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Ausländisches Wirtschaftsrecht | USA | Produkthaftung

Überblick zur Produkthaftung in den USA

Die vorliegende Textsammlung bietet am US-Markt interessierten deutschen Unternehmen eine Einführung in die rechtlichen Rahmenbedingungen der US-Produkthaftung.

Von Jan Sebisch | Bonn

Die USA gehören zu den wichtigsten Handelspartner Deutschlands und das Thema Produkthaftung ist ständig präsent. In den deutschen Medien ist in der jüngeren Vergangenheit immer wieder über die hohen Schadensersatzsummen aus geringem Anlass berichtet worden. Obwohl diese Berichterstattung oftmals nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, ist die US-amerikanische Produkthaftung risikobehafteter als die deutsche.

  • Grundlagen der Produkthaftung in den USA

    In den USA existiert kein einheitliches Produkthaftungsgesetz.

    Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 24. Februar 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im Oktober 2023.

    Die Produkthaftung ist für jeden Hersteller, Importeur und Händler von essenzieller Bedeutung. In den EU-Mitgliedstaaten ist durch die Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie sowie die Rom I- und II-Verordnung eine weitestgehende Harmonisierung der Haftung für fehlerhafte Produkte geschaffen worden. Außerhalb von Europa hat eine entsprechende Vereinheitlichung nicht stattgefunden. Hier richtet sich die Produkthaftung nach wie vor nach den jeweiligen nationalen Regelungen.

    Die USA gehören zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands und das Thema Produkthaftung (product liability) ist ständig präsent. In den deutschen Medien ist in der jüngeren Vergangenheit immer wieder über die überzogenen Schadensersatzsummen aus geringem Anlass im Rahmen von US-Produkthaftungsprozessen berichtet worden. Der vorliegende Bericht soll einen ersten Überblick über die Produkthaftung in den USA gewähren und das Thema einfach und verständlich näherbringen.

    Produkthaftungsgesetz

    In den USA existiert kein einheitliches Produkthaftungsgesetz. Vielmehr ist das Produkthaftungsrecht überwiegend einzelstaatliches Recht und entwickelt sich aus dem Fallrecht (case law). Ein elementarer Grundsatz des fallrechtlichen Systems ist, dass die Untergerichte an die Rechtsgrundsätze früherer Entscheidungen der Obergerichte gebunden sind. In Bezug auf das einzelstaatliche Recht sind danach die unteren einzelstaatlichen Gerichte an die Entscheidungen der Berufungsgerichte und schließlich des einzelstaatlichen Supreme Court und in bundesrechtlichen Fragen an die Entscheidungen der zuständigen Bundesgerichte gebunden. Das jeweils höchste Gericht (einzelstaatliches oder Bundesgericht) kann von früheren aufgestellten Entscheidungen abweichen und dadurch neues Recht schöpfen.

    Grundsätzlich existieren in den USA zur Überwindung der rechtlichen Differenzen zwischen den einzelnen Bundesstaaten für viele Rechtsgebiete sogenannte Uniform Laws. Diese werden von der Uniform Law Commission ausgearbeitet und den einzelnen Bundesstaaten zur Annahme vorgeschlagen. Am erfolgreichsten ist der Uniform Commercial Code (UCC). Er gilt in allen Bundesstaaten, mit Ausnahme einiger Teile in Louisiana. Für den Bereich der Produkthaftung hat die Uniform Law Commission auch einen Gesetzesvorschlag für ein einheitliches Produkthaftungsgesetz (Model Uniform Products Liability Act) erarbeitet. Dieser Entwurf hat aber bisher bei den Bundesstaaten keine große Zustimmung gefunden. Der UCC trägt zumindest teilweise zur Vereinheitlichung des Produkthaftungsrechts zwischen den Bundesstaaten bei, da die Vorschriften des UCC, der auf Verträge über bewegliche Gegenstände anwendbar ist, in Art. 2 UCC ausdrückliche oder stillschweigende Gewährleistungen regeln, die Grundlage eines vertraglichen Produkthaftungsanspruch sein können.

    Produktsicherheitsgesetzgebung

    In den USA sind die Produktsicherheitsauflagen relativ hoch. Im August 2008 ist das Verbraucherproduktsicherheitsgesetz (Consumer Product Saftey Act) wesentlich ergänzt und neu gefasst worden. Ausländische Hersteller und Zulieferer von Verbraucherprodukten müssen nach diesem Gesetz darauf achten, dass ihre Produkte alle Sicherheits- und Verbotsregeln, Standards und Verordnungen der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde (Consumer Product Safety Commission) erfüllen, die für ihre Produkte gelten. 

    Der Consumer Product Safety Act enthält keine Anspruchsgrundlagen für Produkthaftungsansprüche. Es handelt sich mithin nicht um ein Produkthaftungsgesetz. Der Consumer Product Safety Act ist allerdings insoweit relevant, da ein Verstoß gegen dessen Konformitätsbestimmungen verstärkt zur Annahme von Designfehlern bei Produkten führen kann und somit indirekt das Produkthaftpflichtrisiko erhöht.

    Weitere Produktsicherheitsgesetze sind zum Beispiel der Federal Hazardous Substances Act, der Flammable Fabrics Act sowie der Poison Prevention Packaging Act.

    Anspruchsgrundlagen für die Produkthaftung

    Das amerikanische Recht sieht für die Produkthaftung drei Anspruchsgrundlagen vor: die vertragliche Haftung (breach of warranty), die Fahrlässigkeitshaftung (negligence) und die Gefährdungshaftung (strict liability). Alle drei Ansprüche können gleichzeitig geltend gemacht werden. Wie der Geschädigte bei seiner Klage konkret vorgeht, hängt vor allem davon ab, welche Haftung er dem beklagten Hersteller am leichtesten nachweisen kann.

    Vertragliche Haftung

    Bezüglich der vertraglichen Haftung enthalten die Vorschriften des Artikel 2 UCC ausdrückliche und stillschweigende Gewährleistungen. Als ausdrückliche Gewährleistung kann jede Zusicherung, die ein Verkäufer in Bezug auf bestimmte Eigenschaften des Verkaufsgegenstands macht, angesehen werden. Des Weiteren gewährleistet ein Kaufmann implizit die handelsübliche Verwendbarkeit des Kaufgegenstands (implied warranty merchantability). In bestimmten Fällen wird darüber hinaus eine stillschweigende Zusicherung auf der Verkäuferseite vermutet, dass die Sache für den speziellen, vom Käufer verfolgten Zweck geeignet ist (implied warranty of fitness for the particular purpose).

    Fahrlässigkeit

    Eine Haftung wegen Fahrlässigkeit setzt die Verletzung einer Sorgfaltspflicht und Kausalität voraus. Die Sorgfaltspflicht ist verletzt, wenn eine Handlung nicht so vorgenommen wurde, wie sie eine vernünftig handelnde Person in derselben Situation vorgenommen hätte. Kausalität ist gegeben, wenn der Schaden ohne Zutun des Beklagten nicht eingetreten wäre. Zur Geltendmachung eines Haftungsanspruch muss der Kläger zusätzlich einen Schaden nachweisen.

    Gefährdungshaftung

    Ein Fall der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung liegt vor, wenn ein vom Beklagten hergestelltes oder verkauftes Produkt, ohne grundlegende Veränderungen in den Besitz des Klägers gelangt ist und beim Kläger durch seine Fehlerhaftigkeit einen Schaden verursacht.

    Von Jan Sebisch | Bonn

  • US-Produkthaftung: Wie entsteht ein Anspruch auf Schadensersatz?

    Das amerikanische Recht sieht für die Produkthaftung drei Anspruchsgrundlagen vor, nämlich die vertragliche Haftung, die Fahrlässigkeitshaftung und die Gefährdungshaftung.

    Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 26. Februar 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im April 2024.

    Vertragliche Haftung (breach of warranty)

    Bezüglich der vertraglichen Haftung enthalten die Vorschriften in Art. 2 des US-amerikanischen Handelsgesetzbuchs (Uniform Commercial Code - UCC), das auf Verträge über bewegliche Gegenstände anwendbar ist, ausdrückliche (express warranties) und stillschweigende Gewährleistungen (implied warranties).

    Der UCC ist kein verbindliches Gesetz; er ist vielmehr eine Empfehlung der Uniform Law Commission an die einzelnen Bundesstaaten, die in dem UCC niedergelegten Bestimmungen als Gesetz umzusetzen. Der UCC gilt in allen Bundesstaaten, unter Ausnahme einiger Teile in Louisiana.    

    Ausdrückliche Gewährleistungen

    Express warranties sind mündliche oder schriftliche ausdrückliche Zusicherungen, die sich auf die Qualität einer Ware beziehen. Grundsätzlich werden an das Vorliegen einer ausdrücklichen Zusicherung relativ niedrige Anforderungen gestellt. Die Verwendung des Begriffs warranty ist nicht erforderlich. Bereits bloße Produktbeschreibungen, Produktmuster oder mündliche Erklärungen bei Abschluss des Kaufvertrages können ausdrückliche Zusicherungen darstellen. Die Grenzen zwischen der haftungsbegründenden express warranty und dem reinen, folgenlos bleibendem Verkaufsgespräch sind fließend. Möchte der Hersteller oder Verkäufer keine Zusicherung geben, muss er das deutlich machen. Werbeaussagen sollten nur mit großer Sorgfalt getroffen werden.

    Stillschweigende Gewährleistungen

    Weiterhin gewährleistet ein Kaufmann implizit die handelsübliche Verwendbarkeit des Kaufgegenstandes (warrenty of merchantability). In bestimmten Fällen wird darüber hinaus eine stillschweigende Zusicherung auf der Verkäuferseite vermutet, dass die Sache für den speziellen, vom Käufer verfolgten Zweck geeignet ist (implied warranty of fitness for a particular purpose). Der Zweck muss über den gewöhnlichen Zweck hinausgehen. In der Regel handelt es sich hierbei um Produkte, die ein gewisses Fachwissen des Verkäufers voraussetzen. Möchte ein Verkäufer die Zweckdienlichkeit ausschließen, bietet sich zum Beispiel die folgende Formulierung an: "There are no warranties which extend beyond the description on the face hereof." 

    Fahrlässigkeit (negligence)

    Eine Haftung wegen Fahrlässigkeit setzt die Verletzung einer Sorgfaltspflicht (duty of care) und Kausalität voraus. Die Sorgfaltspflicht ist verletzt, wenn eine Handlung nicht so vorgenommen wurde, wie sie eine vernünftig handelnde Person in derselben Situation vorgenommen hätte. Kausalität ist gegeben, wenn der Schaden ohne Zutun des Beklagten nicht eingetreten wäre (but for-rule). Zur Geltendmachung eines Haftungsanspruch muss der Kläger zusätzlich einen Schaden nachweisen. Sorgfaltspflichten werden oftmals von Spezialgesetzen vorgegeben.

    Gefährdungshaftung (strict liability)

    Bei der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung handelt es sich wohl um die relevanteste Anspruchsgrundlage. Sie liegt vor, wenn ein vom Beklagten hergestelltes oder verkauftes Produkt, ohne grundlegende Veränderungen in den Besitz des Klägers gelangt ist und beim Kläger durch seine Fehlerhaftigkeit einen Schaden verursacht. Der amerikanischen Gefährdungshaftung in Bezug auf die Produkthaftung liegt der gleiche Grundgedanke wie in Deutschland zugrunde. Der Hersteller hat gegenüber seinen Konsumenten eine besondere Verantwortung und soll mithin auch für Schäden, die durch seine Produkte entstehen, die Verantwortung übernehmen. In Bezug auf die Entstehung der Gefährdungshaftung ist eine direkte Vertragsbeziehung nicht erforderlich und es ist unerheblich, ob der Beklagte seine Sorgfaltspflicht erfüllt hat. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten der Gefährdungshaftung: Herstellungsfehler (manufacturing defects), Designfehler (design defects) und Instruktionsfehler (inadequate instructions or warnings).

    Herstellungsfehler

    Im Rahmen eines Herstellungsfehler weicht das Produkt wesentlich von der Produktlinie ab. Typische Beispiele für Herstellungsfehler sind Materialfehler oder die nicht ordnungsgemäße Montage.

    Designfehler

    Designfehler liegen vor, wenn das Produkt den allgemeinen Qualitätsanforderungen nicht gerecht wird. Design defects werden nach der Verbrauchererwartung (consumer expextations) oder einer Kosten-Nutzen-Analyse (risk-benefit test) beurteilt. Ein Produkt ist nach dem consumer expectations test fehlerhaft, wenn es nicht den vernünftigen Sicherheitserwartungen eines gewöhnlichen Verbrauchers entspricht. Mithin kommt es darauf an, ob der Verbraucher das Produkt als gefährlich einstuft oder nicht. Beim risk-benefit test werden die mit dem Produkt verbundenen Gefahren gegen dessen Vorteile abgewogen. In die Beurteilung fließen verschiedene Faktoren ein. Unter anderem wird hier abgestellt auf den Nutzen für den einzelnen Verbraucher, die Wahrscheinlichkeit eines Schadens und dessen mögliche Ausmaße, die Möglichkeit der Nutzung eines vergleichbaren, weniger gefährlichen Produkts, die Gelegenheit zur Nachbesserung, die Kenntnis des Verbrauchers von der Gefährlichkeit des Produkts sowie die Verfügbarkeit von Versicherungen. In einer Vielzahl von Fällen werden Haftungsansprüche nach der consumer expectation sowie dem risk-benefit test beurteilt.   

    Instruktionsfehler

    Kläger machen in Produkthaftungsprozessen oft geltend, dass der Hersteller bei dem Vertrieb seiner Produkte Instruktionspflichten verletzt hat. Sowohl für Designfehler wie auch für Fehler aufgrund unzureichender Warnungen und Instruktionen gilt ein reasonableness standard. Der Hersteller haftet, wenn vorhersehbare Risiken durch ein vernünftiges alternatives Design beziehungsweise vernünftige Instruktionen und Warnungen hätten verringert oder vermieden werden können.

    Von Jan Sebisch | Bonn

  • US-Produkthaftung: Wer haftet?

    Grundsätzlich ist jeder schadensersatzpflichtig, der an der Lieferkette beteiligt ist.

    Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 23. April 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im April 2024.

    Ersatzpflichtige Personen

    Ersatzpflichtig aus Produktgefährdungshaftung ist grundsätzlich jeder, der an dem gewerblichen Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts beteiligt ist. Hierzu gehören insbesondere Hersteller, Zulieferer, Großhändler, Einzelhändler, Importeure und Endverkäufer. 

    Auf den Geschäftssitz der beteiligten Personen kommt es nicht an. Damit können auch in Deutschland ansässige Hersteller oder Zulieferer, die ihre Produkte in die USA liefern, vor US-Gerichten verklagt werden.

    Da die Produkthaftung nicht nur durch den gewerblichen Verkauf, sondern auch durch ein sonstiges Inverkehrbringen ausgelöst wird, können auch Leasinggeber, Werkunternehmer, Verpächter, Verleiher, Lizenzgeber, Hinterleger und Bauunternehmer ersatzpflichtig sein.

    Die Haftung tritt unabhängig davon ein, ob der Beklagte selbst die Möglichkeit hatte, auf Fabrikation, Konstruktion, Anweisungen oder Warnungen Einfluss zu nehmen. Viele Bundesstaaten sehen in ihren Gesetzen allerdings vor, dass die Hersteller eine primäre Haftung trifft und Lieferanten, Großhändler oder Verkäufer nur subsidiär in Anspruch genommen werden können. Eine solche nachrangige Haftung besteht gegenwärtig zum Beispiel in den Bundesstaaten Delaware und Maryland.

    Andere Bundesstaaten, wie zum Beispiel Georgia und South Dakota, nehmen Verkäufer, die die Ware nur weiterverkaufen und nicht selbst herstellen, sogar ganz von der strict liability aus.

    Ersatzpflichtig können auch sogenannte Quasi-Hersteller sein, die sich darauf beschränken, ihren Namen, ihre Marke oder andere Unternehmenszeichen auf Produkten anzubringen.

    Haftung von Zulieferern

    Nach dem 3rd Restatement of Torts (Products Liability) unterliegt der Hersteller eines Zulieferteils der Gefährdungshaftung, wenn das Zulieferteil zu dem Zeitpunkt, indem es den Geschäftsbereich des Zulieferers verließ, fehlerhaft war. Ferner haftet er, wenn er an dem Einbau des Zulieferteils in das Produkt wesentlich beteiligt war, der Einbau des Zulieferteils das Produkt fehlerhaft gemacht und dieser Produktfehler den Schaden verursacht hat. 

    Hat der Zulieferer keine Kenntnis von und keine Kontrolle über nachfolgende Nutzungen, ist er unter Umständen von einer Haftung befreit (Walker v. Stauffer Chem. Corp. (Cal. App. 1971)). 

    Haftung mehrerer Personen

    Mehrere Beklagte können im Rahmen der unerlaubten Handlung allein oder gesamtschuldnerisch unabhängig von ihrem individuellen Verschuldensanteil in Höhe der vollen Schadenssumme (joint and several liability) in Anspruch genommen werden. Die Regelung soll den Kläger vor dem Risiko eines insolventen oder unerreichbaren Beklagten schützen. Dies führt allerdings dazu, dass ein Beklagter trotz einer minimalen Haftung den ganzen Schaden zu tragen hat. Aus diesem Grund kommt immer mehr die Doktrin der vergleichbaren Fahrlässigkeit (comparative negligence) zum Tragen, in deren Rahmen ein Anspruch anteilig nach dem Verschuldensgrad gekürzt wird.   

    In den Bundesstaaten, in denen im Außenverhältnis die Möglichkeit einer gesamtschuldnerischen Haftung existiert, bestehen im Innenverhältnisse Ausgleichsansprüche, deren Höhe entweder durch die Anzahl der "Köpfe" oder durch den jeweiligen Verschuldensanteil bestimmt wird.

    Haftungsbeschränkung oder Haftungsausschluss 

    Dem Beklagten stehen verschiedene Einreden zur Verfügung, die seine Haftung beschränken oder ausschließen können. Im Rahmen der Gefährdungshaftung (strict liability) kann ein Beklagter zum Beispiel geltend machen, dass dem Kläger das Risiko bewusst war und er es freiwillig in Kauf genommen hat, dann besteht kein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller (assumption of the risk). Sofern es sich um eine vertragliche Haftungsgrundlage handelt, stehen dem Beklagten alle Einreden des Vertragsrechts zur Verfügung.

    Ferner ist die Vereinbarung vertraglicher Freistellungsansprüche aus Sicht des Herstellers insbesondere für das Verhältnis zu seinen Zulieferern sinnvoll; die Wirksamkeit einer derartigen Klausel unterliegt dabei einer gerichtlichen Billigkeitsüberprüfung. Erforderlich ist eine in etwa vergleichbare Verhandlungsmacht beider Vertragsparteien. Der Hersteller kann grundsätzlich seine die Haftung begründenden Pflichten delegieren, hingegen ist es dem Hersteller grundsätzlich nicht erlaubt, die Haftung für Montage, Einstellung und Überprüfung von technischen Einrichtungen auf den Händler zu übertragen. Maßgebend sind stets die Umstände des Einzelfalls.

    Von Jan Sebisch, Alexander von Hopffgarten

  • US-Produkthaftung: Inhalt und Umfang der Ersatzpflicht

    Geschädigte klagen in amerikanischen Produkthaftungsprozessen üblicherweise von Anfang an sehr hohe Schadensersatzsummen ein.

    Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 2. März 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im Oktober 2023.

    Das amerikanische Recht unterscheidet bei Produkthaftungsansprüchen grundsätzlich zwischen dem kompensierenden Schadensersatz (compensatory damages) und dem Schadensersatz mit Strafcharakter (punitive damages). Im Vordergrund steht das Kompensationsprinzip. Der Kläger soll so gestellt werden, wie er stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Die Kompensation erfolgt auf finanzieller Ebene. Dieser Gedanke kommt beim Schadensersatz mit Strafcharakter nicht zum Tragen. Der Schadensersatz mit Strafcharakter soll den Beklagten für sein Verhalten bestrafen und eine Warnung für Dritte sein.

    Kompensierender Schadensersatz (compensatory damages)

    Durch den kompensierenden Schadensersatz sollen die tatsächlich erlittenen Schäden ausgeglichen werden. Umfasst hiervon sind materielle Schäden (pecuniary loss) sowie immaterielle Schäden (non-pecuniary losses).  

    Zu berücksichtigen ist, dass der kompensierende Schadensersatz von Laienrichtern beziehungsweise einer jury festgelegt wird. Es bestehen allerdings seitens der Gerichte Kontrollmöglichkeiten in Form von remittitur und additur. Remittitur fordert von der Jury die Minderung der zugesprochenen Summe. Sofern die Jury dem nicht folgt, ist nicht der Vorschlag des Richters entscheidend, vielmehr wird das Verfahren neu aufgerollt. Im Gegensatz dazu bewirkt additur eine Korrektur der zugesprochenen Summe nach oben. Hinsichtlich dessen gilt es allerdings zu beachten, dass diese Vorgehensweise von einigen Gerichten im Hinblick auf die verfassungsmäßige Bedeutung des jury trial als verfassungswidrig erachtet wird. Schadensersatzzahlungen die zum Ausgleich tatsächlich erlittener Schäden eingeklagt werden können, sind unter anderem Personen-, Sach- und Vermögensschäden.   

    Personenschäden (personal injuries)

    Der Ersatz von Personenschäden infolge eines fehlerhaften Produkts ist nach allen Haftungsgrundlagen (vertragliche Haftung, Fährlässigkeit, Gefährdungshaftung) möglich. Im Rahmen von Personenschäden werden insbesondere die Behandlungskosten ausgeglichen. Die Personenschäden umfassen gegebenenfalls auch die psychischen Beeinträchtigungen (emotional distress). Die Entscheidungspraxis der Gerichte zur Ersatzfähigkeit psychischer Beeinträchtigungen ist von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich. Zum Teil sind körperliche Begleitschäden erforderlich. Die Voraussetzungen, unter denen außenstehende Personen Schadensersatz für psychische Schäden verlangen können, die ihnen daraus entstehen, dass sie die Verletzung eines Dritten miterlebt haben (bystanders), sind ebenfalls unterschiedlich beziehungsweise unter den US-Gerichten sehr umstritten.

    Sachschäden (property damages)

    Sachschäden können im Rahmen der Fahrlässigkeitshaftung (liability for negligence) sowie der Gefährdungshaftung (strict liability) zugesprochen werden. Bei Ansprüchen aus der Gewährleistungshaftung ist die Ersatzfähigkeit davon abhängig, inwieweit der betreffende Bundesstaat den Uniform Commercial Code übernommen hat.

    Vermögensschäden (pure economic loss)

    Vermögensschäden sind Nachteile, die der benutzenden Person daraus entstehen, dass das Produkt hinter den versprochenen Leistungen zurückbleibt. Hierzu zählen der Minderwert des Produkts, Kosten für eine Ersatzbeschaffung, entgangener Gewinn, Folgeschäden an anderen Rechtsgütern oder sonstige wirtschaftliche Folgeschäden, wie zum Beispiel Anwalts- und Gerichtskosten oder Haftungsverpflichtungen gegenüber Dritten. Die Frage, ob ein Vermögensschaden ersetzt wird, ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da diese Schäden oftmals den Großteil der entstandenen Schäden ausmachen. Viele Gerichte vertreten die Ansicht, dass ein Kläger, der durch ein fehlerhaftes Produkt allein einen Vermögensschaden erlitten hat, diesen ausschließlich unter den Voraussetzungen der Gewährleistungshaftung geltend machen kann. Eine einheitliche Rechtsprechung existiert allerdings nicht.

    Strafschadensersatz (punitive damages)

    Die Verurteilung zu Strafschadensersatz (punitive damages) ist eine Besonderheit des amerikanischen Schadensersatzrechts. Kaum eine andere Rechtsfrage ist häufiger Gegenstand von im Ausland geführten Diskussionen über das amerikanische Recht. Generell gilt, dass sensationelle Pressemeldungen nicht die Wirklichkeit vor amerikanischen Gerichten widerspiegeln. Die Furcht vieler deutscher Unternehmen vor astronomischen punitive damages ist oft unbegründet. Grundsätzlich gilt: Auch in den USA werden punitive damages nur in seltenen Fällen ausgesprochen.

    Punitive damages werden dem Verursacher im amerikanischen Prozess zusätzlich zum tatsächlichen Schadensersatz auferlegt. Sinn und Zweck sind die individuelle Bestrafung des Beklagten, die Genugtuung des Opfers sowie die abschreckende Wirkung. Strafschadensersatz kann grundsätzlich nur bei deliktischen Ansprüchen, nicht bei vertraglichen Ansprüchen geltend gemacht werden.

    Die Zuerkennung von punitive damages setzt, vorbehaltlich der Unterschiede in den einzelnen Bundesstaaten, ein besonders verwerfliches Verhalten des Beklagten voraus. Dem Beklagten muss eine besonders rücksichtlose (reckless) oder absichtliche (willful) Schadensverursachung, die als böswillig oder arglistig (malice) zu qualifizieren ist, zur Last fallen.

    Die Höhe der punitive damages bemisst sich nach dem Charakter der Handlung, der Art der Verletzung und der Finanzkraft des Beklagten. Letzteres resultiert aus der Prämisse, dass der Beklagte die Zahlung von Strafschadensersatz "spüren" soll. Deswegen fallen punitive damages bei Großunternehmen auch tendenziell höher aus.

    Von Jan Sebisch | Bonn

  • US-Produkthaftung: Produktbeobachtungs- und Informationspflicht

    Ein Hersteller ist auch nach dem Inverkehrbringen eines Produkts verpflichtet, das Produkt und dessen Wechselwirkung mit anderen Produkten aufmerksam zu beobachten.

    Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 25. Mai 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im April 2024.

    Produktbeobachtungspflicht

    In den USA besteht mit Ausnahme von Arzneimitteln und medizinischen Geräten keine unmittelbare permanente Produktbeobachtungspflicht. Allerdings können Hersteller nach einzelstaatlichen Bestimmungen einer general post-sale warning duty sowie nach Bundesrecht einer Berichtspflicht gegenüber Verbraucherschutzbehörden unterliegen, was faktisch eine kontinuierliche Produktbeobachtungspflicht zur Folge hat.

    Wie Unternehmen ihre Produktbeobachtung organisieren ist nicht geregelt. Es gibt in diesem Bereich deswegen auch kein Richtig oder Falsch, sondern allenfalls "unsorgfältig". Dabei kommt es zum Beispiel auf die Produktverantwortung des Unternehmens im Herstellungsprozess und den Typ seiner Produkte an. Ein Hersteller von Kühlschränken, der unmittelbar für den privaten Endverbrauch produziert, muss seine Produkte anders beobachten als ein Zulieferer von Metallstiften, der ausschließlich für den gewerblichen Bereich produziert. Deswegen gibt es auch keine allgemeine Regel dafür, wie ein Unternehmen seine Produktbeobachtung organisieren sollte. Ein Unternehmen kann dafür eine eigene Einheit zum Beispiel im Bereich des Kundenservice oder der Qualitätssicherung vorsehen. Die konkrete Ausgestaltung ist auch davon abhängig, ob das Unternehmen Standorte oder Vertriebspersonal im Ausland hat. Ist das der Fall, ist eine Vernetzung, vor allem zur Sicherstellung eines weltweiten Informationsaustauschs rund um die Uhr, wohl unverzichtbar.

    Die Produktbeobachtung sollte auf jeden Fall so organisiert sein, dass so viele produktrelevante Informationen wie möglich gesammelt und systematisch ausgewertet werden können. Quellen für die Datensammlung können sein

    • der unternehmenseigene Kundenservice,
    • Vertragshändler, Vertragswerkstätten,
    • Untersuchungen externer Marktforschungsunternehmen,
    • Veröffentlichungen von Verbraucherorganisationen oder Fachzeitschriften.

    Unternehmen sollten ihren jeweiligen Einheiten Vorgaben machen, wie sie mit Informationen umgehen müssen. Autohersteller verpflichten zum Beispiel regelmäßig ihre Vertragshändler und Werkstätten in Verträgen, alle Garantiefälle, Reparaturen, Kundenbeschwerden etc. an bestimmte Auswertungsstellen im Unternehmen routinemäßig im Tages-, Wochen- oder Monatsrhythmus weiterzuleiten. Die Auswertung der gesammelten Informationen muss sicherstellen, dass neben den erforderlichen technischen Schlussfolgerungen auch die richtigen rechtlichen Entscheidungen getroffen werden. Bei letzteren geht es vor allem um die Frage, ob die Informationen nachträgliche öffentliche Warnhinweise des Unternehmens oder einen Produktrückruf erforderlich machen.

    Warn- und Informationspflicht

    Die kontinuierliche Produktbeobachtung kann ergeben, dass ein Produkt Sicherheitsrisiken birgt. Hersteller, Vertrags- und Einzelhändler sowie gegebenenfalls auch Importeure sind in diesem Fall verpflichtet, auf diese Risiken im Umgang mit ihren Produkten hinzuweisen und vor Gefahren zu warnen. Diese Informations- und Warnpflicht kann gegenüber dem einzelnen Käufer und/oder einzelnen Verbraucherschutzbehörden bestehen.

    Nachvertragliche Warnpflicht gegenüber Käufern

    Hersteller, Lieferanten und Verkäufer können nach dem Zeitpunkt des Verkaufs und dem Gefahrübergang eines Produkts verpflichtet sein, Käufer auf bestimmte Risiken hinzuweisen und sie vor einem bestimmten Produktgebrauch zu warnen. In vielen Bundesstaaten gilt - wenn auch mit unterschiedlichen Voraussetzungen - eine post-sale warning duty. Diese nachvertragliche Warnpflicht kann gesetzlich geregelt oder zumindest von den einzelnen Gerichten fallrechtlich anerkannt sein.

    Voraussetzungen

    Trotz der prinzipiellen Anerkennung einer post-sale warning duty können die Voraussetzungen, unter denen amerikanische Gerichte eine nachvertragliche Warnpflicht annehmen, voneinander abweichen.

    Viele Gerichte bejahen eine post-sale warning duty nur dann, wenn ein Produkt bereits im Zeitpunkt des Verkaufs einen Defekt hatte. Nach dieser Rechtsprechung ist die post-sale warning duty auf Fälle beschränkt, in denen ein Produkt zwar schon von Beginn an defekt war, der Defekt aber erst später entdeckt worden ist. Einige Gerichte bejahen eine nachvertragliche Warnpflicht auch bei defektfreien Produkten, wenn der Hersteller nach dem Inverkehrbringen erfährt, dass sein Produkt von Verbrauchern modifiziert oder missbräuchlich verwendet wird und dadurch Personen- und Sachgefahren entstehen, die er als Hersteller angemessen vorhersehen kann.

    Informationspflicht gegenüber Behörden

    Hersteller, Lieferanten, Verkäufer und weitere Verantwortliche in der Herstellungs- und Lieferkette eines Produkts müssen beachten, dass sie unabhängig von dem Bestehen einer nachvertraglichen Warnpflicht gegenüber einzelnen Käufern verpflichtet sein können, einzelne Behörden auf bestimmte Gefahren oder Umstände ihrer Produkte hinzuweisen. Solche Hinweise gegenüber den Behörden können dazu führen, dass eine Behörde den Produktverantwortlichen per Anordnung auch zu Warnungen gegenüber der Öffentlichkeit und einzelnen Käufern verpflichtet.

    Grundlage sind in diesen Fällen spezielle gesetzliche Bestimmungen. Welche dieser Bestimmungen zu beachten sind, ist von der Risikobeschaffenheit eines Produkts abhängig. Produkte für Verbraucher ohne besondere Risikomerkmale fallen in der Regel unter die reporting requirements des allgemeinen amerikanischen Verbraucherschutzgesetzes, dem Consumer Product Safety Act (CPSA). Dieses Bundesgesetz, das im United States Code, Title 15, §§ 2051 bis 2084 geregelt ist, gilt für rund 15.000 verschiedene Produkttypen im privaten Wohn-, Schul- und Freizeitbereich.

    Von Jan Sebisch, Alexander von Hopffgarten

  • US-Produkthaftung: Produktrückruf und Vertriebsstopp

    In Einzelfällen ordnen Behörden einen Vertriebsstopp an, wenn von dem Produkt ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Öffentlichkeit ausgeht.

    Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 05. Mai 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im April 2024.

    Produktrückruf

    Die Consumer Product Safety Commission (CPSC), die als unabhängige Regulierungsbehörde des Bundes vom Kongress im Rahmen des Consumer Product Safety Act (CPSA) 1972 gegründet worden ist und die Öffentlichkeit vor unangemessenen Risiken von Verletzungen und Todesfällen im Zusammenhang mit Konsumgütern schützen soll, registriert jährlich eine Vielzahl sogenannter corrective actions von Unternehmen. Hierzu gehören Rückrufe, Reparaturen oder Produktveränderungen. Ein Produktrückruf muss allerdings nicht immer geboten sein. Es kann auch (zunächst) genügen, Verbrauchern weitere Informationen oder Warnhinweise zukommen zu lassen, die über den richtigen Umgang mit einem Produkt informieren.  

    Die Praxis zeigt allerdings, dass die Unternehmen häufig ihr Produkt unverzüglich zurückrufen, statt Zwischenmaßnahmen einzuleiten. Sie kommen damit einer möglichen späteren Anordnung der CPSC zuvor. Das kann nicht nur unter Marketinggesichtspunkten, sondern auch im Hinblick auf eventuelle spätere Produkthaftungsprozesse wichtig sein. Ein zögerliches Verhalten kann bei den Geschworenen im Prozess wichtige Sympathiepunkte kosten. 

    Ein Überblick über Produktrückrufe kann auf der Internetseite der CPSC abgerufen werden. 

    Eine andere Behörde, die National Highway Traffic Safety Administration, überwacht die Sicherheit von Fahrzeugen und Zubehör, wie zum Beispiel Kindersitze und Airbags. Sie hat seit dem Jahr 1966 mehr als 390 Millionen Fahrzeuge wegen Sicherheitsmängeln aus dem Verkehr gezogen.

    Für Medikamente und medizinische Geräte ist die Federal Drug Administration (FDA) zuständig. 

    Beurteilung im Prozess

    Kläger machen in Produkthaftungsprozessen häufig geltend, dass der Beklagte Hersteller, Zwischenhändler oder Verkäufer nicht nur gegen seine Warnpflicht, sondern auch gegen seine Pflicht zum Rückruf seines Produkts verstoßen hat.

    Amerikanische Gerichte sind grundsätzlich zurückhaltend mit der Annahme einer Pflicht zum Produktrückruf. Klagen oder einstweilige Rechtschutzanträge gegen Hersteller mit dem Ziel, den Hersteller zu einem Produktrückruf zu verpflichten, haben deswegen geringe Erfolgsaussichten. Eine richterliche Anordnung zum Produktrückruf kommt in der Regel nicht in Betracht, da die Gerichte insoweit die Verbraucherschutzbehörden für besser geeignet halten, einen Produktrückruf anzuordnen.

    Anordnung durch Behörden

    Der Produktrückruf infolge einer behördlichen Anordnung spielt in der Praxis auf den ersten Blick keine große Rolle. Die meisten Produktrückrufe in den USA erfolgen freiwillig. Das liegt allerdings häufig nur daran, dass Unternehmen ein Einschreiten der CPSC oder anderer Verbraucherschutzbehörden unbedingt vermeiden wollen. Zudem hat die CPSC im Jahr 1997 ein sogenanntes Fast Track Product Recall Program eingeführt. Dieses Programm sieht vor, dass ein Unternehmen, das aus eigener Initiative die CPSC über potenzielle Sicherheitsrisiken seiner Produkte informiert und im Anschluss freiwillig innerhalb von 20 Tagen einen Rückruf veröffentlicht (consumer-level voluntary recall), nicht befürchten muss, dass die CPSC das betreffende Produkt als ein substantial product hazard klassifiziert.

    Inhaltliche Vorgaben

    Der freiwillige Produktrückruf unterliegt keinen gesetzlichen Inhaltsbestimmungen. Sein Inhalt und die Form sind von den Umständen im Einzelfall abhängig (Art des Produkts, Verbreitungsgrad und -dauer, Haltbarkeit des Produkts usw.) sowie davon, wie die CPSC den Fall bewertet. Stellt die CPSC fest, dass ein Produkt gegen eine gesetzliche Bestimmung verstößt, teilt sie das dem produktverantwortlichen Unternehmen in der Regel in einem Letter of Advice (LOA) mit. Ein solcher LOA enthält oftmals auch die Aufforderung, einen Aktionsplan zur Beseitigung des Verstoßes vorzulegen (corrective action plan). Ein Unternehmen muss in diesem Plan konkret erläutern, wie es seine gesetzliche Verpflichtung erfüllen möchte. Für den Fall, dass das Unternehmen einen Produktrückruf ins Auge fasst und die CPSC diese Maßnahme für sachgerecht hält, erarbeiten Unternehmen und CPSC in der Regel einen konkreten Rückrufplan.

    Auch die FDA bietet Unternehmen, die einen Rückruf für ihr Produkt beabsichtigen, einen Leitfaden zum effektiven, freiwilligen Rückruf.

    Vertriebsstopp

    Die CPSC darf gegenüber Herstellern, Lieferanten oder Händlern anordnen, dass der Vertrieb eines Produkts, von dem ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Öffentlichkeit ausgeht (substantial product hazard), eingestellt wird und die am Vertrieb beteiligten Personen sofort von dem Vertriebsverbot unterrichtet werden, 15 USC § 2064 (c) (1) (A) (B). Eine solche Anordnung setzt nach 15 USC § 2064 (c) (1) eine vorherige Anhörung voraus, es sei denn, die CPSC stuft das Gefahrenrisiko als besonders akut ein (imminently hazardous) und hat deswegen bereits die richterliche Beschlagnahme des Produkts beantragt.

    Versicherung

    Der Rückruf von Produkten kann teuer sein. Eine separate Rückrufkostenversicherung kann viele dieser Kosten abdecken. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Versicherungsbedingungen von Policen, die auf dem deutschen Markt vertrieben werden, Auslandsrisiken und den nordamerikanischen Markt im Besonderen häufig ausschließen.

    Von Jan Sebisch, Alexander von Hopffgarten

  • US-Produkthaftung: Krisenmanagement im Produkthaftungsfall

    Geschickte Prozesstaktiken können eine Produkthaftungsklage abwehren.

    Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 29. April 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit erforderlich - aktualisiert im Dezember 2023.

    Prozess- und Verfahrenskosten

    Für den Kläger ist die Erhebung einer Klage gegen den Hersteller kaum mit Risiken verbunden, selbst wenn er den Prozess verlieren sollte. Er läuft nur in seltenen Fällen Gefahr, die Anwaltskosten der anderen Partei zu tragen. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass das beklagte Unternehmen verpflichtet ist, seine Anwaltskosten zu tragen, auch wenn es sich erfolgreich vor Gericht verteidigen kann.

    Eigene Anwälte werden oftmals auf Erfolgsbasis (contingency fee) tätig, sodass der Kläger nur die Anwaltsgebühren zu zahlen hat, wenn er den Prozess gewinnt oder es zumindest zu einem Vergleich kommt. Die Gerichtskosten sind streitwertunabhängig und durchgehend niedrig, was nach amerikanischem Verständnis den Zugang zu den Gerichten erleichtern soll, sich im Vergleich zu Deutschland jedoch einseitig zu Gunsten der amerikanischen Klägerseite auswirkt.

    Das amerikanische Gerichtssystem ist für Außenstehende kompliziert: Einzelstaatliche Gerichte und Bundesgerichte sind parallel zuständig, die Rollen des Richters und des Rechtsanwalts sind mit ihren Funktionen in unserem kontinentaleuropäischen Rechtskreis nur eingeschränkt vergleichbar.

    Beweisermittlung

    Besondere Beachtung ist der Beweisermittlung zwischen Klageerhebung und mündlicher Verhandlung (pretrial discovery) zu schenken, da die Ermittlungsmethoden, die Vorlageverlangen und die in diesem Zeitraum durch Anwälte durchgeführten Vernehmungen erheblich über das nach deutschem Recht Übliche hinausgehen und äußerst zeit- und kostenintensiv sind.

    Im Rahmen des discovery-Verfahrens existiert eine Vielzahl an Möglichkeiten einer Prozesspartei Beweismaterial zugänglich zu machen, welches sich im Besitz der anderen Partei oder eines Dritten befindet. Dies ermöglicht dem Kläger beispielsweise, verklagte Unternehmen zur Herausgabe von Konstruktionsunterlagen zu zwingen. Die Vorlagepflicht beklagter Unternehmen erstreckt sich dabei auch auf Kontoauszüge, Bilanzen, E-Mails, postalischen Geschäftsverkehr, hausinterne Vermerke oder Protokolle. 

    Die Bundesrepublik Deutschland und die USA haben das Haager Beweisübereinkommen (HBÜ) vom 18. März 1970 ratifiziert (Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen, BGBl. II 1977 II. S. 1472ff.). Nach dem deutschen Vorbehalt zu Art. 23 HBÜ ist jedes Landesjustizministerium befugt, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen abzulehnen, die ein Verfahren zum Gegenstand haben, das in den USA unter der Bezeichnung "pretrial discovery of documents" bekannt ist. Der Umfang der Rechtshilfe im Hinblick auf das Ersuchen um Urkundenvorlage liegt damit im Ermessen der deutschen Justizbehörden.

    Unabhängig hiervon sollten sich Unternehmen bewusst sein, welche Unterlagen gegebenenfalls dem Zugriffsbereich einer discovery-Anordnung unterfallen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach verbreiteter US-Rechtsprechung von Klägern durchgeführte pretrial discovery-Maßnahmen in Deutschland nicht im Rahmen des Haager Beweisübereinkommens durchgeführt werden müssen, jedenfalls nicht, solange das Gericht noch nicht über die Zuständigkeit (personal jurisdiction) entschieden hat (Fishel v. BASF Group, 175 F.R.D. 525 (S.D. Iowa 1997)).

    Einrede der Unzuständigkeit US-amerikanischer Gerichte für nicht ansässige Beklagte

    Ein nicht in den USA ansässiger Beklagter, der in einem bestimmten Bundesstaat verklagt wird, kann unter bestimmten Voraussetzungen erfolgreich vorbringen, dass das angerufene Gericht nicht befugt ist, richterliche Gewalt über ihn auszuüben (personal jurisdiction).

    Allerdings existiert im US-amerikanischen Recht kaum ein Rechtsgebiet, das die US-Rechtsprechung mehr beschäftigt als personal jurisdiction. Der U.S. Supreme Court hat in einer Vielzahl von Entscheidungen versucht, die Zuständigkeitsgrenzen der US-Gerichte, die er in ständiger Rechtsprechung aus der Due Process Clause der Verfassung ableitet, festzusetzen. Die hierdurch geschaffene Rechtslage ist allerdings äußerst kompliziert und komplex.

    Besonders umstritten ist die Begründung der (specific) personal jurisdiction für Produkthaftungsklagen gegen ausländische Hersteller auf Grundlage der stream-of-commerce Theorie. Bei der stream of commerce-Zuständigkeit geht es primär um die Frage, ob US-Gerichte internationale Zuständigkeit ausüben können, wenn die Produkte eines ausländischen Herstellers durch den Handelsstrom in die USA gelangen und dort ein Rechtsgut verletzten.

    In J.McIntyre Maschinery Ltd. Vs. Nicastro verneinte der U.S. Supreme Court (specific) personal jurisdiction der Gerichte in New Jersey gegen den britischen Hersteller einer Maschine, die in New Jersey einen Personenschaden verursachte. Allerdings konnten die Richter sich nicht auf eine mehrheitliche Begründung einigen. Da der Hersteller selbst keinen Kontakt mit New Jersey hatte und die Maschine auch nicht dahin verkaufte, verneinten vier Richter das Bestehen von Zuständigkeit aufgrund einer stream-of-commerce Produkthaftung, ein Ergebnis (nicht der Begründung), dem sich ein weiterer Richter anschloss. Vier andere Richter vertraten hingegen die Ansicht, dass der Erfolgsort (Schadenseintritt) die Zuständigkeit begründe. Die unterschiedlichen Auffassungen der Richter eröffnen einen weitreichenden Interpretationsspielraum und die Entscheidung wird teilweise sogar als Hinweis auf eine Ausweitung der Zuständigkeit der US-Gerichte für Produkthaftungsklagen gegen ausländische Hersteller betrachtet.  

    Personal jurisdiction wird oft als „the Supreme Court’s thousand-piece jigsaw puzzle“ bezeichnet und die internationale Zuständigkeit über mehrere Instanzen genauso zeit- und kostenintensiv angefochten wie die materiellrechtlichen Fragen eines Rechtsstreits. 

    Von Jan Sebisch, Alexander von Hopffgarten

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