Start-ups stehen Inkubatoren und Acceleratoren zur Seite. Die Dichte an Risikokapitalfirmen und Privatinvestoren ist hoch. Das Finanzierungsumfeld verschlechterte sich jedoch.
Start-ups werden in den USA überwiegend privat finanziert. In Innovationszentren wie der San Francisco Bay Area, New York und Massachusetts sorgt eine hohe Dichte an Wagniskapitalfirmen, Banken, privaten Investoren, Business Angels, Start-up-Hubs und Mentorennetzwerken für eine dicke Kapitaldecke.
Start-up-Hubs verfügen über große Netzwerke für Wagniskapital
Die meisten Risikokapitalgeber kommen aus dem Großraum San Francisco, darunter Accel, Andreesen Horowitz, Benchmark, Sequoia Capital, Bessemer Venture Partners, Founders Fund, GGV Capital und IVP. In den letzten Jahren haben sich zwar viele Städte rund um den Globus – darunter auch europäische wie Amsterdam, Berlin, London, Paris und Stockholm – zu Start-up-Hubs entwickelt. Für Wagniskapital sind die USA aber immer noch der weltweit größte Markt.
Große Finanzdienstleister wie Barclays, Deloitte, Goldman Sachs, UBS und Visa investieren ebenfalls direkt in Start-ups oder finanzieren Inkubatoren. Oft sind auch finanzkräftige Investoren mit an Bord, wie Berkshire Hathaway und J.P. Morgan.
New York setzt auf öffentlich-private Partnerschaften
In New York City gibt es gleich vier große Hochschulen und viele für die Gründerszene ebenfalls wichtige kleinere und zum Teil stark spezialisierte Universitäten und Campus wie Cornell Tech und Rockefeller. Sowohl die Stadt als auch der Bundesstaat New York haben innovative öffentlich-private Partnerschaften entwickelt, um Forschungsergebnisse aus den Hochschulen schneller in neue Technologien umzusetzen. Beispiele hierfür sind das NYC Media Lab, das RLab, der Urban Tech Hub und Urban X.
Auch andere US-Universitäten verfügen über angesehene Acceleratoren, darunter StartX in Stanford und delta v am MIT. Die Teilnahme an Programmen solcher Acceleratoren oder auch von Inkubatoren kann die Überlebenschancen von Start-ups deutlich erhöhen.
Aufstrebende Start-up-Zentren wie Miami, Atlanta und Austin locken Gründerinnen und Gründer darüber hinaus mit Steueranreizen und schaffen ständig neue Coworking-Spaces. Mehrere Events auf der in Austin alljährlich im März ausgetragenen South by Southwest (SXSW) bringen die Start-up- mit der Venture-Capital-Szene in einem kreativen Umfeld zusammen und haben die Hauptstadt von Texas in eine Brutstätte für Jungunternehmer und revolutionäre Technologien verwandelt.
In der Forschung, Entwicklung und Kommerzialisierung neuer Technologien spielt der Privatsektor in den USA traditionsgemäß eine zentrale Rolle. Eine wichtige Finanzierungsquelle für Start-ups ist aber zum Beispiel auch das Small Business Innovation Research (SBIR)-Programm, ebenfalls bekannt als America’s Seed Fund: Elf Bundesbehörden nehmen daran teil und stellen schulden- und eigenkapitalfreie Finanzierungen in Höhe von 4 Milliarden US$ im Jahr bereit. Zudem bekommt die Grundlagenforschung Impulse durch einen überwiegenden Teil des KI-Forschungsbudgets (künstliche Intelligenz) der US-Regierung: Auch Fachministerien wie das für Verteidigung schaffen einen großen Markt für KI.
Europäische Jungunternehmen wandern weiterhin in die USA ab
Europäische Start-up-Ökosysteme haben zwar in den letzten Jahren gegenüber den USA aufgeholt, vor allem wenn es ums Unternehmensgeschäft (B2B) geht. Dennoch wagen weiterhin viele junge Techfirmen den Sprung über den Atlantik. Zumindest bis Anfang 2022 bekamen Start-ups in späteren Finanzierungsrunden in den USA leichter eine Anschlussfinanzierung.
Auch gibt es dort bessere Exit-Möglichkeiten, womit der Verkauf von Anteilen an strategische oder Finanzinvestoren (Trade Sale) oder der Börsengang des Unternehmens (Initial Public Offering; IPO) gemeint ist. Allerdings wollen sich US-Investoren gelegentlich stärker in die Führung des Unternehmens einbringen und dieses früher zum Exit drängen, als das wahrscheinlich in Deutschland passieren würde.
Bis 2021 zog es etwa jedes dritte Unternehmen auf dem alten Kontinent für sein IPO in die USA. High-Tech-Start-ups haben dabei die US-Technologiebörse Nasdaq im Visier. Das Lufttaxi-Start-up Lilium debütierte dort im September 2021, zwei Monate später folgte der ebenfalls aus München stammende Solarautobauer Sono Motors. Auch die deutschen Biotech-Unternehmen BioNTech und Curevac haben diesen Weg gewählt.
Einbruch einst starker Technologiewerte schlägt auf Start-ups durch
Das Finanzierungsumfeld für Start-ups hat sich in den letzten Monaten stark verändert. War 2021 noch ein Rekordjahr für Risikofinanzierungen und Börsengänge, kommen vorbörsliche Finanzierungsrunden im Zuge des IPO-Marktstillstands 2022 weitgehend zum Erliegen. Da der Markt für private Finanzierungen gewöhnlich den öffentlichen Aktien hinterherhinkt, können Wagniskapitalgeber ihre Erwartungen an mögliche Ausstiegspreise anpassen. Und die befinden sich im Sinkflug, nachdem die meisten US-Aktienindizes in den letzten Monaten Rückgänge im zweistelligen Prozentbereich verzeichneten. Da andere Handelsplätze ein ähnliches Phänomen ereilt, könnte die Versuchung der New Yorker Börse zumindest mittelfristig dennoch größer als die europäischer Pendants bleiben.
Auf Start-ups in der Frühphase dürfte sich das aber nicht ganz so stark auswirken, denn bei solchen beträgt der Anlagehorizont der Investoren ohnehin meist sechs bis zehn Jahre. Angesichts der massiven Zinserhöhungen der Fed zur Eindämmung der hohen Inflation leiten Vermögensverwalter das Geld ihrer Anleger aber auf weniger riskante Investitionen um, zum Beispiel in öffentliches Beteiligungskapital statt in Neugründungen. Auch drängen Investoren die Start-ups zu stärkeren Umsatzeinbehalten. Außerdem fordern sie von den Start-ups effizientere Vertriebsmodelle und dass die Jungfirmen über genug Barmittel für 36 oder noch mehr Monate verfügen, während früher 18 bis 24 Monate üblich waren.
Von Heiko Steinacher
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San Francisco