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Immer mehr Unternehmen produzieren im Südosten der USA
Die Wirtschaft an der Südostküste verändert sich tiefgreifend. E-Autos und erneuerbare Energien treiben diese Entwicklung – dank hoher Steuergutschriften für saubere Technologien.
14.08.2023
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Die wirtschaftliche Bedeutung des Südostens steigt. Laut einem Bloomberg-Bericht haben die Bundesstaaten Florida, Georgia, North Carolina, South Carolina sowie Texas in den letzten zwei Jahren mehr zum US-Bruttoinlandsprodukt beigetragen als der traditionell wirtschaftsstarke Nordostkorridor Washington DC/New York/Boston.
Niedrige Energiekosten locken Industrieunternehmen
Ein Trumpf sind unter anderem niedrigere Energiekosten. In Georgia, Mississippi, North Carolina und South Carolina lag der durchschnittliche Industriestrompreis pro Kilowattstunde nach Angaben der Energy Information Administration (EIA) im Mai 2023 unter 7 US-Cent, in Tennessee sogar nur bei knapp über 6 Cent. Bei dem hohen Energieeinsatz für die Batterieherstellung können sich für eine Fabrik dadurch gegenüber Bundesstaaten wie Michigan (8,18 Cent) und Illinois (8,54 Cent) beträchtliche Einsparungen ergeben.
Auch ist der Südosten der USA bereits seit vielen Jahren auf industrielle Fertigung ausgerichtet und verfügt über gut ausgebildete Arbeitskräfte. In diesem Teil des Landes sind die Beschäftigten zudem weniger stark gewerkschaftlich organisiert. Alle Bundesstaaten dort haben "Right to Work"-Gesetze: Angestellte können in einem Unternehmen arbeiten ohne Mitglied einer Gewerkschaft zu sein. Das schwächt Arbeitnehmerorganisationen tendenziell. Nach Angaben des U.S. Bureau of Labor Statistics verdienen zum Beispiel Kfz-Servicetechniker und Mechaniker in Georgia, South Carolina und Tennessee rund 5 bis 10 Prozent weniger als in Michigan.
Ferner bieten Bundesstaaten, Landkreise (sogenannte "Counties"), Städte und Gemeinden Anreize in Form von Steuervergünstigungen und Grundstücken. Weitere Unterstützungsmaßnahmen sind der Bau von Versorgungseinrichtungen und Straßenanschlüssen.
Immer mehr E-Auto- und Batteriefabriken im Südosten
Bereits in den letzten Jahren hat Germany Trade & Invest (GTAI) gemeinsam mit der Deutsch-Amerikanischen Auslandshandelskammer in Atlanta (AHK USA-Süd) Geschäftsmöglichkeiten im Südosten der USA wiederholt beleuchtet. Im Fokus standen der Automobil-, Maschinen- und Luftfahrzeugbau.
Vor allem die Kfz-Industrie setzt einen Trend bei der Standortwahl. Dank der massiven Elektroautoförderung durch die US-Regierung zieht es Hersteller häufig in die südlichen Bundesstaaten: Autobauer rüsten ihre Werke auf E-Fahrzeuge um, Batteriehersteller ziehen in ihrer Nähe neue Fabriken hoch. Auch Förderung spielt eine wichtige Rolle. Tennessee etwa unterstützt die Investitionspläne von Ford und dem südkoreanischen Zulieferer SK Innovation für ein neues E-Fahrzeugwerk samt Batteriefabrik mit einem Anreizpaket in Höhe von 884 Millionen US-Dollar (US$). Dazu kommen Sachleistungen und ein Zuschuss von 2 Millionen US$ für Schulungsmaßnahmen.
Viele Erstausrüster, darunter auch die deutschen Kfz-Hersteller BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen, sind im Südosten vertreten und haben dort Zulieferer in ihrer Nähe. Auch Honda, Hyundai, Kia, Mazda, Nissan, Toyota sowie die US-Konzerne Ford Motor, General Motors und das Start-up Rivian investieren hier hohe Summen in neue Werke und Zulieferpartnerschaften.
Ein weiteres US-Start-up, Redwood Materials, folgt einem Volvo-Werk und investiert nahe Charleston, South Carolina, 3,5 Milliarden US$ in einen "Battery Materials Campus" für Anoden- und Kathodenkomponenten. Laut dem Beratungshaus AlixPartners werden Autohersteller und Zulieferer in US-Südstaaten zwischen 2022 und 2026 fast das Vierfache dessen in E-Fahrzeuge investieren, was Bundesstaaten des Mittleren Westens in diesem Zeitraum erwarten.
Auch die Finanz-, Tech- und Gesundheitsbranchen zieht es in die Region
Andere Firmen zieht es ebenfalls in den Südosten der USA. Bei Finanzunternehmen steht Florida hoch im Kurs: Die US-Investmentfonds Colony Capital, Ark Invest und Elliott Management haben sogar den Firmensitz dorthin verlagert. Auch die Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet verlegte 2021 ihren Sitz von New Jersey nach Florida.
Unternehmen mit einem starken Technologieschwerpunkt nehmen in den letzten Jahren verstärkt Texas ins Visier. Apple, Facebook und Salesforce haben ihre Präsenz in dem Bundesstaat ausgebaut, Hewlett Packard Enterprise, Oracle und Tesla gleich ihre Zentralen dorthin verlegt.
Tennessee zieht seit einigen Jahren viele Gesundheitsdienstleister an. So wird der Pflegedienstleister CenterWell Senior Primary Care im Laufe dieses Jahres dort sieben Zentren für die medizinische Primärversorgung von Senioren eröffnen. Von allen Wirtschaftszweigen sollen Gesundheitsversorgung und Sozialhilfe dort bis 2024 die höchste Beschäftigung erreichen.
Ähnlich ist es im Nachbarstaat North Carolina, wo sich durch den "Research Triangle" ein Hub für Biotech und Medtech herausgebildet hat: Er umfasst die Metropolregionen Raleigh und Durham-Chapel und gilt dank der drei Universitäten dort – Duke University, North Carolina State University (NCSU) und University of North Carolina at Chapel Hill (UNC) – als regionales Innovations- und Technologiezentrum.
Investitionen in die Solarindustrie ziehen an
Zudem verleiht der im August 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) der Solarindustrie im US-Südosten einen kräftigen Schub. So haben zwei der größten Solarhersteller in den USA kurz nach Verabschiedung des IRA größere Investitionen angekündigt: First Solar will für 1 Milliarde US$ eine neue Fabrik im Südosten bauen und seine drei bestehenden in Ohio erweitern, und REC Silicon will gemeinsam mit Mississippi Solar eine kohlenstoffarme US-Solarlieferkette entwickeln.
Auch Meyer Burger reagiert auf die Investitionssteuergutschrift (Investment Tax Credit; ITC) für Projekte in den USA: Das Schweizer Unternehmen will ein Solarwerk bauen – allerdings nicht im Südosten, sondern in Colorado. Die Erzeugung von Solarenergie im Südosten der USA wird sich laut dem Verein Southern Alliance for Clean Energy zwischen 2022 und 2026 auf rund 40 Gigawatt mehr als verdoppeln.