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Usbekistan will Nahrungsmittelindustrie massiv ausbauen

Mit innovativen Technologien will Usbekistan die Ernährungssicherheit verbessern und die Exporte steigern. Ausrüstungen und Know-how aus dem Ausland sind mehr denn je gefragt.

Von Uwe Strohbach | Taschkent

Die usbekische Regierung hat einen neuen Maßnahmenplan zur Ernährungssicherheit verabschiedet. Diese gerät durch Klimawandel und Bevölkerungswachstum zunehmend unter Druck: Bis 2030 dürfte die Bevölkerung auf 42 Millionen Einwohner emporschnellen, gegenüber heute 37 Millionen. Das Land braucht eine effiziente und ökologisch orientierte Lebensmittelproduktion, die auch mit einer sich verändernden Umwelt und knapper werdenden Wasserressourcen infolge des Klimawandels zurecht kommt.

Zugleich will das Land seine günstigen agroklimatischen Voraussetzungen sowie komparativen Kostenvorteile nutzen, um mehr Ernährungsgüter für den Export zu produzieren. Besonders gute Aussichten gibt es in den Sparten Obst und Gemüse, deren Exporte in den letzten Jahren im Schnitt fast 800 Millionen US-Dollar (US$) betrugen (einschließlich in tiefgekühlter und getrockneter Form).

Beim Ausbau der Ernährungsgüterindustrie will die Regierung verstärkt mit ausländischen Technologie- und Handelspartnern zusammenarbeiten. Hierfür gibt es handfeste Gründe: Zum einen muss Usbekistan den weitaus größten Teil seines Bedarfs an Lebensmitteltechnologien importieren. Zum anderen besteht großer Bedarf an qualifizierten Beratungsleistungen für die Projektvorbereitung und -umsetzung, die Optimierung innerbetrieblicher Arbeitsabläufe, die Einführung internationaler Standards und den Produktabsatz im Ausland.

Investitionsoffensive bietet vielfältige Geschäftschancen

Die Initiative umfasst den Ausbau und die Modernisierung in allen Zweigen der Nahrungsmittelindustrie im Zeitraum bis 2028. Hinzu kommen Projekte für Lagerung und Transport verschiedener Lebensmittel mit einem besonderen Augenmerk auf die Kühlketten. Außerdem stehen moderne Verpackungstechnologien auf der Agenda.

Darüber hinaus bestehen Pläne, die institutionellen Rahmenbedingungen zu verbessern. Dazu zählen unter anderem ein integriertes Kontrollsystem zur Überwachung der Lebensmittelsicherheit. Die Qualität der Lebensmittel soll in regionalen Labors geprüft werden. Die Beschaffungspläne umfassen auch 20 mobile Labors sowie Ausrüstungen für drei Speziallabors, in denen zur Ausfuhr bestimmte Lebensmittel Tests durchlaufen können. 

Kurzporträt der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie

Das produzierende Ernährungsgewerbe zählt knapp 20.000 aktive Wirtschaftssubjekte. Ein Strukturmerkmal ist seine Kleinteiligkeit. Der weitaus größte Teil der Unternehmen beschäftigt weniger als 15 Mitarbeitende. In den Jahren 2020 bis 2023 legte der Industriezweig durchschnittlich um real 7 Prozent pro Jahr zu. Die Bruttoanlageinvestitionen in der Branche und ebenso die Exporte betrugen in jenem Zeitraum im Schnitt rund 500 Millionen US-Dollar (US$), gegenüber jeweils etwas mehr als 200 Millionen US$ in den vier Vorjahren.

 

Wichtigstes Projektziel: Deutlich mehr verarbeitete Agrarerzeugnisse

Im Rahmen der Ausbau- und Modernisierungsoffensive ist geplant:

  • spezialisierte Gewerbeparks für die Lebensmittelindustrie in sechs Provinzen ab 2025 zu errichten (im Rahmen bestehender Industriezonen); 
  • die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten zu verringern, darunter in den Segmenten Kindernahrung, pflanzliche Öle und Kartoffeln (Importanteile am jährlichen Bedarf: etwa 90, 45 und 25 Prozent);
  • den Anteil verarbeiteter Lebensmittel am Export agrarischer Produkte (Obst/Gemüse, Kartoffeln, Getreide, Hülsenfrüchte) auf 40 Prozent zu erhöhen bis 2028;
  • Lagerkapazitäten deutlich zu erhöhen;
  • die Produktion von Markenerzeugnissen nach Vorgaben und Herstellungsverfahren ausländischer Partner (Markeninhaber) aufzunehmen;   
  • internationale Qualitätsmanagementsysteme und die UN-Normensammlung für die Lebensmittelsicherheit und -produktqualität (Codex Alimentarius) in der Nahrungsmittelindustrie und in Lebensmittellieferketten zu implementieren;
  • den Verarbeitungsgrad agrarischer Ernährungsgüter auf 25 Prozent bis 2030 zu erhöhen (2023: 17 Prozent).

Jährlich über 100 neue Projekte in der Ernährungswirtschaft 

Gegenwärtig befinden sich etwa 400 nennenswerte Projekte für die Sortierung, Verarbeitung und Lagerung von Lebensmitteln in der Realisierungsphase, so die Hauptverwaltung für die Entwicklung der Lebensmittelindustrie des Ministeriums für Landwirtschaft. Jährlich kommen mehrere Hundert neue Vorhaben hinzu. 

Ein großer Teil der Projekte entfällt auf Regionen, in denen es Cluster für die Branchen Getreide, Obst und Gemüse sowie Tierzucht gibt oder sich solche im Aufbau befinden. Auch die im Land bestehenden Industrieparks (mehr als 500) und Wirtschaftsfreizonen (24) sind wichtige Standorte für Ausbauvorhaben. Hinzukommen geplante neue große Gewerbegebiete für die Ansiedlung ausländischer Investoren.

Ausgewählte Projekte und Ausbauinitiativen in der Lebensmittelindustrie Usbekistans
Projekt/ProjektzielProjektstadium Realisierungszeitraum 
Modernisierung von Molkereien und Inbetriebnahme neuer Kapazitäten für die jährliche Verarbeitung von 3 Mio. Tonnen Rohmilcherste Projekte in Vorbereitung2024 bis 2028 
Ausbau der Produktion von Geflügelfleisch in vier Provinzen um 25.000 TonnenProjekte in Vorbereitung, außerdem Vorbereitung einer Strategie für den Ausbau der Branche in den Jahren 2025 bis 20272025 bis 2026
Ausbau der jährliche Produktion von raffiniertem Sonnenblumenöl auf 150.000 Tonnen und von Baumwollsamenöl auf 170.000 Tonnenerste Projekte gestartet, weitere in Vorbereitung2024 bis 2028
Ausbau der jährlichen Produktion von Ölextraktionsschrot auf 860.000 Tonnen als Futtermittelerste Projekte gestartet, weitere in Vorbereitung2024 bis 2028
Produktion von Diät-, Diabetiker- und therapeutischen Süßigkeiten (unter Einsatz von Süßungsmitteln wie Invertzuckersirup, Glukosesirup und Stevia, Artischocken und Erbsenmehl)Erarbeitung eines Maßnahmenprogramms (Projektvorschläge und mögliche Umsetzung)2025 bis 2028
Modernisierung von 30 Weingütern (Verarbeitung von 4,5 Mio. Tonnen Trauben, Früchten und Beeren pro Jahr)Detailplanung der Projekte sowie Suche nach Finanzierungsquellen und Projektpartnern2025 bis 2028
Modernisierung von Getreidemühlen und industriellen BäckereienErarbeitung eines Modernisierungsprogramms sowie Suche nach Finanzierungsquellen und Projektpartnern2025 bis 2028
Einführung von Schockfrostsystemen in 51 Landkreisen, die sich auf den Anbau von Obst und Gemüse spezialisiert habenIdentifizierung möglicher Projekte und Klärung der finanziellen Absicherung von Ausrüstungsimportenab 2025
Modernisierung und Ausbau der Kapazitäten in den Sparten Trockenobst und -gemüse  (Zwiebelmark, Knoblauchpulver,  Wein, Pflaumen, Pfirsiche und Melonen)erste Projekte in Vorbereitungab 2025
Produktion von Kindernahrung in Kooperation mit ausländischen Markenherstellernerste Sondierungsgespräche, weitere Vorschläge ausländischer Unternehmen willkommennoch offen
Quelle: Ministerium für Landwirtschaft Usbekistans 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

Ausländische Geber und Investoren haben die Branche im Blick

In die Vorbereitung und Umsetzung erster Projekte der neuen Ausbauinitiative fließen Gelder aus nicht abgerufenen ausländischen Kreditlinien (220 Millionen US$), die zur Kofinanzierung von Projekten im Ernährungsgewerbe bestimmt sind. Die Gelder stammen vorwiegend von der Weltbank und der Japan International Cooperation Agency.

Darüber hinaus haben ausländische Investoren zahlreiche Vorhaben in der usbekischen Nahrungsmittelindustrie angekündigt. Unter den avisierten Großvorhaben sind unter anderem zu nennen:

  • Anbau und die Verarbeitung von Zuckerrüben in der Provinz Dschissach (Investor: Nil Shugar, Ägypten; Projektwert: 500 Millionen US$);
  • Produktion von Mehlerzeugnissen (Konditoreiwaren, pflanzlichen Ölen und Futtermitteln mit einem hohen Proteingehalt (Willmar International Limited, Singapur; 200 Millionen US$);
  • Produktion von Geflügel und Geflügelfleisch (Avee Broilers, Indien; 43 Millionen US$).

Marktkenner erwarten mehr Investitionen in moderne Technik

Die Investitionsoffensive verfolgt noch ein wichtiges Ziel: Sie soll den negativen Trend in der Kapitalproduktivität umkehren. Nach einer Berechnung des Taschkenter Zentrums für Wirtschaftsforschung und -reformen führte ein in der Nahrungsmittelindustrie im Jahr 2022 investierter Usbekistan-Sum zu einem Umsatz von 2,9 Usbekistan-Sum. Im Jahr 2017 betrug das Verhältnis deutlich bessere 1 zu 5,4.

Als wesentliche Gründe hierfür nennen die Experten zu wenige Investitionen in innovative Maschinen- und Ausrüstungssysteme, eine oft ineffiziente Einbindung neuer Technik in bestehende Maschinensysteme und ein mangelndes Management in vielen Betrieben. Marktkenner erwarten, dass usbekische Verarbeiter von Agrarerzeugnissen im Interesse einer höheren Rentabilität künftig mehr als bisher auf innovative und effiziente westliche Ausrüstungen zurückgreifen werden.

Ausgewählte Kenndaten der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie Usbekistans
 

2020

2021

2022

2023

Nettoproduktion (in Mio. US$)

4.940

5.532

6.669

7.116

Herstellung von Nahrungsmitteln (reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) 

8,6

4,2

6,0

7,0

Herstellung von Getränken (reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)

5,7

18,0

15,7

6,4

Anteil am verarbeitenden Gewerbe Usbekistans insgesamt (in %) 

16,3

15,5

16,0

15,0

Bruttoanlageinvestitionen (BAI; in Mio. US$) 

452

470

384

586

Anteil an den BAI im verarbeitenden Gewerbe Usbekistans insgesamt (in %) 

8,1

9,2

6,8

7,2

Quelle: Berechnungen von Germany Trade & Invest nach Angaben der Agentur für Statistik 2024

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