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Branchen | Vereinigtes Königreich | Chemische Industrie

Britische Chemieindustrie wieder optimistisch

Die britische Chemieindustrie befindet sich auf Erholungskurs. Auch bei der zukünftigen UK REACH-Registrierung zeichnet sich eine günstige Lösung ab.

Von Marc Lehnfeld | London

Nach einer mageren Entwicklung in den letzten Jahren nimmt die Produktion in der britischen Chemieindustrie wieder langsam an Fahrt auf. Hinzu kommt der Regierungswechsel im Juli 2024, der nach 14 Jahren konservativer Führung durch die neue Labour-Regierung von Premierminister Keir Starmer neue Impulse setzen kann. Nach richtungsweisenden Ankündigungen erwarten zahlreiche britische Industrieverbände nun konkrete Maßnahmen.

Konsultationsergebnisse zu UK REACH noch offen

Chemikalienproduzenten und -importeure blicken gespannt auf die zukünftige Regelung des britischen Umweltministeriums (Defra). Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Anmeldung von bereits in EU REACH registrierten chemischen Erzeugnissen in der neuen UK REACH Datenbank gestaltet wird. Das Ministerium begegnet damit der Kritik zahlreicher Unternehmen und Branchenverbände über die hohen Kosten, die durch die Doppelregistrierung von Chemikalien unter der europäischen EU REACH und dem britischen UK REACH entstehen. Die Defra-Anhörung wurde dazu am 25. Juli 2024 geschlossen, die Veröffentlichung der Ergebnisse und eine Entscheidung durch Defra steht weiterhin aus. 

Es werden deutliche Erleichterungen für Hersteller und Importeure erwartet. Das von Defra angestrebte Alternative Transitional Registration model (ATRm) sieht einen reduzierten Informationsumfang bei der Registrierung vor, den auch die britische Chemicals Industries Association (CIA) begrüßt. Der Verband drängt aber auf eine schnelle Verankerung des ATRm, da die Branchenunternehmen rund 24 Monate für die Vorbereitung auf das neue System benötigen. Die aktuellen Übergangsfristen wiederum enden in drei Schritten, beginnend im Oktober 2026. 

Offen ist auch, wie eine noch tiefergehende Vereinheitlichung von UK und EU REACH tatsächlich umgesetzt werden soll. Dies wurde von der neuen Labour-geführten Regierung noch im Wahlkampf angestrebt. Branchenstimmen zeigen sich dazu mittlerweile skeptisch. Allen voran beklagte CIA zwar im Brexit-Kontext noch die Zweispurigkeit durch UK und EU REACH. Mittlerweile schätzt ihr Cheflobbyist Steve Elliott den "risikobasierten" Ansatz von UK REACH im Vergleich zum "gefahrenbasierten" Ansatz von EU REACH. 

Auch andere Branchenexperten zeigen sich gegenüber Germany Trade & Invest mit dem vorliegenden ATRm grundsätzlich zufrieden, weil sich damit ein umsetzbares System abzeichnet. Solange kein konkreter Vorschlag der EU-Kommission und der britischen Regierung über eine mögliche Vereinheitlichung der REACH-Systeme vorliegt, genießt das ATRm eine große Akzeptanz.

Britische Chemiebranche durchschreitet Talsohle

Die Chemieunternehmen auf der britischen Insel schauen wieder positiver in die Zukunft. Nach den mageren Vorjahren verzeichnet der CIA Business Survey für das 2. Quartal 2024 einen deutlich größeren Optimismus unter seinen Mitgliedsunternehmen. Zum zweiten Mal in Folge registrieren sie eine leichte Expansion. Etwa 30 Prozent der Befragten erwarten für das 3. Quartal ein weiteres Umsatzwachstum. Auch die Investitionen steigen erstmals seit zwei Jahren wieder an. Die Kapazitätsauslastung liegt derzeit bei 72 Prozent. Für die kommenden Jahre sind die Prognosen ebenfalls positiver: Für 2025 und 2026 erwartet Oxford Economics ein moderates Produktionswachstum von 0,8 Prozent beziehungsweise 1,6 Prozent. 

Die britische Chemieproduktion erholt sich vom EinbruchEntwicklung der Produktion in ausgewählten Industriezweigen, reale Veränderung zum Vorjahr in Prozent
Industriezweig

2023

2024 ¹⁾

2025 ²⁾

Verarbeitendes Gewerbe insgesamt

1,1

1,2

0,8

Chemische Industrie

-9,1

-0,2

2,6

Pharmaindustrie

9,9

4,4

1,6

Gummi- und Kunststoffindustrie

-7,8

-2,1

0,0

1 Schätzung; 2 Prognose.Quelle: Make UK 2024; Oxford Economics 2024

Diese Erholung startet jedoch von einem niedrigen Niveau. Die Chemiebranche schrumpfte 2023 und leidet weiterhin unter den Nachwirkungen hoher Energiekosten und einer schwachen Auslandsnachfrage. Die Produktion liegt noch immer deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. Hohe Rohstoff- und Transportkosten sowie die Folgen des britischen EU-Austritts belasten die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Chemieunternehmen. Einige Unternehmen haben bereits ihre Produktion ins Ausland verlagert. Das Vereinigte Königreich wird diese Marktanteilsverluste im weltweiten Branchenwettbewerb laut dem Verband CIA wahrscheinlich nicht aufholen. 

Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Stimmung in der Branche besser als in den letzten zwei Jahren. Der Margendruck bleibt groß. Die Inputpreise übersteigen die Outputpreise noch um fast 7 Prozent. Die Differenz beginnt sich jedoch langsam zu schließen. Auch wenn die Chemieindustrie weiterhin vor großen Herausforderungen steht, deutet vieles darauf hin, dass der Tiefpunkt überwunden ist.

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie im Vereinigten KönigreichInvestitionssumme in Millionen Euro
Akteur/ProjektInvestitionssummeProjektstandAnmerkungen
Tata Group (indischer Mischkonzern), London

4.741

Geplanter Produktionsstart: 2026Bau einer neuen Batteriezellen-Gigafabrik in Gravity Smart Campus, Bridgewater, Somerset. Geplante Kapazität: 40 Gigawattstunden
Centrica Plc; Rough in Nordostengland

2.371

In PlanungDas Unternehmen plant die Umwandlung ihrer stillgelegten Offshore Naturgas Lagereinrichtung zur Speicherung von Methan- und Wasserstoff
Wasserstoffproduktions-Hubs; EET Hydrogen, vormals Vertex Hydrogen Ltd. Stanlow Refinery, Cheshire

1.185

HPP1 Produktionsstart: 2027Erste Phase (HPP1) kohlenstoffarme Wasserstoffproduktion (350 Megawatt pro Jahr) mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (600.000 Tonnen pro Jahr); eine weitere Einrichtung zur Wasserstoffproduktion  (HPP2) mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (1.900.000 Tonnen pro Jahr soll 2028 starten)
Carbon Capture Project; Prax Lindsey Oil Refinery, Killingholme, North Lincolnshire

356

Geplanter Produktionsstart: 2028CO2-Abscheidungsprojekt; 1 Million Tonnen Kohlendioxid sollen pro Jahr entfernt werden
Equinor; Wasserstoffanlage; Hydrogen to Humber Saltend (H2H Saltend), Saltend Chemicals Park in Hull

k.A.

Geplanter Produktionsstart: 2027Bau einer neuen Wasserstoffproduktionsanlage mit CO2-Abscheidung; Kooperationspartner Linde Engineering und BOC Limited
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

GB Energy als neuer Akteur in der Dekarbonisierung der Industrie

Zukünftige Marktchancen in der britischen Chemieindustrie bietet vor allem die Dekarbonisierung der Industrie. Sowohl durch den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft als auch mithilfe von vier Clustern zur CO₂-Abscheidung, Nutzung und Speicherung (CCUS). Auch nach dem Regierungswechsel bleiben beide Net Zero Themen ein wichtiger Schwerpunkt des Department for Energy Security and Net Zero (DESNZ). Mit dem neu geschaffenen staatlichen Akteur GB Energy treibt die Regierung die Entwicklung neuer Energieprojekte, auch im Bereich CCS und Wasserstoff, an. 

Dabei agiert GB Energy nicht nur als Projektentwickler, sondern auch als Co-Investor, um die Energieunabhängigkeit im Land zu fördern und die Lieferketten zu stärken. Die Gründung der Einrichtung, die mit etwa 9,5 Milliarden Euro ausgestattet werden soll, befindet sich als einer der ersten Maßnahmen der neuen Labour-Regierung im legislativen Prozess. 

Im Vereinigten Königreich entstehen vier CCUS-Cluster, in denen Großinfrastrukturen aufgebaut werden. Im East Coast Cluster stehen zum Beispiel die Projekte Net Zero Teesside Power (NZT Power), zur CO₂-Abscheidung eines Gaskraftwerks, H2Teesside zur Produktion von blauem Wasserstoff, und Teesside Hydrogen CO2 Capture noch in diesem Jahr vor der finalen Investitionsentscheidung. 

Kontaktadressen
BezeichnungAnmerkung
Deutsch-Britische Industrie- und HandelskammerAnlaufstelle für deutsche Unternehmen
Department for Business & TradeMinisterium für Gewerbe und Handel
Chemical Industries Association (CIA)Fachverband für die chemische Industrie
Chemical Business Association (CBA)Branchenverband der mittelständischen Unternehmen
British Adhesives & Sealants AssociationFachverband für die Kleb- und Dichtstoffindustrie
Fuel Industry UKFachverband für die Mineralölwirtschaft
Britisch Plastics FederationFachverband für die Kunststoff-  und Gummiindustrie
Cosmetic, Toiletry and Perfumery AssociationFachverband für Kosmetik, Körperpflegemittel und Duftstoffe
InterplasKunststofffachmesse; 02.06.26 - 04.06.26 in Birmingham
SPE Offshore Europe Conference & ExhibitionFachmesse für die Öl- und Gasindustrie; 02.09.25 - 05.09.25 Aberdeen

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