tiszaújvaros ein. Die 1,3 Milliarden Euro teure Polyolanlage wurde von thyssenkrupp Uhde geplant und umgesetzt, der deutsche Chemiekonzern Evonik lieferte wichtige Technik. Im neuen Werk können jährlich rund 200.000 Tonnen Polyole produziert werden. Ein eigenständiger Komplex ist für die Weiterverarbeitung der Polyole in Endprodukte vorgesehen.

Im Juli 2024 kündigte die MOL-Gruppe eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Technologielieferanten Lummus Technology an. Gemeinsam wollen die Unternehmen chemisches Recycling von Kunststoffen in MOL-Anlagen integrieren. Den Anfang bildet eine Recyclinganlage für Kunststoffabfälle am Standort Tiszaújvaros. MOL produziert in Ungarn außerdem Polyethylene und Polypropylene.

BorsodChem in Kazincbarcika gehört seit 2011 zur chinesischen Wanhua Industrial Group. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Herstellung von PVC. Der dritte große Primärproduzent, Dunastyr, stellt vorwiegend Polystyrol her. 

Ungarn verfügt darüber hinaus über einige kleinere Hersteller von Polyester- und Epoxidharzen. Rund 20 Unternehmen arbeiten als sogenannte Compounder und vermengen verschiedene Polymere zu speziellen Granulatmischungen. Der ungarische Marktführer Inno-Comp hat seit 2017 eine Niederlassung im westdeutschen Velen.

Ungarn produziert breite Palette an Kunststoffwaren

Deutlich mehr Unternehmen stellen in Ungarn Kunststoffwaren her. Eurostat meldete für 2022 mehr als 1.650 Kunststoffverarbeiter. Knapp 70 Prozent waren Kleinstunternehmen mit weniger als 9 Beschäftigten. Rund 65 Prozent des Umsatzes in der Kunststoffverarbeitung erwirtschafteten 518 Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten. Auch einige größere internationale Konzerne sind im Land aktiv - vor allem in der Produktion von Verpackungsmaterialien mit Flex Films aus Indien oder Taghleef Industries aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Wertmäßig spielt in Ungarn die Herstellung von sonstigen Kunststoffwaren die größte Rolle. Der Sammelbegriff umfasst Produkte wie Antriebsriemen, Isolierteile, Aufkleber, Plastikwerkzeuge oder Küchenartikel. Die amtliche Statistik liefert keine Ausschlüsselung von Einzelprodukten. Der Kunststoffverband MMSZ teilt die Produktgruppen etwas detaillierter auf: Die Wichtigsten sind demnach Injektionsprodukte, gefolgt von Folien, Hohlkörpern, Fasern und Rohren sowie Kunststoffschaum und Kabeldraht. 

Ein besonders breites Produktportfolio bietet das ungarische Traditionsunternehmen PEMÜ. Das 1956 gegründete Unternehmen fertigt Kunststoffteile für die Automobilindustrie, Haushaltsgeräte- und Elektrowerkzeugindustrie, ebenso wie Rohre, Pressteile und Schläuche zum Einsatz in Medizinprodukten oder Schaumteile für die Möbelherstellung. Das Unternehmen KAPOSPLAST produziert seit 1949 Filamente für die Bürsten- und Besenindustrie, Umreifungsbänder, landwirtschaftliche Produkte und kundenspezifische Spezialprodukte. Rund 90 Prozent der Umsätze erwirtschaftet KAPOSPLAST auf internationalen Märkten.

Exporterlöse der Kunststoffindustrie sind gesunken

Deutschland war 2023 nach Polen zweitwichtigster Exportmarkt für ungarische Kunststoffe und Kunststoffprodukte. Der deutsche Anteil an den Gesamtausfuhren der Branche lag bei 13,4 Prozent. Analog zum industriellen Output brachen 2023 auch die Exporterlöse der ungarischen Kunststoffindustrie ein. Besonders stark sank der Exportwert von Primärkunststoffen. Weniger heftig gingen die Ausfuhren der Kunststoffprodukte zurück. Die Produktgruppe für Rohre, Schläuche, Verschlüsse und Verbindungsstücke legte sogar zu. Der Exportanteil nach Deutschland ist für diese Kategorie mit rund 25 Prozent überdurchschnittlich hoch.

Exporte der wichtigsten Kunststoffe und Kunststoffwaren aus UngarnIn Millionen Euro
Produktgruppe

2022

2023

Veränderung in Prozent

davon nach Deutschland 2023

Veränderung in Prozent

Kunststoffe in Primärformen insgesamt

2.439

1.904

-22,0

246

-29,2

Polyethylen (PE)

520

426

-18,0

57

-36,0

Polystyrol (PS)

314

260

-17,4

36

-17,7

Polyvinylchlorid (PVC)

353

211

-40,3

24

-28,1

Polyacetate, Polyether und Epoxidharze; Polycarbonate, Alkydharze und andere Polyester

215

182

-15,2

26

-30,1

Polypropylen (PP)

202

165

-18,5

15

-36,7

Sonstige

835

660

-21,0

88

-26,8

Kunststoffwaren insgesamt

1.168

1.093

-6,4

166

-10,9

Rohre und Schläuche, Verschlüsse und Verbindungsstücke

208

237

13,7

59

13,0

Tafeln, Platten, Folien, Filme und Streifen

923

819

-11,2

96

-22,5

Monofile, Stäbe Stangen und Profile

37

38

1,4

11

7,0

Quelle: Eurostat 2024

 

Höhere Kosten beeinträchtigen Wettbewerbsfähigkeit

Die gegenwärtig schwierige Marktsituation führt Sándor Gera, Vertriebschef bei MOL, auf mehrere Faktoren zurück: Die seit 2022 explodierenden Energiepreise, eine gesunkene Nachfrage im In- und Ausland, hohe Regulierungskosten und den zunehmenden internationalen Wettbewerb. Vor dem Hintergrund einer auch 2024 anhaltenden rückläufigen Industrieleistung - in Ungarn und auf wichtigen Exportmärkten - rechnet MMSZ-Direktor Gábor Farkass mit weiter abnehmenden Produktionsmengen der Hersteller.

Das heißt aber auch, dass potenzielle Abnehmer mit freien Produktionskapazitäten in Ungarn rechnen können. Quer durch die Branche beobachtet Farkass eine große Bereitschaft, neue Aktivitäten aufzusetzen, das Produktportfolio und den Kundenkreis zu diversifizieren. Die ungarischen Unternehmen in der Kunststoffverarbeitung zeichne aus Sicht des Verbandschefs eine Ausrüstung auf dem neuesten technischen Stand, qualitativ hochwertiges Rohmaterial und eine ausgeprägte industrielle Produktionskultur aus. Deutsche Kunden schätzen nicht zuletzt die geografische Nähe Ungarns.

Bei der Suche nach einem geeigneten Lieferanten unterstützt der ungarische Kunststoffverband MMSZ. Ein Kooperationsabkommen zwischen dem Branchenverband und der ungarischen Exportförderungsagentur HEPA ist aktuell in Planung, um die Internationalisierung der Kunststoffindustrie in Ungarn künftig stärker zu fördern. Eine zentrale Anlaufstelle bei der Geschäftspartnersuche ist darüber hinaus die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (AHK Ungarn) mit Sitz in Budapest.

Veranstaltungshinweis: 10. CEE Procurement and Supply Forum

Am 8. Oktober 2024 lädt der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) zum jährlichen Beschaffungsforum für Mittel- und Osteuropa nach Budapest ein. Die Veranstaltung bietet deutschen Einkäufern und Lieferanten der Region eine Plattform zur Vernetzung und Geschäftsanbahnung. Eine der abgedeckten Branchen ist die Kunststoffindustrie. Das Forum wird gemeinsam mit der AHK Ungarn organisiert. Weitere Informationen und Hinweise zur Anmeldung sind beim Veranstalter erhältlich.

Hinweise zur Geschäftspraxis

Mentalität und Sprache: Ungarn sind gegenüber Deutschen sehr positiv eingestellt. Bei älteren Ungarn sind gute Deutschkenntnisse verbreitet. Viele Ungarn beherrschen jedoch weder Englisch noch Deutsch. 

Geschäftsverkehr: Verhandlungen sind langwieriger als in Deutschland üblich. Es gilt als unhöflich, sofort zum Kern der Sache zu kommen. Kritik sollte nicht direkt, sondern durch die Blume geäußert werden. Das Austauschen von Visitenkarten ist ein Muss. Im Schriftverkehr wird zuerst der Familienname und dann der Vorname genannt. 

Finanzen: Ungarn ist nicht Teil des Euroraums. Landeswährung ist der Ungarische Forint. Bei längerfristigen Vertragsabschlüssen sollten Wechselkursrisiken einkalkuliert werden.

Etikette: Im geschäftlichen und gesellschaftlichen Leben treten Männer eher konservativ auf. Der konventionelle Anzug mit Krawatte in gedeckten Farben ist üblich. Frauen kleiden sich hingegen gern etwas auffälliger und sehr feminin. Ungarn sind sehr höflich, und Respekt gegenüber Damen und älteren Menschen wird großgeschrieben.

Hinweise zu Transport und Logistik

Ungarn ist Mitglied der EU und des Schengenraums. Das Land ist zentral in Mittelosteuropa gelegen und verfügt über eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Das Autobahnnetz deckt das ganze Land ab. Für die Nutzung wird eine Maut erhoben, die elektronisch gezahlt werden kann. Per Flug ist Budapest aus verschiedenen deutschen Städten direkt zu erreichen. Das Land verfügt über eine leistungsfähige Logistikbranche.

Kontaktadressen
BezeichnungAnmerkung
Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (AHK Ungarn)Anlaufstelle für deutsche Unternehmen
MMSZ Magyar Műanyagipari Szövetség Ungarischer Verband der Kunststoffindustrie
CSAOSZ Csomagolási és Anyagmozgatási SzövetségUngarischer Verband für Verpackungen und Materialhandhabung
EMSZ Erősített Műanyaggyártók SzövetségeUngarischer Verband der Hersteller von verstärkten Kunststoffen
Műanyag-Csőgyártók SzövetségeUngarischer Verband der Hersteller von Kunststoffrohren 
Ipar NapjaiIndustrie-Tage, Fachmesse für die Industrie, am Rand der Messe findet jährlich die Kunststoffkonferenz von MMSZ statt
PolimerekFachzeitschrift von MMSZ

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