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Usbekistan reformiert und modernisiert sein Gesundheitswesen
Neue Reform- und Investitionsprojekte prägen den usbekischen Gesundheitsmarkt. Ausländischen Anbietern von Ausrüstungen und Know-how bietet sich viel Geschäftspotenzial.
07.10.2022
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Die Gesundheitswirtschaft in der Republik Usbekistan befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Das mit 35 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste zentralasiatische Land begann 2017, seine Wirtschaft umfassend zu liberalisieren und zu öffnen. Die Reformen sparen auch die Gesundheitsfürsorge nicht aus. Mit zahlreichen Initiativen soll die öffentliche medizinische Versorgung signifikant verbessert werden. Zugleich erhält der Privatsektor grünes Licht für Engagements in der Branche.
Erste Erfolge der Gesundheitsreformen können sich zwar sehen lassen, doch von einer neuen Stufe der medizinischen Versorgung kann noch keine Rede sein. Es besteht noch viel Ausbaupotenzial, sodass sich ein näherer Blick auf die usbekische Gesundheitswirtschaft heute mehr denn je lohnt. Denn die Nachfrage nach Gesundheitsprodukten aller Art wächst. Auch das Interesse an Medizintechnik, fachspezifischem Know-how und Beratungsleistungen aus dem Ausland nimmt spürbar zu. Das schließt auch Kooperationen mit ausländischen Unternehmen im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften mit ein.
Marktkenner prognostizieren ein Wachstum in allen Sektoren der Branche
Der Absatz von medizintechnischer Ausrüstung, das Volumen entgeltlich gewährter medizinischer Dienstleistungen sowie die Nachfrage nach Pharmaka werden in den kommenden Jahren weiterhin kräftig zulegen, so die Prognosen führender usbekischer Gesundheitspolitiker. Der Umsatz von Medizintechnik dürfte 2025 ein Volumen von mehr als 700 Millionen US-Dollar (US$) gegenüber etwa 450 Millionen US$ im Jahr 2021 erreichen. Ein Großteil davon wird über Importe gedeckt.
Die jährlichen Ausgaben der Bevölkerung für medizinische Dienste haben sich 2021 mit rund 480 Millionen US$ gegenüber den Jahren 2017 und 2018 (im Schnitt 240 Millionen US$ pro Jahr) verdoppelt. Sie werden bis 2025 voraussichtlich auf bis zu 900 Millionen US$ steigen. Die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben bleiben aber im internationalen Vergleich immer noch auf einem niedrigen Niveau (Prognose für 2025: circa 35 US$).
Den inländischen Verbrauch von Arzneimitteln beziffert die Agentur für die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie (Uzpharmagency) für 2021 auf 1,6 Milliarden US$. Davon entfielen 1,2 Milliarden US$ auf Importe. Das jährliche Marktvolumen werde nach Einschätzung der Agentur in den nächsten Jahren im Schnitt um etwa ein Zehntel zulegen.
Gesundheitsversorgung soll flächendeckend, digital und gemeinsam mit privaten Akteuren organisiert werden
Die Entwicklung im usbekischen Gesundheitswesen wird durch folgende Reformen und Investitionsprojekte gestützt:
- Errichtung eines leistungsfähigen und flächendeckenden Netzes für die medizinische Primärversorgung (Stärkung des Hausarztprinzips, Modernisierung von Praxen und Polikliniken für die allgemein- und fachärztliche Versorgung und ab Mitte 2022 Umsetzung eines Pilotprojekts für die Einführung privater Hausarztpraxen),
- Erweiterung des Filialnetzes hoch spezialisierter Versorgungszentren in den Provinzen des Landes, so beispielsweise im Fachgebiet Chirurgie,
- weitere Entwicklung und forcierte Digitalisierung des Rettungsdienstes in allen Landesteilen,
- Ausbau des privaten Gesundheitsmarktes (die Anzahl privater medizinischer Einrichtungen stieg bereits von 3.781 Ende 2017 auf 7.320 zum 1. Mai 2022), einschließlich der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit einer ausländischen Kapitalbeteiligung (Anzahl der Joint Ventures in der medizinischen Versorgung zum 1. Mai 2022: 50),
- neue Projekte im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (PPP), darunter vor allem bei der Gründung, technischen Ausstattung und beim Betrieb von medizinischen Versorgungs-, Labor- und Analysezentren,
- quantitativer und qualitativer Ausbau der Aus- und Weiterbildung medizinischer Fachkräfte,
- landesweite Einführung einer obligatorischen Krankenversicherung für alle Bürger ab 2025 (erste Pilotprojekte in einigen Provinzen sind gestartet),
- beschleunigte Digitalisierung des Gesundheitswesens auf allen Ebenen der Gesundheitsverwaltung und der medizinischen Einrichtungen.
Projekt | Investitionssumme (in Mio. US$) | Anmerkung | Internetadresse |
---|---|---|---|
Tashkent Pharma Park, Zangiota/Provinz Taschkent (Cluster für Pharmazie: Industrie, Universität, Zentrum für klinische Forschung, Kliniken) | 240 | Realisierung in Etappen: 2020/2021 bis 2024/2025, Kofinanzierung durch die Korea Eximbank | Agentur für die Entwicklung der Pharmaindustrie/Uzpharmagency, Tashkent Pharma Park |
Ausbau/Digitalisierung der Notfallmedizin, Umbau in ein einheitliches vertikales System | 152 | Realisierung: 2018/2019 bis 2024, Digitalisierung: ab 2022/2023, Kofinanzierung durch die Weltbank | |
Multidisziplinäres Gesundheitszentrum mit dem Schwerpunkt Chirurgie (300 Betten) | 150 | Realisierung: 2022/2023 bis 2025 | |
Errichtung einer onkologischen Klinik | 150 (Kreditsumme) | Realisierung voraussichtlich ab 2023, Kredit der Korea Eximbank und des EDCF (Südkorea, Vereinbarung vom Dezember 2021) | |
Modernisierung onkologischer Zentren, 2. Projektphase | 122 | Realisierung: 2022/2023 bis 2026, Kredit der IDB über 80 Mio. US$ | |
Ausstattung medizinischer Einrichtungen der Republik Usbekistan mit Medizin- und Labortechnik | 88 | Realisierung voraussichtlich ab 2023, Kredit der Korea Eximbank und des EDCF (Südkorea, Vereinbarung vom Dezember 2021) | |
Digitalisierung des Gesundheitswesens | 50 | Realisierung ab 2023, Kredit und Zuschüsse der KfW (Deutschland) | |
Errichtung von 1.700 medizinischen Versorgungsstellen in abgelegenen Landkreisen | k.A. | Realisierung ab Mitte/Herbst 2022 | |
Investitionsprogramm für das Gesundheitswesen in der Autonomen Republik Karakalpakstan (Rehabilitation, Chirurgie, Onkologie, Palliativmedizin, Weiterbildung von Ärzten im In- und Ausland) | k.A. | Realisierung: Mitte 2022 bis 2024 | Ministerium für Gesundheitswesen Usbekistans, Ministerium für Gesundheitswesen Karakalpakstans |
Reform- und Investitionsbedarf bleibt noch auf viele Jahre hinaus riesig
Die Umstrukturierung des Gesundheitswesens, die Ausrüstung öffentlicher Krankenhäuser und Kliniken mit moderner Technik und die Stärkung privater medizinischer Dienste sind in Usbekistan eine langfristige Angelegenheit. Aktuell haben rund 70 Prozent der medizintechnischen Ausrüstungen in der ohnehin schwach ausgebauten primären Gesundheitsversorgung ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer überschritten oder sind verschlissen.
Kaum kleiner ist der Modernisierungsbedarf in den öffentlichen Krankenhäusern und einigen medizinischen Fachzentren. Den Import von medizintechnischen Ausrüstungen flankiert der Staat daher mit Vorzugsbedingungen. So werden bei der Einfuhr neuer Medizintechnik sowie von Komplettierungs- und Ersatzteilen vorerst bis Ende 2024 keine Zölle erhoben. Voraussetzung ist, dass die Einfuhr durch juristische Personen erfolgt. Beim Bezug von Ersatzteilen und Verbrauchsmaterialien müssen die Importeure bis Ende 2024 auch keine Mehrwertsteuer zahlen.
In der Pharmaindustrie setzt die Regierung auf massive Ausbauinvestitionen. Sie sollen im Zeitraum 2022 bis 2026 an die 1-Milliarde-US$-Grenze heranreichen. Die Vorbereitung neuer Projekte kommt allerdings noch nicht im gewünschten Tempo voran.
2016 1) | 2021 | |
---|---|---|
Anzahl der Krankenhäuser | 1.106 | 1.281 2) |
Anzahl der Betten (in 1.000) | 132,0 | 165,5 2) |
Anzahl der Betten auf 10.000 Einwohner | 41,1 | 46,6 |
Anzahl der behandelten Patienten in den Krankenhäusern (in Mio.) | 5,6 | 5,9 |
Anzahl der Ambulatorien und Polikliniken | 6.542 | 6.676 |
Anzahl der Ärzte aller Fachbereiche (in 1.000) | 84,1 | 95,6 |
Anzahl der Ärzte auf 10.000 Einwohner | 26,2 | 27,1 |
Anzahl der aktiven Betriebe und Organisationen (inklusive soziale Sphäre) | 8.241 3) | 11.253 4) |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (in Jahren) | 73,8 | 73,8 |