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Usbekistans Chemieindustrie investiert viel Geld in neue Projekte
Produktion und Exporte chemischer Erzeugnisse nehmen deutlich zu. Dank neuen Clustern und Modernisierungen sind ausländische Ausrüstungen, Know-how und Kapital gefragt wie nie.
22.09.2022
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Die Chemiebranche Usbekistans setzt ihren Expansionskurs fort. Laufende und geplante Investitionsprojekte bieten ausländischen Anbietern von Zulieferungen verschiedenster Art und ebenso Investoren lohnende Geschäftschancen. Die Coronakrise hat die Umsetzung und Vorbereitung einiger Vorhaben verzögert. Doch jetzt kommt wieder mehr Bewegung in die Branche.
Investitionen könnten höher ausfallen als erwartet
In den Jahren 2017 bis 2021 haben die Betriebe der Branchenvereinigung O'zkimyosanoat gut 1,9 Milliarden US-Dollar (US$) investiert. Im Zeitraum 2022 bis 2027 sollen allein die ausländischen Direktinvestitionen und Kredite für gestartete und geplante Projekte die Eine-Milliarde-US-Dollar-Marke deutlich überschreiten. Das große Projektportfolio in der usbekischen Chemieindustrie lässt vermuten, dass diese Grenze möglicherweise deutlich überschritten wird.
Projekt | Investitionssumme (in Mio. US$) | Projektstand | Ansprechpartner |
---|---|---|---|
Gaschemiekomplex in Karakul (730.000 t Polymere/Jahr, MTO-Verfahren) | 2.500 | Projekt in Vorbereitung, Erstellung des FEED und einer Machbarkeitsstudie, Klärung der Finanzierung | Gaschemiekomplex MTO (Projektansprechpartner), Sanoat Energetika Guruhi/SEG (Projektinitiator) |
Kapazitätsausbau im Gaschemiekomplex Schurtan (100.000 t Polypropylen, 280.000 t Polyethylen/Jahr und andere Polymere) | 1.850 | Realisierung: Ende 2021 bis Ende 2024 | Gaschemiekomplex Schurtan - SGCC |
Ausbau der Produktion von Phosphordünger und Produktion von Stickstoffdünger in der Provinz Taschkent | 1.000 | Projekt in Vorbereitung, Ausarbeitung der Umweltverträglichkeitserklärung | |
Modernisierung der Ölraffinerie Fergana, Verdopplung der Kapazität auf 2 Mio. t/Jahr (Produktion von Kraftstoffen nach Euronorm 5 sowie Flüssiggas) | 410 | Realisierung: Mitte 2020 bis 2023/2024 (Investitionsverpflichtung im Rahmen der Privatisierung) | |
Zweiter Komplex für die Produktion von PVC und kaustischer Soda (120.000 t PVC und 90.000 t kaustische Soda/Jahr), dritter Komplex in der Projektfrühphase | 400 (unter Einschluss eines dritten Komplexes bis zu 1.300) | Realisierung: 2021 bis 2023/2024 | O´zkimyosanoat (Auftraggeber), Tatarstan Trade House/Türkei und CC7/China (Auftragnehmer) |
Produktion von bis zu 400.000 t Ammoniak und 700.000 t Harnstoff/Jahr in Jangijer (Provinz Syrdarja) | 600 | Projekt in Vorbereitung, Umsetzung geplant bis etwa 2023/2024 | O´zkimyosanaot AJ, Ministerium für Investitionen und Außenhandel |
Produktion von Melamin (50.000 t/Jahr) | 200 | Realisierung: 2022 bis 2024 | |
Kapazitätsausbau im Werk für Reifen (um 2,6 Mio. Stück), Förderbänder (um 100.000 laufende Meter) und andere gummitechnische Erzeugnisse, Freizone Angren | 200 | Projektfrühphase, geplante Realisierung bis 2024/2025 | |
Kapazitätsausbau im Sodawerk Kungrad um 250.000 t auf 450.000 t/Jahr (später auf 1 Mio. t/Jahr) | 180 | Realisierung: 2022 bis 2024 | JointV enture Sodawerk Kungrad (NCV International DMCC, VAE; O'zkimyosanoat), Auftragnehmer: Salus, Russland |
Die Unternehmen von O'zkimyosanoat wollen die Produktion und Exporte um jeweils ein Zehntel gegenüber 2021 ausweiten, auf 1,2 Milliarden US$ beziehungsweise 0,4 Milliarden US$. Zu den Ausfuhren gehören unter anderem 970.000 Tonnen Mineraldünger und 120.000 Tonnen andere chemische Erzeugnisse. Erwartete Umsatzeinbußen im Export durch wegbrechende Geschäfte mit der Ukraine um geschätzte circa 130 Millionen US$ sollen durch die Lieferung an andere Abnehmer ausgeglichen werden.
2018 | 2020 | 2021 | 2022 *) | |
---|---|---|---|---|
Ausstoß | 542 | 810 | 1.088 | 1.220 |
Exporte | 185 | 189 | 382 | 425 |
Realisierte Investitionen | 467 | 389 | 140 | 413 |
Heimische Rohstoffe stützen die Branche
Usbekistans Chemieindustrie hat einen Trumpf in der Hand. Das Land verfügt über eigene Gasreserven, technische Salze, Baumwollzellulose und andere wichtige Ausgangsstoffe. Die Chemiebetriebe sind somit nicht den massiv steigenden Gaspreisen auf dem Weltmarkt ausgesetzt. Zudem kündigte die Regierung 2021 an, Gasexporte im Interesse der inländischen Gasveredelung auf ein Minimum zu reduzieren oder gänzlich einzustellen.
Hauptakteure der Branche sind neben der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft O´zbekneftgaz, die Ölprodukte, synthetische Kraftstoffe und Polymere herstellt, die Industriezweigvereinigung Uzkimyosanoat AG, der Produzenten verschiedenster chemischer Erzeugnisse angehören.
Breites Produktportfolio bei den Branchenriesen
Das Produktionsaufkommen der Öl- und Gasverarbeiter von O´zbekneftgaz bestimmen die Ölraffinerien in Fergana und Buchara sowie die Gaschemiekomplexe Ustjurt und Schurtan (Polyethylen und -propylen sowie Erzeugnisse daraus). Unter dem Dach der Branchenvereinigung O'zkimyosanoat sind 13 teil- oder gänzlich privatisierte Industriebetriebe mit zahlreichen Produktionsstätten sowie mehrere Dienstleistungsunternehmen tätig.
2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|---|
Chemieindustrie, insgesamt *) | 3.217 | 3.872 | 3.896 | 4.510 |
Chemische Industrie | 1.868 | 2.143 | 2.107 | 2.643 |
Mineralölindustrie | 693 | 1.125 | 1.092 | 1.070 |
Gummi- und Kunststoffindustrie | 656 | 604 | 697 | 797 |
Diese Unternehmen stellen vorrangig Mineraldünger, anorganische und organische Chemieerzeugnisse, chemische Reagenzien, Pflanzenschutzmittel, kalzinierte Soda sowie Kunststoff- und Gummierzeugnisse (inklusive Reifen) her. Gut zwei Drittel der Produktion entfallen auf agrochemische Erzeugnisse. Die Vereinigung nimmt Aufgaben eines Branchenministeriums wahr. Zwei Dokumente bestimmen das Projektgeschehen:
- Strategie für die Entwicklung der chemischen Produktion im Zeitraum 2020 bis 2025
- Umsetzung eines 2019 verabschiedeten und 2021 aktualisierten und ergänzten Maßnahmenplans für die Reformierung und den Kapazitätsausbau des Industriezweige
2018 | 2022 1) | |
---|---|---|
Mineraldünger 2) | 1.170.800 | 1.558.700 |
Stickstoffdünger | 848.000 | 1.201.700 |
Phosphordünger | 140.400 | 150.000 |
Kalidünger | 182.400 | 207.000 |
Ammonsalpetera | 1.366.593 | 1.707.200 |
Harnstoff | 574.278 | 1.111.000 |
Kaliumchlorid | 346.232 | 385.000 |
Ammoniumsulfat | 143.078 | 190.000 |
Kalzinierte Soda | 188.600 | 200.000 |
Superphosphat | 119.824 | 178.200 |
Ammophos (NP-Dünger) | 33.900 | 250.000 |
Private Chemiebetriebe, die nicht zu O'zkimyosanoat gehören, engagieren sich in der Produktion von Kunststoff- und Gummiwaren, Farben/Lacke, Kosmetika, Waschmittel und Haushaltschemie. Mehrere Akteure mit einer ausländischen Kapitalbeteiligung sind in freien Wirtschaftszonen tätig. Bei der Umsetzung neuer Projekte in allen Chemiesparten setzt die usbekische Regierung jetzt forciert auf private Direktengagements.
- Schaffung leistungsfähiger Wertschöpfungsketten - Reduzierung von Exporten nicht oder wenig verarbeiteter Rohstoffe - radikaler Umbau der Wirtschaftslenkung (Reduzierung staatlicher Einflussnahme, Abkehr von überholten Planungs- und Verteilungssystemen) - deutliche Verringerung des staatlichen Anteils in der Branche durch forcierte Gewinnung privater Investoren und zügige Privatisierung - beschleunigte digitale Transformation aller Geschäftsbereiche der Betriebe - Einführung internationaler Standards im Rechnungswesen - Umbau und mehr Investitionen in den Sektoren Aus- und Weiterbildung sowie Forschung und Entwicklung Quelle: Präsidialverordnung für die Reformierung und den Kapazitätsausbau in der Chemieindustrie vom 13. Februar 2021 |
Auf- und Ausbau von sechs regionalen Chemieclustern geplant
Für neuen Schwung in der Chemiebranche sollen auch die leistungsfähigen chemisch-technologischen Cluster sorgen, die in sechs Regionen des Landes entstehen. Die Mitte 2021 von der Regierung beschlossene Clusterinitiative verfolgt vier Ziele:
- Ansiedlung zahlreicher neuer Branchenunternehmen,
- Auf- und Ausbau leistungsfähiger Wertschöpfungsketten,
- verstärkte Gewinnung ausländischer Unternehmen,
- effektive Förderung von Innovationen sowie von Forschung und Entwicklung.
Cluster/Standort | Anmerkungen |
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Nawoi - Cluster auf der Basis (Gelände) des Flaggschiffs der usbekischen chemischen Industrie Navoiyazot AJ (Schwerpunkt Düngemittel) und Herstellers von Pflanzenschutzmitteln Elektrokimyosanoat AJ | Realisierung von mehr als 20 laufenden und neuen Projekten für mindestens 3 Mrd. US$, darunter Produktion von Harn-/Thioharnstoff, flüssigem Mineraldünger, PVC, kaustischer Soda, Zyansalze, Methylchlorid, Kaliumhydroxid sowie Vinylacetat, Essigsäure und Acetaldehyd auf der Basis von Methanol, Chemieerzeugnisse für die Leder-, Möbel- und Bauindustrie |
Buchara - gänzlich neuer Gaschemiekomplex (Komplex Karakul), Projekt in Vorbereitung | Produktion von Polymeren, darunter Polyethylenterephtalat (PET), Polyvinylacetat (PVAC), Ethylenvinylacetat (EVA) und Polypropylen |
Kaschkadarja - Cluster auf der Basis (Gelände) und in der Nähe des Gaschemiekomplexes Schurtan/SGCC und des Kalidüngerwerkes Dechkanabad | Produktion von Polyethylen, Propylen, Komponenten für die Waschmittelproduktion, haushaltschemischen Erzeugnissen und bimodalen Polyethylen |
Fergana - Chemiecluster auf der Basis (Gelände) des Düngemittelwerkes Farg´onaazot und des Ölverarbeitungswerk Farg‘ona NQIZ | Produktion von Laken, Melamin für die Möbelproduktion, synthetische Fasern für die Textilindustrie |
Autonome Republik Karakalpakstan - Cluster auf der Basis (Geländes) des Gaschemiekomplexes Ustjurt/UGCC | Produktion von Kalzinierter Soda, PVC, Polyethylen, Polypropylen |
Taschkent - gänzlich neuer Gaschemiekomplex auf der Basis (Gelände) des Bergbau- und Metallurgiekomplexex AGMK, Almalyk, zuzüglich eines neuen und 31 Hektar großen Industrieparks in Tschirtschik (in Gründung, Kooperationsprojekt mit dem Industriepark Technopolis Chimgrad, Tatarstan/Russland) | Produktion von Thioharnstoff, Phosphor- und Stickstoffdünger, Monoammoniumphosphat, Polymere, Protein, Waschmittel und anderen Erzeugnisse Industriepark: Aufnahme der Produktion von mehr als 100 verschiedenen Erzeugnissen (technologische und andere Zulieferungen) für den Bedarf verschiedenster Industriezweige einschließlich der Chemieindustrie |