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Eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft verlangt mehr Marktanreize
Für eine Kehrtwende sind Recyclingkunststoffe in den USA noch zu teuer und neue zu billig. Negativ wirkt sich auch das Fehlen einer einheitlichen Abfallwirtschaftspolitik aus.
09.06.2023
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Das britische Cleantech-Unternehmen Clean Planet Energy investiert weltweit mehr als 150 Millionen US-Dollar (US$) in hochmoderne Recyclinganlagen zur Verarbeitung von schwer wiederverwertbaren Kunststoffabfällen. Drei davon sollen in den US-Bundesstaaten Alabama, New Jersey und South Carolina entstehen. Jede Anlage kann bis zu 20.000 Tonnen Kunststoffmüll pro Jahr verarbeiten und diesen in schwefelarme Kraftstoffe und kreislauffähige petrochemische Rohstoffe umwandeln.
Andere investieren in Forschung und Entwicklung (FuE): So hat KW Plastics Anfang 2023 ein neues FuE-Labor eröffnet. Das Unternehmen aus Alabama, das vor allem Polyethylen mit hoher Dichte (HDPE) und Polypropylen (PP) zurückgewinnt, will das Recycling von Kunstharzen vorantreiben.
„Wir sehen bereits die Nachfrage nach mehr qualitativ hochwertigem recyceltem PP“, sagt Stephanie Baker, Leiterin Marktentwicklung bei KW Plastics, und verweist dabei auch auf die Arbeit von Organisationen wie The Recycling Partnership: Die im Juli 2020 ins Leben gerufene Koalition bringt in den USA Akteure entlang der gesamten PP-Wertschöpfungskette zusammen – von Harzlieferanten über Verbrauchsgüterhersteller bis zu Recyclingunternehmen. Ziel ist es, mehr PP zurückzugewinnen und Endmärkte für recyceltes PP weiterzuentwickeln. Vielfältige Anwendungen finden sich unter anderem im Kfz-Bereich, in der Landwirtschaft, im Bauwesen und in der Verpackungsindustrie.
Die Hoffnungen der Branche liegen auf dem Gesetzgeber
Diese Beispiele legen nahe, dass sich das Kunststoffrecycling in den USA von seinem Tiefpunkt während der Coronapandemie allmählich erholt. Noch in den drei Jahren vor Covid-19 wurden dort zahlreiche Investitionsprojekte in Sammel-, Sortier- und Verarbeitungskapazitäten angekündigt. Hauptauslöser war Chinas Importstopp von Kunststoffabfällen im Jahr 2018. Da die USA einen Großteil dieser Abfälle zuvor in die Volksrepublik exportiert hatten, waren viele US-Städte und -Gemeinden gezwungen, Ersatzlösungen zu finden.
Zudem nährte der Importstopp Erwartungen, dass der US-Gesetzgeber Anreize oder strengere Mindestvorgaben für den Einsatz von Sekundärrohstoffen schaffen würde. Davon profitierten auch deutsche Anlagenbauer: So lieferte zum Beispiel Krones noch 2018 dem kalifornischen Unternehmen rPlanet Earth eine hochautomatisierte Recyclinganlage für PET-Produkte (Polyethylenterephthalat).
Zunächst stieg in den USA damals auch die Nachfrage nach recyceltem Kunststoff. Große Marken haben sich verpflichtet, recycelte Harze in ihre Kunststoffverpackungen zu integrieren. Viele setzten sich dafür bis 2025 feste Prozentanteile als Ziel, darunter Coca-Cola, Dr Pepper und Pepsi. Das führte aber zu einem starken Preisauftrieb, und viele Hersteller waren eines Tages nicht mehr gewillt, die hohen Preise zu zahlen, besonders für rückgewonnenes PET.
Die Notwendigkeit zu handeln, ist seither noch größer geworden. Denn die Marktbedingungen an sich sind kurz- bis mittelfristig weiterhin schwierig: Zwar haben sich die Preise von Recycling-PET nach den Höchstständen Anfang 2022 bis zum Frühjahr 2023 wieder weitgehend normalisiert. Doch viele andere Recyclingkunststoffe sind trotz einer leichten Verbilligung nach wie vor historisch teuer. Und nach einer weiteren Entlastung von der Preisseite sieht es 2023 bislang nicht aus.
Recycling gleicht in den USA einem Flickenteppich
Dass die Wiederaufbereitung von Kunststoffen in den USA trotz vorhandener Recyclingtechnologien eine im globalen Vergleich nur geringe Marktdurchdringung aufweist, hat aber noch einen ganz anderen Grund: Denn es gibt dort weder ein bundesweites noch ein Recyclingprogramm, das zumindest komplette Bundesstaaten erfassen würde. Stattdessen entscheiden einzelne Städte und Gemeinden selbst, ob, wie und welche Abfälle sie einsammeln und sortieren. Daraus entstehen verschiedene Modelle, worin sich die Interessen der jeweils beteiligten Gemeinden, Recycling- und Transportfirmen sowie Hersteller und Verbraucher widerspiegeln.
Verpackungsart | Explizit1) oder implizit2) anerkannt | Explizit3) oder implizit4) verboten |
PET-Getränkeflaschen (mit Pfand) | 88 | 3 |
PET-Flaschen, -Dosen und –Eimer (ohne Pfand) | 87 | 4 |
PET-Schalen, -Wannen und –Tabletts | 54 | 29 |
PET-Tassen | 52 | 32 |
HDPE-Flaschen, -Dosen und –Eimer | 87 | 4 |
LDPE5)-Flaschen, -Dosen und -Eimer | 70 | 19 |
LDPE- und LLDPE6)-Behälter | 57 | 29 |
PP-Flaschen, -Dosen und –Eimer | 72 | 17 |
PP-Wannen und andere –Behälter | 59 | 26 |
Harte Polystryrol-Behälter | 45 | 36 |
Erschwerend kommt hinzu, dass sich neue Kunststoffe dank der im Herbst 2022 gesunkenen Ölpreise wieder billiger herstellen lassen. Die US-Nachfrage nach rückgewonnenem Kunststoff dürfte daher zumindest kurzfristig nur geringfügig steigen. Doch reichen die derzeitigen Recyclingquoten in den USA nicht einmal dafür aus, um diese Nachfrage zu decken. Die US-Recyclingquoten für HDPE und PET stagnieren bei 25 bis 30 Prozent, für PP sind sie noch deutlich niedriger.
Um das Marktpotenzial ausschöpfen zu können, ist noch viel zu tun
Mittelfristig besteht aber weiterhin ein großes Marktpotenzial – vor allem wenn es gelingt, die Sammlung von Altkunststoff erheblich auszubauen und einen Konsens zwischen den Interessengruppen zu erzielen, der mehr Pfandgesetze in weiteren Bundesstaaten oder Maßnahmen wie die erweiterte Herstellerverantwortung ermöglichen würde, nach der Hersteller für ihre Produkte verantwortlich sind, angefangen von der Gestaltung, über den Vertrieb, bis hin zur Rücknahme, Entsorgung oder Wiederverwertung.
Auch technologisch gesehen gibt es noch Luft nach oben: So könnten digitale Wasserzeichen, chemische Markierungssubstanzen, Robotik, künstliche Intelligenz und Nah-Infrarot-Sortiersysteme laut Andrew Brown von Wood Mackenzie dazu beitragen, die Kunststoffballenausbeute und -qualität in den USA von derzeit 65 bis 70 Prozent auf 70 bis 75 Prozent zu verbessern. Darüber hinaus könnten chemische oder bioenzymatische Recyclingverfahren das Kunststoffrecycling revolutionieren.