Das umfangreiche Investitionsprogramm der Regierung zum Ausbau des Gesundheitssystems und der private Gesundheitsmarkt sorgen für Nachfrage nach Medizintechnik.
Das Vereinigte Königreich ist der drittgrößte Medizintechnikmarkt Europas und lockt auch in den nächsten Jahren mit steigender Nachfrage ausländische Hersteller auf die Insel. Für den Zeitraum zwischen 2024 und 2028 erwarten die Analysten von Fitch Solutions ein jahresdurchschnittliches Wachstum von 3,4 Prozent. Für 2025 schätzen die Fitch-Analysten das Marktvolumen auf umgerechnet rund 16,4 Milliarden Euro. Der Markt wächst allerdings mit abnehmender Dynamik: Steigt das Volumen 2025 gegenüber dem Vorjahr noch um 4,1 Prozent, sind es 2028 nur noch 2,7 Prozent. Das größte Marktsegment, die Verbrauchsgüter (Bandagen, Katheter, Nahtversorgung, usw.), kommt auf einen Marktanteil von 23 Prozent und wird 2025 um 3,4 Prozent wachsen. Am stärksten sollen 2025 orthopädische Produkte und Prothesen (+6,7 Prozent) sowie Produkte der diagnostischen Bildgebung (+4,9 Prozent) zulegen.
Milliardeninvestitionen in neue Krankenhäuser
Einer der bedeutendsten Treiber für die Marktnachfrage sind staatliche Investitionen in das Gesundheitssystem, sowohl in neue Krankenhäuser als auch in Medizintechnik. Weil die Behandlungskapazitäten nicht ausreichen, haben sich die Wartelisten in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht und sind vom Vor-Corona-Hoch von 4,6 Millionen auf derzeit 7,7 Millionen Patienten angewachsen.
Rang 3
nimmt das Vereinigte Königreich unter den größten Medizintechnikmärkten Europas ein.
Als politischen Meilenstein hat Premierminister Keir Starmer das Ziel ausgerufen, dass bis 2029 rund 92 Prozent aller Patienten weniger als 18 Wochen auf Behandlungstermine warten sollen. Aktuell liegt die Quote mit rund 60 Prozent noch deutlich darunter. Das Gesundheitsministerium bereitet aktuell einen Zehnjahresplan vor, um den National Health Service (NHS) zu reformieren. In ihrer ersten Haushaltsrede hatte die Finanzministerin Rachel im Oktober 2024 bereits umgerechnet rund 24,4 Milliarden Euro zusätzliche Haushaltsmittel für den Regelbetrieb des NHS versprochen und 1,8 Milliarden Euro für 40.000 zusätzliche Termine pro Woche angekündigt. Dafür werden neue Behandlungszentren gebaut und bildgebende Geräte angeschafft, sowie für rund 85 Millionen Euro Strahlentherapiegeräte eingekauft.
Die Labour-Regierung hat außerdem erklärt, das Krankenhausinvestitionsprogramm (New Hospital Programme, NHP) der Vorgänger fortzusetzen. Nach dem ursprünglichen Programm sollen bis 2030 umgerechnet rund 4,3 Milliarden Euro in 48 neue oder erweiterte Krankenhäuser investiert werden. Die Pläne gelten hingegen als unterfinanziert.
Ausgewählte Investitionsprojekte im Gesundheitssektor im Vereinigten KönigreichInvestitionssumme in Millionen EuroAkteur/Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
---|
Mid Cheshire Hospital NHS Foundation Trust, Leighton Hospital in Crewe, Cheshire | 860 | Planungsstadium | Neuentwicklung des staatlichen Krankenhauses |
NHS Lanarkshire, University Hospital Monklands, Wester Moffat, Schottland | 836 | Planungsstadium | Neuentwicklung des staatlichen Universitätsklinikums |
Siemens Healthineers, neue Produktionsanlage in Nord-Oxfordshire | 298 | Projektdurchführung | Entwicklung und Herstellung von supraleitenden Magneten die weltweit in MRT-Patientenscans eingesetzt werden sollen |
National Health Innovation Campus (NIC) in Huddersfield. | 298 | Projektdurchführung | Neue Einrichtung mit gemeinschaftlichem Diagnosezentrum sowie spezialisierte klinische Lehreinrichtungen |
Magdalen College, "The Daubeny Project", Oxford Science Park | 220 | Projektdurchführung | Entwicklung von drei neuen Labor- und Bürogebäuden |
Moderna Innovation & Technology Centre, Harwell Science Campus, Oxfordshire | 179 | Projektdurchführung | Neue Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsanlage in der unter anderem mRNA-Impfstoffe entwickelt werden |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024
Rolle privater Gesundheitsdienstleister steigt
Angesichts langer Wartelisten und bestehender Engpässe im öffentlichen System wächst die Bedeutung privater Gesundheitsdienstleister. Einerseits weil der NHS dorthin Behandlungsdienstleistungen auslagert, andererseits weil die Nachfrage von Privatpatienten steigt. Zu den größten privaten Anbietern gehören Circle Health Group (55 Krankenhäuser), Spire Healthcare (38), Nuttfield Health (37) und Ramsay Health Care (38). Die Interessen der privaten Gesundheitsdienstleister werden vom Independent Healthcare Providers Network (IHPN) vertreten.
Digitalisierung des Gesundheitssystems wird beschleunigt
Das Vereinigte Königreich verfügt bereits über ein fortschrittliches e-Health-System, das weiter ausgebaut werden soll. Das digitale Rezept wurde bereits 2017 eingeführt. Außerdem nutzen fast alle Gesundheitseinrichtungen digitale Patientenregister. Laut NHS Digital verfügen rund 58 Millionen Engländer über eine digitale Gesundheitsakte im öffentlichen Gesundheitssystem (Summary Care Record, SCR). Während die SCRs in erster Linie Basisdaten enthalten, werden im weiteren Register der Shared Care Records (ShCR) detailliertere Behandlungsinformationen der unterschiedlichen Einrichtungen kombiniert. Britische Patienten nutzen als digitale Eintrittstür in das Gesundheitssystem die NHS App für Mobilgeräte, mit der sie mit der Hausarztpraxis kommunizieren, sowie Rezepte und Patientendaten einsehen können. Rund Dreiviertel der britischen Erwachsenen sind über die App registriert und es werden über 4 Millionen Termine jährlich darüber verwaltet.
Auch die aktuelle Labour-Regierung wird den Digitalisierungskurs vorantreiben, weil sie darin eine Möglichkeit sieht das überlastete Gesundheitssystem effizienter nutzen zu können. Der Gesundheitsminister Wes Streeting hat "Three big shifts" zur strategischen Entwicklung der Gesundheitsversorgung ausgerufen, zu der auch die "stärkere Verschiebung von analog zu digital mit einem Fokus auf Innovation" gehört. Die Regierung plant in den nächsten Jahren rund 2,2 Milliarden Euro in Technologie und Digitalisierung auszugeben.
Rahmendaten zum Gesundheitssystem im Vereinigten KönigreichIndikator | Wert |
---|
Einwohnerzahl (2023 in Mio.) | 67,7 |
Bevölkerungswachstum (2023 in % p.a.) | 0,3 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2023) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 17 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 19 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2021 bis 2023 in Jahren) 1) | Männer: 79,0 ; Frauen: 83,0 |
Durchschnittseinkommen (2023 in Euro), Bruttowochenlohn | 696 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2023 in Euro) 2) | 4.918 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2023 in %) 2) | 10,9 |
Ärzte/1.000 Einwohner (2021) | 3,2 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2023/2024) 3) 4) | 43 |
Krankenhausbetten/1.000 Einwohner (2021), davon | |
privat | k.A. |
öffentlich | 2,4 |
1 England und Wales; 2 vorläufig; 3 England; 4 Fiskaljahr 2023/2024.Quelle: Office for National Statistics 2024; NHS Business Services Authority 2024; OECD 2023
Von Marc Lehnfeld
|
London