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Generative künstliche Intelligenz könnte zum Gamechanger werden

Scheitern und bahnbrechender Erfolg liegen oft eng zusammen: Das Silicon Valley hat in den letzten Monaten sowohl Höhen als auch Tiefen erlebt. Der Hype um ChatGPT ist enorm.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Wer glaubt, dass die Hightech-Industrie im Silicon Valley angesichts der Hiobsbotschaften der letzten Zeit nicht weiterwachsen wird, hat sich wohl getäuscht. Darauf deuten zumindest neuere Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) hin. Dies gilt vor allem für die sogenannte generative KI, die selbständig eigene Inhalte wie Texte, Bilder oder Multimedia generiert.

Generative KI löst Krypto und Metaverse als Hype ab

Eine solche KI brachte das Silicon-Valley-Start-up Open AI mit ChatGPT im November 2022 auf den Markt. Der Chatbot zieht weltweit Menschen in seinen Bann und kann beispielsweise Pressemeldungen erstellen oder Geschäftsmodelle entwickeln. "Generative KI hat sehr vielversprechende Anwendungen und das Tempo, mit der diese Innovation angenommen wird, ist beachtlich", sagt Sven Thorsten Potthoff, Chief Executive Officer (CEO) der AHK USA - San Francisco. Innerhalb von nur fünf Tagen hat ChatGPT die 1-Million-Nutzer-Marke erreicht.

Google und Microsoft entwickeln eigene Chatbots und binden generative KI in ihre Kernprodukte wie Gmail und Microsoft Word ein. Auch andere große Techunternehmen wie Meta, Snap und Instacart arbeiten daran, generative KI in ihre Anwendungen zu integrieren.

Der neue Hype löst zwar Kontroversen über die ethische Nutzung solcher Tools aus, aber auch eine neue Investitionswelle in Start-ups: Laut dem Trendforschungsunternehmen CB Insights flossen im Jahr 2022 rund 2,6 Milliarden US-Dollar (US$) in 110 Generative-KI-Start-up-Deals. Daher verwundert es nicht, dass bei den Jungfirmen, die es im Frühjahr 2023 in den begehrten Accelerator Y Combinator (YC) aus dem Silicon Valley schafften, Lösungen auf KI-Basis dominieren. Und dass generative KI für Cyber Tools einer der Schwerpunkte auf der Messe für IT-Sicherheit RSA Ende April 2023 in San Francisco sein wird.

Wirtschaftlicher Druck auf Techbranche führte zu Entlassungswelle

Dabei mussten Tech-Start-ups zuletzt einiges einstecken. Bereits im Zuge der allgemeinen Börsenschwäche im Jahr 2022 hat sich das Finanzierungsumfeld verschlechtert. Start-ups in der Frühphase sind nicht ganz so stark betroffen, aber in Folgefinanzierungsrunden müssen sie seither oft niedrigere Bewertungen hinnehmen. Besonders stark betroffen sind die Branchen Software, E-Commerce, Medizintechnik und industrielle Technologien, etwa für Unterhaltungselektronik oder Anwendungen im Bauwesen.

Später entließen Twitter und der Facebook-Konzern Meta, aber auch Amazon, Alphabet, Microsoft, Salesforce und viele kleinere Techfirmen mehrere Zehntausend Mitarbeiter. Obwohl das Ende der Kündigungswelle noch nicht erreicht sein sollte: Laut einem Bericht des US-Datenbankanbieters Crunchbase von Anfang April 2023 machten die Entlassungen der Techkonzerne in den davorliegenden 14 Monaten nur etwa 8 Prozent der Neueinstellungen während der Coronapandemie aus. Dadurch relativiert sich der Stellenabbau immerhin deutlich.

In der Coronazeit hatte Big Tech noch tüchtig draufgesattelt: Hintergrund dafür war die während der Pandemie sprunghaft gestiegene Nachfrage nach E-Commerce- und Heimarbeitstechnologien wie Videokonferenztools sowie sicheren IT-Lösungen. "In der Hype-Zeit haben Unternehmen nicht nur viel zu viele Mitarbeiter eingestellt, sondern auch zu viele riskante Projekte mit billigem Geld gewagt", zitiert das Wirtschaftsmagazin Capital Jens Förderer, Professor an der Technischen Universität München.

Der Druck überträgt sich auf die Immobilienbranche. Sorgten die Techriesen vor der Coronazeit noch für eine rege Nachfrage nach Büro- und Gewerbeobjekten, wollen viele Firmen diese Flächen nun verringern. Denn zum einen haben sie viele Mitarbeitende entlassen. Zum anderen will das Gros der im Zuge des Homeoffice-Trends aufs Land Gezogenen nach der Krise nicht mehr in der teuren San Francisco Bay Area wohnen.

Hausbank vieler Silicon-Valley-Start-ups ging in Konkurs

Mitte März 2023 brach SVB Financial zusammen, die Muttergesellschaft der Silicon Valley Bank (SVB). Die inzwischen vom US-Finanzinstitut First Citizens Bank übernommene SVB war quasi die Hausbank vieler Tech-Start-ups aus dem Silicon Valley. Sie war auf Venture-Debt-Finanzierungen für reifere Start-ups spezialisiert, die schon drei bis vier Jahre am Markt sind. Die Insolvenz lässt sich im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückführen:

  • Zum einen wurde die Bank durch die starke Konzentration auf den Technologiesektor anfällig für plötzliche Abhebungen. Viele Tech-Start-ups mussten ihre Einlagen aus der Pandemiezeit bereits 2022 wieder "anzapfen".
  • Zum anderen hatte die SVB einen erheblichen Teil dieser Einlagen zuvor in langfristige Staatsanleihen investiert, die damals höhere Zinsen geboten hatten als die Einlagen den Bankkunden. Als die US-Notenbank Fed die geldpolitischen Zügel anzog, stiegen die Zinssätze und der Wert der Anleihen sank – und damit auch das Vermögen der SVB. Um die Einlagen auszahlen zu können, musste die SVB einen Teil ihrer Staatsanleihen zu schlechteren Konditionen verkaufen. Nachdem der Wertverlust und die daher nötige Kapitalerhöhung publik wurden, fürchteten Techfirmen um ihre Einlagen und versuchten, diese im großen Stil von der SVB abzuziehen. Daraufhin kollabierte die Bank.

Um eine mögliche Finanzkrise abzuwenden, wurde die US-Einlagensicherung Federal Deposit Insurance Corp (FDIC) vorübergehend auf alle Einlagen ausgeweitet. Zuvor garantierten Kreditinstitute in den USA Einlagen pro Anleger nur bis zu einem Wert von 250.000 US$.

Für Tech-Start-ups ist das indes nur ein kleiner Trost. Die Einlagen der SVB-Kunden werden zwar geschützt, Aktionären und einigen Anleihegläubigern drohen aber Verluste. Auch wenn der Zusammenbruch der SVB nicht direkt durch einen Abschwung im Technologiesektor verursacht wurde, ist es für Jungfirmen aktuell noch schwieriger, an Finanzmittel zu kommen. Wagniskapitalgeber nehmen daher verstärkt generative KI-Technologiefirmen ins Visier, da diese trotz der jüngsten Entlassungswelle viel Wachstumspotenzial bieten.

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