Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Außenhandel
Starke Exporte treiben deutsch-britischen Handel
Das Vereinigte Königreich rutscht wegen einer starken Exportentwicklung wieder in die Top 10 der deutschen Handelspartner. Dabei dominieren Sondereffekte.
06.03.2024
Von Marc Lehnfeld | London
Nach fünf Jahren des Abstiegs in der Rangfolge der wichtigsten deutschen Handelspartner erlebt der deutsche Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich einen neuen Aufschwung. Die seit Mitte Februar bestätigten Jahresdaten des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die britische Insel im Jahr 2023 von Platz 11 auf Platz 9 der deutschen Handelspartner vorgerückt ist und damit ein Comeback im deutschen Handelsranking feiert.
Von einer rasanten Handelsentwicklung kann jedoch keine Rede sein, denn der deutsche Warenhandel mit dem Vereinigten Königreich wuchs im Vergleich zum Vorjahr nominal nur um 0,9 Prozent – damit aber immer noch stärker als mit anderen wichtigen Handelspartnern. Angesichts der deutlich höheren Inflation ist sogar davon auszugehen, dass der Handel zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich im Berichtszeitraum preisbereinigt leicht geschrumpft ist. Für den Aufstieg im Ranking sind vor allem starke deutsche Ausfuhren und Sondereffekte verantwortlich. Dazu gehört vor allem eine Wiederbelebung der Automobilproduktion und -nachfrage auf beiden Seiten des Ärmelkanals und eine außergewöhnlich starker Goldhandel.
Nachfrage nach Pkw wächst
Die deutschen Ausfuhren von Pkw legten 2023 um fast ein Viertel zu, weil die britische Nachfrage nach Autos um 18 Prozent gestiegen ist. Autos sind mit einem Anteil von fast 19 Prozent das wichtigste deutsche Exportgut auf die Insel. Auch die Pkw-Produktion ist im Vereinigten Königreich und in Deutschland im letzten Jahr laut den Branchenverbänden SMMT und VDA um 17 beziehungsweise 18 Prozent gestiegen, was das deutsch-britische Handelsvolumen mit Kfz-Teilen und Motoren um knapp 7 Prozent antrieb. Insgesamt machen Pkw, Kfz-Teile und Motoren rund 22 Prozent im gesamten deutsch-britischen Handel aus.
Auch 2024 wird ein gutes Jahr in der britischen Automobilwirtschaft, wenn auch mit etwas nachlassender Dynamik. Der britische Automobilverband SMMT prognostiziert für dieses Jahr fast 2 Millionen Pkw-Neuregistrierungen, was einem Anstieg um 3,7 Prozent entspräche. Auch die Pkw-Produktion soll laut Branchenverband um 3 Prozent zulegen.
Güterkategorie | Volumen (in Mrd. Euro) 1) | Anteil | Nominale Veränderung gegenüber 2022 |
---|---|---|---|
Gesamt | 78,3 | 100,0 | 6,2 |
Pkw 2) | 14,5 | 18,5 | 24,6 |
Kfz-Teile 3) | 3,7 | 4,7 | 6,5 |
Industriemaschinen 4) | 11,3 | 14,4 | 7,9 |
Elektronik und Elektrotechnik 5) | 7,4 | 9,5 | 3,2 |
Chemische Erzeugnisse (exklusive Pharma) 6) | 6,8 | 8,7 | -10,2 |
Goldener Glanz im deutschen Export
Ein weiterer Sondereffekt trug 2023 maßgeblich zum deutlichen Anstieg der deutschen Exporte ins Vereinigte Königreich bei: nicht monetäres Gold, das also nicht als Währungsreserve von Zentralbanken eingesetzt wird. In den vergangenen Jahren spielte der deutsche Goldexport auf die Insel eine geringe Rolle. Er machte beispielsweise im Jahr 2022 nur etwa 1 Prozent der gesamten deutschen Exporte ins Königreich aus. Ganz anders im Jahr 2023: Mit 4.899 Tonnen verzeichnete der World Gold Council einen Rekord in der globalen Nachfrage nach dem Edelmetall. Davon profitierte der London Bullion Market als weltweit wichtigster Handelsplatz für außerbörslichen Goldhandel. Schließlich war der Hauptgrund für den deutschen Exportanstieg die starke globale Nachfrage nach außerbörslichem Over-the-Counter-Gold (OTC), dessen Handelsvolumen im Jahr 2023 um 753 Prozent auf 450 Tonnen gestiegen ist.
Die deutschen Goldausfuhren ins Vereinigte Königreich vervierfachten sich dadurch und machten im Jahr 2023 rund 5 Prozent der gesamten deutschen Exporte aus. Die Menge an Gold, die exportiert wurde, stieg um das 2,7-fache auf 73 Tonnen. Der außerordentliche Anstieg im Goldhandel hat jedoch keine Auswirkungen auf die Realwirtschaft und treibt den bilateralen Handel, neben dem Auto-Effekt, eher künstlich an.
Hohe Dynamik bei Ausrüstungsinvestitionen
Industriemaschinen zählten als zweitwichtigstes Exportgut ebenfalls zu den Treibern des deutschen Exportwachstums. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete ihre Ausfuhr auf die Insel im Jahr 2023 einen überdurchschnittlichen Anstieg von 7,9 Prozent. Damit profitierten deutsche Maschinenbauer von hohen britischen Ausrüstungsinvestitionen, die 2023 nominal um 7,7 Prozentpunkte zulegten. Ein wesentlicher Grund für die gestiegenen Investitionen sind staatliche Sonderabschreibungen, die zuletzt im April 2023 als "full expensing" für bestimmte Maschinen- und Anlageninvestitionen eingeführt wurden.
Da auch der Körperschaftsteuersatz für hohe Gewinne von 19 auf 25 Prozent gestiegen ist, lohnen sich abschreibungsfähige Investitionen für profitable britische Unternehmen derzeit mehr denn je. Das ursprünglich bis Ende März 2026 befristete "full expensing" wurde Ende 2023 entfristet. Investitionen bleiben damit zwar weiter attraktiv, der zeitliche Druck, von der Maßnahme zu profitieren, fällt aber vorerst weg. Daher dürfte sich das Investitionsgeschehen in den nächsten Jahren etwas abschwächen und auch die Dynamik der deutschen Industriemaschinenexporte dämpfen.
Rückgang der britischen Erdölimporte bremsen deutsche Einfuhren
Das insgesamt geringe Wachstum des deutsch-britischen Handelsvolumens im Jahr 2023 - nur knapp 1 Prozent nominal - ist größtenteils auf den Rückgang der Einfuhren um fast 9 Prozent zurückzuführen. Dieser Rückgang hat zwei entscheidende Gründe: Zum einen sind die deutschen Erdöleinfuhren aus dem Vereinigten Königreich wertmäßig nominal um 28 Prozent gesunken. Dies ist nur zum Teil auf einen Mengenrückgang um 9 Prozent zurückzuführen, sondern vor allem auf den Preisverfall im vergangenen Jahr. Schließlich ist der Preis für Rohöl (Brent Crude) 2023 laut Statista um mehr als 18 Prozent auf 82,5 US-Dollar pro Barrel gefallen.
Güterkategorie | Volumen (in Mrd. Euro) 1) | Anteil in % | nominale Veränderung gegenüber 2022 |
---|---|---|---|
Gesamt | 36,8 | 100,0 | -8,8 |
Industriemaschinen 2) | 5,3 | 14,3 | 15,3 |
Erdöl 3) | 4,8 | 13,1 | -28,4 |
Pkw 4) | 4,3 | 11,7 | 23,5 |
Elektronik und Elektrotechnik 5) | 3,0 | 8,3 | -1,0 |
Luftfahrzeuge und -teile 6) | 3,0 | 8,1 | 19,2 |
Zum anderen wurde der Rückgang der Gesamtimporte auch durch die schwachen Arzneimittelimporte beeinflusst. Vor allem aufgrund der geringeren Nachfrage nach Corona-Impfstoffen haben sich die deutschen Pharmaimporte aus dem Vereinigten Königreich um fast die Hälfte reduziert, von 9,6 Prozent auf nun 5,6 Prozent des Gesamtimports. Hohe deutsche Importe von Industriemaschinen sowie von Flugzeugen und -teilen konnten die Rückgänge bei den Importen von Pharmazeutika und Erdöl abmildern.
- Vereinigtes Königreich
- Wirtschaftsumfeld
- Brexit
- Wirtschaftsumfeld