Wirtschaftsausblick | Vereinigte Arabische Emirate
In den VAE läuft die Konjunktur weiter rund
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind in der Region das Land mit dem stärksten Wachstum. Eine höhere Ölförderung soll Impulse geben, geopolitische Risiken bleiben jedoch ein Thema.
18.12.2024
Von Robert Espey | Dubai
Top-Thema: Ölsektor soll wieder Wachstumsbeitrag leisten
In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist derzeit die Nichtölwirtschaft der Wachstumsmotor. Zukünftig soll aber auch der Öl- und Gassektor wieder kräftiger wachsen. Damit würde die Abhängigkeit der VAE von den volatilen Öl- und Gasmärkten erneut zunehmen.
Um den Ölpreis zu stützen, haben die Emirate nach den Vereinbarungen der OPEC+ Gruppe und zusätzlich freiwillig die Ölförderung seit 2023 abermals gesenkt. Die Produktion lag 2024 durchschnittlich bei 2,9 Millionen Barrel pro Tag, zwei Jahre zuvor noch bei 3,1 Millionen. Obwohl die Ölförderanlagen nur zu 60 Prozent ausgelastet sind und der Ölbedarf mittel- bis langfristig abnehmen dürfte, bauen die VAE ihre Förderkapazitäten weiter aus. Nach eigenen Angaben verfügt der staatliche Ölkonzern ADNOC über eine Kapazität von 4,85 Millionen Barrel pro Tag und will 2027 rund 5 Millionen Barrel pro Tag erreichen.
Im Jahresverlauf 2025 soll die Ölförderung schrittweise auf 3,5 Millionen Barrel pro Tag steigen und sich dann mittelfristig der Kapazitätsgrenze annähern. Ob die Entwicklung auf den internationalen Ölmärkten die angestrebten Produktionssteigerungen erlaubt, ist allerdings fraglich.
Wirtschaftsausblick: VAE führen in der Region
Unter den sechs Staaten des Golfkooperationsrates gehören die VAE zu den Ländern mit dem höchsten Wirtschaftswachstum. Die emiratische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds kalkulieren für 2024 mit einer Beschleunigung des BIP-Wachstums auf 4 Prozent. Dabei wird die Nichtölwirtschaft mit 5,2 Prozent als maßgeblicher Wachstumstreiber eingeschätzt. Aktuell schätzt der IWF, dass sich das reale BIP-Wachstum 2025 sogar auf 5,1 Prozent beschleunigt.
Die konjunkturelle Expansion ist vor allem auf die Stärke der Nichtölwirtschaft zurückzuführen. Der Öl- und Gassektor trägt nur zu einem Viertel zur Wirtschaftsleistung bei, so dass sich seine aktuelle Schwäche weniger stark auf die Konjunktur auswirkt.
Der Öl- und Gassektor dürfte wegen eines leichten Rückgangs der Ölförderung bei gleichzeitig höherer Gasproduktion lediglich um 0,7 Prozent zunehmen.
Für die Nichtölwirtschaft wird ein Plus von 5,3 Prozent angenommen. Der Öl- und Gassektor soll um 0,3 Prozent zulegen. Die einzelnen sieben Emirate der VAE tragen sehr unterschiedlich zur Wertschöpfung bei. Im Jahr 2023 entfiel auf das ölreiche Emirat Abu Dhabi ein Anteil am BIP von 58 Prozent, auf Dubai 27 Prozent. Die weiteren fünf Emirate trugen 15 Prozent zum BIP bei.
Der Beitrag des Emirats Abu Dhabi zum BIP-Wachstum der VAE würde sich 2025 deutlich erhöhen, wenn die Ölförderung planmäßig erhöht wird. Die Zentralbank rechnet im Jahr 2025 mit einer BIP-Steigerung um 6 Prozent. Der Öl- und Gassektor soll um 7,7 Prozent zulegen, die Nichtölwirtschaft um 5,3 Prozent.
Geopolitische Risiken bedrohen das Wachstum
Das weitere Wachstum der Nichtölwirtschaft in den VAE hängt wesentlich von externen Rahmenbedingungen ab. Insbesondere der Dienstleistungssektor und der Immobilienmarkt würden bei einer Eskalation regionaler Konflikte stark leiden. Die große Logistikbranche im Emirat Dubai wäre von Behinderungen des Schiffsverkehrs im Persischen Golf schwer getroffen.
Militärische Konflikte zwischen Israel und Iran hätten auch erhebliche Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der prosperierenden Flughäfen in den VAE. Gleiches gilt für den boomenden Tourismus, den florierenden Verkauf von Immobilien an ausländische Anleger oder die Stellung Dubais als führender regionaler Finanzplatz.
Beobachtern zufolge steigt durch die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus das Risiko einer Verschärfung des Konfliktes zwischen Israel und Iran deutlich. Die Nahostpolitik der US-Administration unter Präsident Biden war von Bemühungen geprägt, eine weitere Eskalation zu verhindern. Trump hingegen hat angekündigt, gegenüber Iran seine in der ersten Amtszeit praktizierte Politik des "maximalen Drucks" wiederaufzunehmen.
Das Außenhandelsvolumen der VAE dürfte 2024 weiter gewachsen sein. Der Handel ohne Berücksichtig von Erdöl expandierte 2023 um 12 Prozent auf 675 Milliarden US$. Die Importe stiegen um 18 Prozent auf 392 Milliarden US$, darunter Gold, Edelsteine etc. im Wert von 115 Milliarden US$, gefolgt von Maschinen, Telekommunikationstechnik etc. für 104 Milliarden US$. Ein Großteil der Importe wird wieder ausgeführt. Die Reexporte erhöhten sich um 6 Prozent auf 168 Milliarden US$.
Die VAE bauen ihre Position als regional führender Standort für ausländische Direktinvestitionen aus. Mit einem Direktinvestitionsbestand von 225 Milliarden US-Dollar (US$) lagen die VAE 2023 weit vor Saudi-Arabien mit 216 Milliarden US$ und Ägypten mit 159 Milliarden US$.
Deutsche Perspektive: Ausfuhren legen erneut zu
Die Erholung der deutschen Lieferungen in die VAE hat sich 2024 fortgesetzt. Im Coronajahr 2020 waren die Ausfuhren auf 6,9 Milliarden Euro eingebrochen. Für 2024 zeichnet sich ab, dass die Marke von 8,7 Milliarden Euro aus dem Jahr 2019 überschritten wird. In den ersten neun Monaten 2024 stiegen die deutschen Exporte um 12 Prozent auf 7 Milliarden Euro.
Die deutschen Importe aus den VAE sind von Januar bis September 2024 um 74 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro geschrumpft. Den Rückgang verursachten unter anderem geringere Bezüge von Öl und Ölerzeugnissen sowie niedrigere Aluminiumeinfuhren. Zudem gab es im Vorjahr einen Sondereffekt: Die VAE hatten für 2,2 Milliarden Euro Wasserfahrzeuge nach Deutschland verkauft.
GTAI-Informationsangebote zu den Vereinigten Arabischen Emiraten
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In Zoll und Einfuhr kompakt - VAE gibt GTAI einen Kurzüberblick über Einfuhrverfahren, Warenbegleitdokumente, zu zahlende Abgaben sowie Verbote und Beschränkungen.