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Venezuela: Steuerrecht
In Venezuela wird der größte Teil der von Unternehmen zu zahlenden Steuern beim Bund konzentriert.
12.08.2022
Von Dr. Julio Pereira | Bonn
Rechtsgrundlagen
Die Struktur des venezolanischen Steuersystems ist in der Bundesverfassung von 1999 (Constitución de la República Bolivariana de Venezuela - CRBV/99) festgelegt. Die Bundesverfassung weist die Steuerhoheit dem Bund, den Bundesstaaten und den Gemeinden zu. Jede der föderalen Einheiten ist mit der Zuständigkeit für die Gesetzgebung und die Erhebung von Steuern ausgestattet. Die für die Erhebung der Bundessteuern in Venezuela zuständige Steuerbehörde ist die SENIAT (Servicio Nacional Integrado de Administración Aduanera y Tributaria). Neben den Verfassungsnormen ist das Steuergesetzbuch (Código Orgánico Tributario - COT) ein wichtiges Rechtsinstrument.
Darüber hinaus dienen die zwischen Investoren und dem venezolanischen Staat geschlossenen „Verträge über die Rechtsstabilität“ als Rechtsgrundlage.
Körperschaftsteuer (ISLR)
Die Körperschaftsteuer (Impuesto sobre la Renta - ISLR) ist die wichtigste Bundesteuer. Ausländische Unternehmen, die in Venezuela über eine Betriebsstätte (establecimiento permanente) tätig sind, müssen sowohl venezolanische Einkünfte als auch Einkünfte ausländischer Herkunft versteuern, sofern diese mit wirtschaftlichen Tätigkeiten in Venezuela zusammenhängen (Art. 2 und 4 LISLR). Unternehmen, die nicht im Land ansässig sind, werden nur auf Vermögen venezolanischen Ursprungs besteuert. In jedem Fall sind die Steuersätze je nach dem zu versteuernden Einkommen des Unternehmens progressiv und liegen bei 15 Prozent, 22 Prozent und 34 Prozent (Art. 52 LISLR). Zusätzlich zu diesen Prozentsätzen können weitere höhere Sätze angewandt werden, wenn die Tätigkeit des Unternehmens mit der Rohstoffgewinnung in Zusammenhang steht. So unterliegen beispielsweise Unternehmen, die in der Kohlenwasserstoffexploration tätig sind, einem Steuersatz von 50 Prozent auf ihre Nettoanreicherung. Bei bestimmten Projekten, die als von nationalem Interesse angesehen werden, kann die Regierung das Unternehmen von dem erhöhten Satz befreien.
Es ist zu beachten, dass für die Berechnung der Körperschaftsteuer in Venezuela das zu versteuernde Einkommen des Unternehmens in Unidad Tributaria (UT) gemessen wird. UT ist eine Maßeinheit, die 1994 als monetärer Korrekturmechanismus geschaffen wurde. Sie dient zur Bestimmung der Höhe der nationalen Steuern, deren Erhebung und Kontrolle in die Zuständigkeit der SENIAT fällt. Am 20. April 2022 stieg der Wert des UT von 0,02 auf 0,40 Bolivar, eine Steigerung um 1.900 Prozent.
Umsatzsteuer (IVA)
Die Umsatzsteuer (Impuesto al Valor Agregado - IVA) wird in Venezuela auf den Endpreis inländischer und importierter Waren sowie auf die Erbringung von Dienstleistungen erhoben. Seit 1. Januar 2020 beträgt der IVA-Steuersatz 16 Prozent. Für bestimmte Waren, die als Luxusgüter gelten, kann der Steuersatz auf bis zu 20 Prozent erhöht werden. Ein ermäßigter Satz von 8 Prozent gilt für Tätigkeiten wie die inländische Personenbeförderung sowie die Einfuhr und den Verkauf bestimmter Nahrungsmittel. Für Exporte gilt ein Nullsteuersatz. Darüber hinaus sehen die aktuellen Regelungen verschiedene Steuerbefreiungen für Importeure, bestimmte Branchen und Basisprodukte vor.
Finanztransaktionssteuer (IGTF)
Die IGTF (Impuesto a las Grandes Transacciones Financieras - IGTF) ist eine Bundessteuer, die durch das Präsidentendekret Nr. 2.169/2015 eingeführt wurde und im Februar 2016 in Kraft getreten ist. Seit dem 27. März 2022 sind in Venezuela neue Regeln für die Besteuerung von Finanztransaktionen in Kraft getreten. Zum einen wurde das Spektrum der Finanztätigkeiten, auf die die Steuer erhoben wird, erweitert und zum anderen wurden bestimmte Transaktionen mit Fremdwährung von der Steuer befreit. Die Steuersätze können bis zu 20 Prozent des Wertes der Finanztransaktion betragen. Der genaue Prozentsatz wird von der Exekutive festgelegt. Weitere Informationen finden Sie in dem Bericht Venezuela ändert die Besteuerung von Finanztransaktionen.
Großvermögensteuer (IGP)
Die IGP (Impuestos a los Grandes Patrimonios - IGP) ist eine der neuesten Steuern in Venezuela. Sie gilt nur für Steuerpflichtige, die als Sonderfälle (sujeto pasivo especial) eingestuft werden. Die Bemessungsgrundlage ist das Nettovermögen des Steuerpflichtigen. Laut Gesetz wird das Nettovermögen durch die Summe der Aktiva (nach Marktwerten) abzüglich der gesamten Buchpassiva des Steuerpflichtigen bestimmt (Art. 15 LIGP). Für diese Berechnung wird der am 30. September eines jeden Jahres verbuchte Betrag herangezogen. Wenn das Nettovermögen 150.000.000 UT (Unidades Tributarias) übersteigt, ist die IGP zu zahlen. Der derzeit geltende IGP-Steuersatz beträgt 0,25 Prozent. In Venezuela ist IGP nicht von der Einkommensteuer absetzbar, und das Gesetz legt keine Kriterien fest, die mit anderen Ländern vereinbart werden können, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Gemeindesteuer auf wirtschaftliche Aktivitäten (IAE)
Die Impuesto a las Actividades Económicas (IAE) ist die wichtigste Steuer, die in die Zuständigkeit der Gemeinden in Venezuela fällt. Die Berechnungsgrundlage ist das Bruttoeinkommen aus jeglicher Wirtschaftstätigkeit, unabhängig davon, ob es sich um Industrie, Gewerbe oder Dienstleistungen handelt. Die Steuersätze werden durch kommunale Gesetze festgelegt und variieren je nach Wirtschaftszweig. Diese Steuerart ist die Haupteinnahmequelle der venezolanischen Gemeinden. IAE hat verfassungsrechtliche Grundlage (Art. 179 2 CRBV/99) und wird im Gesetz über die kommunale öffentliche Gewalt (Art. 205 bis 227 Ley Orgánica del Poder Publico Municipal - LOPPM) ausführlich behandelt.
Doppelbesteuerungsabkommen
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bolivarischen Republik Venezuela besteht das Abkommen vom 8. Februar 1995 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Das Abkommen ist in Deutschland am 19. August 1997 in Kraft getreten, während es in Venezuela am 18. November 1998 in das nationale Rechtssystem aufgenommen wurde.