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Branche kompakt | Vietnam | Energiewirtschaft

Vietnam gibt erneuerbaren Energien mehr Raum

Große Industriekunden können seit Juli 2024 direkt von privaten Erzeugern Ökostrom beziehen. Das wird dem Ausbau erneuerbarer Energien einen kräftigen Schub geben.

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Ausblick der Energiewirtschaft in Vietnam

 

  • Energiesektor steht vor neuer Investitionswelle. 
  • Fossile Energieträger spielen zunächst weiter die Hauptrolle.
  • Solar- und vor allem Windkraft erhalten aber auch mehr Raum für neue Projekte.
  • Rahmenbedingungen müssen sich verbessern. 
  • Bürokratische Hürden haben sich zuletzt eher erhöht.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Juni 2024

  • Politische Ziele

    Vietnam versucht in der Energiepolitik einen schwierigen Spagat - Versorgungssicherheit bei stark steigendem Bedarf, Klimaneutralität bis 2050 und viel lokale Wertschöpfung.

    Die vietnamesische Regierung hat sich in der Energiewirtschaft drei übergreifende Ziele gesetzt. An erster Stelle steht die Energiesicherheit, die durch Stromausfälle 2023 in der energiepolitischen Debatte an Prominenz gewonnen hat. Die Ausfälle betrafen auch die Exportindustrien, von denen die Wirtschaftsentwicklung des Landes weiter stark abhängt, und könnten sich wiederholen. Der Stromverbrauch soll nach staatlicher Planung bis 2030 um etwa 10,6 Prozent pro Jahr zulegen, stieg aber 2023 und im bisherigen Jahresverlauf 2024 durch Hitzewellen bereits sehr viel stärker an.

    Vietnam muss 2030 doppelt so viel Strom bereitstellenStromerzeugung in Terawattstunden und maximale Leistung in Megawatt
     

    2023

    2025

    2030*

    2050*

    Stromerzeugung und Importe

    280,6

    378,3

    567,0

    1.224 - 1.254,6

    Bereitgestellte Leistung

    46.348

    59.318

    90.512

    185.187 - 208.555

    * Prognose.Quelle: Power development plan (PDP) 8 2023

     

    Zweites Ziel ist die Klimaneutralität bis 2050, die Vietnam bei der Weltklimakonferenz in Glasgow Ende 2021 zugesagt hatte. Den Weg dahin für den Energiesektor hat die Regierung 2023 im Energieplan PDP 8 (Power Development Plan) vorgegeben: Die Kapazitäten steigen bis 2030 gegenüber 2023 um 90 Prozent. Fossile Energien bauen ihre Anteile zunächst leicht aus. Erdgas legt gegenüber Kohle zu. Kernenergie soll weiter keine Rolle spielen. Bei erneuerbaren Energien sollen sich die Kapazitäten an Windkraft und Biomasse etwa vervierfachen. Solar- und Wasserkraft wachsen weniger stark. 

    Bis 2050 ist dann ein Umstieg fossiler Kraftwerke auf Wasserstoff (Ammoniak) und Abfälle vorgesehen, während Solarkraft und vor allem die Offshore-Windkraft kräftig zulegen sollen. Der Investitionsbedarf für neue Erzeugungskapazitäten beläuft sich laut Energieplan bis 2030 auf 120 Milliarden US-Dollar (US$). Rund 15 Milliarden US$ sollen in den Netzausbau fließen.

    Die Zeit drängt durch den stark steigenden Bedarf. Aber politische und regulatorische Hürden drohen, Projekte zu verzögern. Nach der Planung 2023 arbeitet die Regierung 2024 an den Umsetzungsvorschriften. Mit direkten Abnahmeverträgen hat die Regierung im Juli 2024 eine wichtige neue Möglichkeit für private Investitionen geschaffen, die zu einem Boom bei Aufdach-Solaranlagen führen dürfte. Andere wichtige Weichenstellungen stehen aber noch aus. Daher erscheint das Erreichen der Ausbauziele 2030 für erneuerbare Energien inzwischen als unwahrscheinlich.

    Das dritte Ziel der Energiepolitik ist es, eine möglichst hohe Wertschöpfung beim Um- und Ausbau des Energiesektors im Inland zu erzielen. Vietnam ist bereits ein wichtiger Standort für die Fertigung von Solarpanelen sowie in geringerem Maße für Türme für Windturbinen und Umspannplattformen für Offshore-Wind. Entsprechende Local-content-Vorgaben könnten den Ausbau aber verlangsamen.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Markttrends

    Viele Investoren stehen bereit, um eine neue Investitionswelle in Gang zu setzen. Es fehlen aber noch wichtige regulatorische Weichenstellungen.

    Der Energiesektor in Vietnam steht stark unter Druck, die Stromerzeugung auszuweiten. Der Stromverbrauch und die Spitzenlast steigen stetig an, während sich große Kraftwerksprojekte und der Ausbau der Stromnetze in den vergangenen Jahren verzögert haben. Nach massiven Stromausfällen 2023 hat die Regierung große Anstrengungen unternommen, um eine Wiederholung 2024 zu vermeiden. Aber das Blackout-Risiko bleibt.

    Gleichzeitig hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen und ausländische Investoren fordern den Zugang zu garantiert erneuerbarer Energie. Mit dem Power development plan 8 (PDP 8) hat die Regierung Ziele für Ausbau und Energiemix vorgegeben. Viele Investoren stehen in den Startlöchern.

    Neue Investitionswelle muss erst in Gang kommen

    Noch müssen aber wichtige regulatorische Weichen gestellt werden, damit nach starken Investitionen in Kohlekraftwerke in den 2010er Jahren und zwischen 2018 und 2020 in Wind- und Solarparks eine neue Investitionswelle in Gang kommen kann. Neue Regularien betreffen vor allem "neue" Bereiche wie Flüssiggas (LNG) und Offshore-Windkraft, aber auch Wind- und Solarkraft an Land. Als wichtigen ersten Schritt hat die Regierung Anfang Juli 2024 ein Dekret für direkte Abnahmeverträge (DPPA) für erneuerbaren Strom erlassen. 

    Fehlende neue Regularien bedeuten nicht, dass alle Energievorhaben derzeit stillstehen, aber gerade Projekte der erneuerbaren Energien stehen unter strengeren Regularien. Weiter werden Kohle- und Gaskraftwerksprojekte (sowie Terminals zum Flüssiggasimport) umgesetzt. Die Kohlekraft soll 2030 mit 30,1 Gigawatt ihren Höchststand erreichen gegenüber 26,8 Gigawatt 2023. Eine Reihe von Projekten hatte zuletzt allerdings Schwierigkeiten bei der Finanzierung, weil viele Banken der Kohlekraft den Rücken kehren. 

    LNG-Kraftwerke verzögern sich

    Bei anderen drängt die Regierung auf eine schnellere Realisierung, um drohende Versorgungslücken in den kommenden Jahren zu schließen und den Rückstand bei LNG-Projekten zu überbrücken. Bei Gaskraftvorhaben sind deutsche Ingenieurbüros in der Planung aktiv und könnten weiter vom Ausbau profitieren. Der Start vieler LNG-Projekte hat sich verzögert, weil Investoren höhere Abnahmegarantien fordern.

    Von 2030 bis 2050 sollen alle Kohlekraftwerke umgerüstet oder stillgelegt werden. Dafür gibt es derzeit keinen Zeitplan. Zunächst sollen Anlagen, die älter als 40 Jahre sind und wo keine Umrüstung möglich ist, stillgelegt werden. Anlagen über 20 Jahre sollen auf Biomasse und Ammoniak umsteigen. 

    Solardächer vor Ausbauboom

    Der Ausbau erneuerbarer Energien und vor allem die Entwicklung neuer Projekte hat sich stark verlangsamt. Günstige Einspeisetarife hatten ab 2018 einen Ausbauboom in der Solar- und Windkraft befeuert. Mit dem Auslaufen der Tarife ist er 2021 zu Ende gegangen. So überstieg der Ausbau bei weitem die Pläne der Regierung und die Aufnahmefähigkeit der unterentwickelten Netze. 

    Die Regierung will eine Wiederholung dieses unkontrollierten Ausbaus vermeiden. Daher gibt es keine neuen Einspeisetarife und in der Planung bis 2030 zunächst keine neuen Solarparks. Der PDP 8 sieht aber wohl einen kräftigen Zubau bei Onshore-Windkraft, ein ambitioniertes Ziel für Off-Shore-Windparks und mindestens 2,6 Gigawatt für neue Solaraufdachanlagen vor. 

    Eine Ausnahme sind Aufdachsolaranlagen für die Industrie, wo weiter Vorhaben umgesetzt werden, allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten, wie Entwickler berichten. Das neue DPPA-Dekret wird diesem Segment neuen Schwung verleihen. Die Nachfrage gilt als gewaltig.

    Allerdings kommen die verbauten Solarpanele weitgehend von chinesischen Herstellern, die auch zum Teil im Land Panele zusammenbauen. Bei Wechselrichtern halten Huawei und Sungrow etwa 70 Prozent des Marktes und gewinnen weiter Anteile hinzu. ESCO-Firmen (siehe Branchenstruktur) sind auch interessante Abnehmer für deutsche Ausrüstungen, weil sie als Investoren und Betreiber auf Langlebigkeit und Verlässlichkeit setzen. 

    Große Unsicherheit in der Windkraft

    Für die Windkraft fehlen neue Regularien, vor allem für den für Vietnam völlig neuen Bereich der Offshore-Windkraft. Dem Vernehmen nach will die Regierung das Ziel von 6 Gigawatt an Offshore-Windkraft bis 2030 durch Pilotprojekte unter Beteiligung von Staatsunternehmen aus dem Ölsektor erreichen. Das Ziel gilt als sehr ambitioniert. Bei Onshore-Windparks ist derzeit unklar, wie Vorhaben künftig ausgewählt werden sollen. Auktionen gelten als wahrscheinlich. 

    6 Gigawatt

    neue Offshore-Windparks will Vietnam bis 2030 errichten. 

    Deutsche Entwickler wie Bay Wa, Enertrag, WPD und PNE bereiten weiter Projekte vor (etwa mit Windmessungen). Nach dem chaotischen Ausbau der Vergangenheit rechnen sich die Entwickler gute Chancen aus. Um noch in den Genuss günstiger Einspeisetarife zu kommen, waren Vorhaben überhastet und schlecht umgesetzt worden. Dadurch haben viele Investoren derzeit Probleme, Windparks weiterzuverkaufen. Nach Erwartung von Experten dürften chinesische Anbieter der Konkurrenz aus dem Westen, die bisher den Ausbau dominiert hatte, in der nächsten Phase den Rang ablaufen. 

     

    Gute Geschäftschancen im Netzausbau

    Der Netzausbau stockte in den letzten Jahren. Die Netzentgelte sind im internationalen Vergleich gering und Kredite ausländischer Entwicklungsbanken kommen seit 2020 aufgrund bürokratischer Hürden nicht mehr zum Einsatz. Seit 2022 versucht die Regierung, den Bau einiger Trassen im Eiltempo umzusetzen, um die Stromversorgung im Norden des Landes zu verbessern. 

    Die Geschäftsmöglichkeiten sind gut, auch für deutsche Firmen wie Siemens oder Maschinenfabrik Reinhausen, die bereits seit vielen Jahren im Netzausbau in Vietnam aktiv sind. Nach Regierungsplänen sollen bis 2030 etwa 1,5 Milliarden US$ pro Jahr investiert werden gegenüber 0,8 Milliarden US$ vor der Coronakrise. 

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Branchenstruktur

    Staatsunternehmen spielen weiter eine wichtige Rolle. Aber es haben sich in den letzten Jahren auch viele private Akteure aus dem In- und Ausland im Markt in Vietnam etabliert.

    Der Energiesektor in Vietnam hat sich in den letzten zehn Jahren stark entwickelt. Der Zubau an neuen Erzeugungskapazitäten erfolgte zuletzt vor allem durch private Akteure. Staatsunternehmen spielen aber bei der Stromerzeugung weiter eine große Rolle und Übertragung sowie Verteilung sind vollständig in der Hand von Staatsunternehmen.

    EVN ist mit seinen vielen Tochterunternehmen der größte Stromerzeuger und betreibt vor allem Kohle- und Wasserkraftwerke, aber auch die Übertragungsnetze. Vinacomin ist das größte Bergbauunternehmen des Landes, fördert Kohle und verfeuert diese gemischt mit importierter Kohle in eigenen Kohlekraftwerken. Die guten Vorkommen in Vietnam gehen allerdings langsam zur Neige. Daher versucht Vinacomin im Delta des Roten Flusses neue Lagerstätten zu erschließen

    PV Power gehört zum staatlichen Ölkonzern PetroVietnam und betreibt Öl- und Gaskraftwerke. Das Unternehmen ist der unumgängliche staatliche Partner für ausländische Firmen bei der Entwicklung von LNG-Kraftwerken und Terminals. EVNNPT gehört zu EVN und betreibt die Hochspannungsnetze im Land. Darunter gibt es drei regionale Netzbetreiber (Norden, Zentrum, Süden) und zuguterletzt fünf regionale Stromversorger (Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt, Norden, Zentrum und Süden) für die Verteilung an die Endabnehmer.

    Hinzu kommen zahlreiche private Stromerzeuger, die in PPP-Vorhaben (Public-Private-Partnership) Strom für EVN erzeugen und rund 60 Prozent der Erzeugungskapazitäten auf sich vereinigen. Das können Joint Venture sein oder auch verschiedene Ausprägungen von Betreibermodellen (BOT, BOO, etc.). Aus dem Ausland sind im Bau und teilweise auch im Betrieb von fossilen Kraftwerken vor allem Sumitomo, Marubeni und Tokyo Electric Power aus Japan, Kepco aus Südkorea, China Southern Power Grid aus China und Sembcorp aus Singapur aktiv. Viele große Wasserkraftwerke werden von EVN und anderen vietnamesischen Firmen betrieben, darunter Bitexco, Trung Nam, Hung Hai Construction und Hoang Anh Gia Lai. 

    Ausbau erneuerbarer Energien hat zahlreiche ausländische Akteure ins Land gelockt

    Der Ausbauboom bei Wind- und Solarkraft zwischen 2018 und 2021 hat eine Reihe ausländischer und lokaler Entwickler und Ausrüster auf den Plan gerufen. Aus dem Ausland sind unter anderem Ayala (Philippinen), B. Grimm (Thailand), Climate Fund Managers (Niederlande), Nexif (Singapur), Renova (Brasilien), Gulf Energy (Singapur) und EAB aus Deutschland aktiv. Auf vietnamesischer Seite sind Trung Nam, Bamboo Capital, BIM Group, Phuong Mai und Super Wind größere Entwicklerfirmen. Deutsche Firmen wie Enertrag, PNE, Bay Wa und wpd bereiten Vorhaben in der Windkraft vor und deutsche Ingenieursfirmen wie ILF und Fichtner beraten Energieprojekte in Vietnam. PNE etwa will vor der Küste der zentralvietnamesischen Provinz Binh Dinh einen Offshore-Windpark mit 2 Gigawatt ins Meer stellen. 

    Eine Ausnahmeerscheinung auf deutscher Seite ist Ecoligo. Die Crowd-sourcing-Plattform finanziert seit einigen Jahren in Vietnam Aufdachsolarprojekte. In dem Segment gibt es eine wachsende Anzahl von Firmen und Industrieparkbetreibern, die als Dienstleister (energy service companies, ESCO) vor allem für Industrieunternehmen Aufdach-Anlagen finanzieren und installieren oder das Geschäft erst aufbauen. Etwa 80 Prozent der Anlagen wurden in den vergangenen drei Jahren von ESCO-Firmen installiert. Im Gegenzug zahlt das Unternehmen den gleichen Strompreis oder weniger an die ESCO-Firma. 

    Inzwischen gibt es für konventionelle Kraftwerke und erneuerbare Energien zahlreiche Ingenieursfirmen (EPC, Engineering procurement and construction), die Projekte planen und mit Hilfe lokaler Baufirmen umsetzen. Größere EPC-Firmen sind die EVN-Tochterfirma PCC1 vor allem beim Netzausbau, Lilama im Bau von Kohle- und Gaskraftwerken und Song Da im Bau von Wasserkraftwerken. 

    Vietnam baut Fundamente für Offshore-Windkraftanlagen und Solarpanele

    Für erneuerbare Energien ist Vietnam auch auf der Ausrüstungsseite ein immer wichtigerer Standort geworden. Die Entwicklung der Offshore-Windkraft steht in Vietnam zwar noch ganz am Anfang. Aber Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor, allen voran PTSC, haben begonnen, Komponenten für Anlagen und ganze Plattformen für Offshore-Vorhaben in Ostasien zu bauen. 

    PTSC ist der technische Dienstleister des staatlichen Ölkonzerns PetroVietnam. Die Firma hat 2023 einen Vertrag mit dem Offshore-Entwickler Orested aus Dänemark zum Bau von 33 Fundamenten für einen Offshore-Windpark in Taiwan abgeschlossen. Dafür baut PTSC auch ganze Umspannplattformen. Für die norwegische Firma Equinor ist der Bau von treibenden Plattformen für Anlagen für Offshore-Vorhaben in Südkorea im Gespräch. Marubeni aus Japan und Doosan Enerbility aus Südkorea planen ebenfalls den Bau von Fundamenten für Windkraftanlagen in Vietnam.

    Hersteller von Solarpanelen unter Druck

    Externe Faktoren haben dazu geführt, dass Vietnam heute ein wichtiger Standort für die Herstellung von Solarpanelen ist. Die USA haben seit 2012 Strafzölle auf Solarpanele aus China erhoben. Zahlreiche chinesische Hersteller wie Trina Solar, JA Solar und Jinko hatten daher in den letzten Jahren Fabriken für Solarpanele in Vietnam (aber auch in Thailand, Malaysia und Kambodscha) errichtet. In den letzten Jahren kamen etwa 30 Prozent der Solarpanele in den USA aus Vietnam. 

    Im März 2022 startete das US-Handelsministerium eine Untersuchung aufgrund des Verdachts, dass Hersteller in Vietnam und den drei anderen Ländern die Strafzölle auf Panele aus China umgehen. Die Behörde erhob daraufhin Strafzölle auf Panele aus allen vier Ländern, die aber bis Juni 2024 ausgesetzt waren, um den Solarausbau in den USA nicht auszubremsen. Aufgrund der jetzt aktiven Strafzölle sind einige große Fabrikprojekte in Vietnam gestoppt worden. Von den Strafzöllen ausgenommen sind Hersteller, die eine hohe lokale Wertschöpfung nachweisen können. Einige Hersteller haben daher zusätzlich Fabriken für Wafer in Vietnam errichtet.

    Wichtige Branchenunternehmen in VietnamUmsatz in Millionen US-Dollar

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2023 

    EVN (Electricity Vietnam)Staatlicher Stromkonzern, aktiv in Erzeugung, Übertragung, Verteilung

    20.829

    VinacominStaatlicher Bergbaukonzern, aktiv in Kohleförderung und -verstromung

    7.125

    Song Da Investment and ConstructionKonglomerat, aktiv im Bausektor allgemein und im Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken

    2.418

    PV PowerStaatlicher Stromerzeuger, aktiv in der Gas- und Wasserkraft (Teil des Erdölkonzerns PetroVietnam)

    1.283

    EVNNPTStaatlicher Betreiber der Hochspannungsnetze (Teil von EVN)

    819

    REEPrivates Konglomerat aktiv in Stromerzeugung, Wasserversorgung, Gebäudetechnik und Immobilien

    365

    PC1Ingenieursfirma aktiv im Kraftwerksbau und -betrieb

    326

    Trung Nam GroupEntwickler und Betreiber von Wind- und Solarparks und Wasserkraftwerken

    k.A.

    IPC Engineering and ConstructionEntwickler und Betreiber von Wind- und Solarparks, auch aktiv im Netzausbau

    k.A.

    Gia Lai ElectricityEntwickler und Betreiber von Wind- und Solarparks und Wasserkraftwerken

    k.A.

    Wechselkurs 1 US$ = 23.861 VND.Quelle: GTAI Recherche, Deutsche Bundesbank 2024

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Marktorganisation und Rahmenbedingungen

    Direkte Abnahmeverträge zwischen Erzeugern und Industrie werden viele Projekte ermöglichen. Andere wichtige neue Regularien sind aber noch in der Ausarbeitung. 

    Der Energiesektor untersteht in Vietnam dem Ministerium für Industrie und Handel (Ministry of Industry and Trade, MOIT) und hier ist das General Directorate of Energy für die strategische Planung zuständig. Die Regulierungsbehörde ERAV (Electricity Regulatory Authority of Vietnam) untersteht dem MOIT ebenso wie das wichtigste Staatsunternehmen im Energiesektor Electricity Vietnam (EVN). Alle zehn Jahre erstellt das Ministerium einen Power Development Plan (PDP), der beim Ausbau der Kapazitäten und der Netze sowie beim Energiemix die Ziele für verschiedene Zeiträume vorgibt. Der derzeit gültige PDP 8 wurde mit zwei Jahren Verspätung im Mai 2023 verabschiedet.  

    Der Plan war zuvor wiederholt angepasst worden, weil sich die politischen Leitlinien immer wieder verändert hatten. Im November 2021 verkündete Vietnam auf der Weltklimakonferenz in Glasgow das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Allerdings setzte Vietnam weiter auf eine starke Ausweitung der Kohlekraft und auf einen verhaltenen Hochlauf erneuerbarer Energien. Eine Reihe von Industrieländern, darunter Deutschland und die EU handelten daraufhin mit Vietnam eine Vereinbarung aus, um die Energiewende zu beschleunigen. Diese im Dezember 2022 geschlossene Just Energy Transition Partnership (JETP) sieht eine Höchstleistung auf Kohlebasis von 30 Gigawatt schon 2030 vor und einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien. Im Gegenzug haben die internationalen Partner Vietnam 15,5 Milliarden US-Dollar an Krediten und Zuschüssen in Aussicht gestellt, jeweils die Hälfte von den Staaten und von privaten Banken. Der PDP 8 stimmt weitgehend mit den JETP-Zielen überein. 

    Vietnam setzt zunächst auf Gas- und WindkraftAusbauziele laut PDP 8, installierte Leistung in Gigawatt
     

    2023

    2030

    2050

    Kohle/Erdöl

    27,8

    30,1

    0

    Wasser

    22,6

    31,7

    36

    Solar

    19,7

    22,2

    168,6-189,3

    Gas/Flüssiggas (LNG)

    7,2

    37,3

    7,9

    Wind (auf Land)

    5.,9

    21,9

    60,1-77,1

    Biomasse/Wasserstoff/Ammoniak

    0,4

    2,3

    55,1-66,3

    Offshore-Wind

    0

    6

    70-91,5

    Batteriespeicher

    0

    0,3

    30,7-45.,6

    Abwärme

    0

    2,7

    4,5

    Gas/LNG oder Wasserstoff1)

    -

    -

    4,5-9

    Flexible schnellstartende Stromquelle2)

    0

    0

    30,9-46,2

    Gesamt3)

    83,6

    154,6

    468,2-573,4

    1 diese Gas-Kraftkapazitäten sollen nach Möglichkeit auf Wasserstoff umgestellt werden, 2 schnell startende Grundlast zur Stabilisierung der Stromerzeugung, 3 ohne Importe und Exporte.Quelle: Nang Luong Vietnam 2024, EVN 2024, Power development plan (PDP) 8 2023

    Er sieht zwei Phasen vor. Bis 2030 setzt Vietnam vor allem auf den Ausbau von Wind- und Gaskraft. Letztere als Brückentechnologie für Kohlekraftwerke. Durch den Zubau bei Gas- und Kohlekraft verlieren erneuerbare Energien bis 2030 leicht an Anteilen gegenüber fossilen Energieträgern. 

    Ab 2030 sollen Kohlekraftwerke auf Biomasse, Abfälle und Ammoniak umgerüstet oder stillgelegt werden. Gaskraftwerke sollen ebenfalls großteils auf Wasserstoff umsteigen. Wind- und Solarkraft erfahren eine massive Ausweitung.

    Der Ausbau der Kapazitäten wird über verschiedene Instrumente gesteuert. EVN ist der einzige Abnehmer. Einzige Ausnahmen sind Selbstversorgungsvorhaben (Aufdach-Solar) und die seit Juli 2024 möglichen direkten Stromabnahmeverträge (DPPA). Bei fossilen Kraftwerken und großen Wasserkraftwerken kommen vielfach Tender oder bilaterale Vereinbarungen mit einer Finanzierung durch eine ausländische Entwicklungs- und Exportkreditbank zum Einsatz. Vor allem koreanische, japanische und chinesische Banken, aber auch die deutsche KfW spielen hier eine Rolle. 

    Projekte werden vielfach als Public-Private-Partnership (PPP) in verschiedenen Formen durchgeführt, etwa als Betreibermodelle wie BOT (build operate transfer) oder als Joint Venture. Für erneuerbare Energien gab es zwischen 2018 und 2021 Einspeisetarife für Wind- und Solarkraft. Darüber hinaus waren und sind weiterhin Aufdachanlagen für Selbstversorgungsprojekte ohne Einspeisung in der Industrie möglich.

    Nach langer Planung kommt die Umsetzung erst schleppend in Gang

    Das Instrumentarium zu Erreichung der Ausbauziele des PDP 8 ist derzeit weitgehend noch in der Anpassung oder muss erst geschaffen werden. Etliche Rechtsvorhaben zirkulieren bereits seit Monaten als Vorlage. Mit Stand Anfang Juli 2024 waren sie aber noch nicht verabschiedet worden. Die Unsicherheit blockiert viele Vorhaben und hat dazu geführt, dass einige ausländische Firmen Vietnam wieder verlassen haben.

    Die Verzögerungen bei Planung und Gesetzgebung sind nicht nur der Komplexität der Materie geschuldet. Die Antikorruptionskampagne der Kommunistischen Partei hat auch den Energiesektor erfasst. Das zuständige Ministerium für Industrie und Handel (MOIT) soll bei der Lizenzvergabe für Solar- und Windprojekte in der Phase der Einspeisetarife zu freihändig gewesen sein. Eine Untersuchung verzögert neue gesetzliche Vorschriften und Genehmigungen.

    Bei den neuen Regularien geht es für fossile Energien darum, eine Finanzierung durch private Finanzinstitutionen zu erleichtern. Der staatliche Stromkonzern EVN (Vietnam Electricity) ist stark verschuldet und der Staat ist bei der Schuldenaufnahme sehr zurückhaltend. Daher wird der Privatsektor einspringen müssen, um einen Großteil des Investitionsbedarfs für Kapazitäts- und Netzausbau, der im PDP 8 mit rund 135 Milliarden US-Dollar (US$) veranschlagt ist, zu finanzieren. Beispielsweise fordern Investoren in Flüssiggasterminals weitgehende Abnahmegarantien. Investoren in fossile Kraftwerke drängen darauf, dass die Bereitstellung von Erzeugungskapazitäten, angesichts immer mehr erneuerbarer Energien vergütet wird.  

    Direkte Abnahmeverträge dürften Boom bei Aufdach-Anlagen auslösen

    Für erneuerbare Energien hat die Regierung als erstes wichtiges neues Instrument per Dekret (No. 80) Anfang Juli 2024 direkte Abnahmeverträge (DPPA, direct purchasing power agreement) zwischen Erzeugern und industriellen Großverbrauchern ermöglicht. Möglich ist das entweder direkt über eine eigene Leitung oder über das nationale Stromnetz. 

    Die Regierung stand unter erheblichem Druck. Einige ausländische Investoren hatten öffentlich bekundet, dass sie ohne direkten Zugang zu erneuerbarem Strom nicht weiter in Vietnam investieren könnten. Viele ausländische Firmen mit Fabriken oder Einkaufsaktivitäten in Vietnam haben sich globale Ziel für erneuerbare Energien oder Klimaneutralität gesetzt, und dies oftmals schon für 2030. Daher wollen sie direkt erneuerbaren Strom beziehen und drängen auch ihre Zulieferer dazu. 

    Die Nachfrage gilt als gewaltig. Die Möglichkeit steht Abnehmern von mindestens 200.000 Kilowattstunden pro Monat offen. Das sind nach EVN-Informationen immerhin 7.700 Unternehmen. Bisher gibt es in der gesamten Industrie rund 4.200 Aufdachanlagen mit einer Leistung von 2.230 Megawatt peak. 

    Auch andere Energieformen wie Windkraft und Biomasse sind möglich. Diese benötigen aber in der Regel eine Netzdurchleitung. Für sogenannte virtuelle DPPA über das nationale Stromnetz fehlen aber noch weitere Umsetzungsvorschriften. Vereinzelt gibt es Vorhaben für Windparks neben Industrieparks, wo ein direkter Anschluss denkbar ist. Zunächst dürfte die DPPA-Möglichkeit aber vor allem einen Boom bei Aufdach-Fotovoltaikanlagen auslösen. 

    Für Aufdachanlagen plant die Regierung über die DPPA-Möglichkeit für die Industrie hinaus besondere Regeln. Bisher hieß es, die Regierung wolle aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Phase der Einspeisetarife (2018 bis 2021) keine Vergütungen gewähren, sondern allenfalls die Umsetzung von Projekten für alle Gebäude vereinfachen. Inzwischen ist der Verkauf von Überschüssen an EVN wieder in der Diskussion. Das könnte die Attraktivität neuer Vorhaben trotz niedriger Strompreise verstärken, besonders für Büro- und Wohngebäude. Bis 2030 sollen hier nach Regierungsplänen 50 Prozent aller Dachflächen mit Solarpanelen ausgestattet werden. Angesichts niedriger Strompreise sind die Anreize gering und es passiert bisher wenig. 

    Windkraftvorhaben warten auf neue Regularien

    In der Windkraft muss für den Offshore-Bereich noch der gesetzliche Rahmen für die Umsetzung von Projekten in Meeresgebieten geschaffen werden. Generell ist für Projekte an Land sowie auf dem Wasser weiter die Frage der Auswahl von Projekten offen. Viele Unternehmer erwarten Auktionen, aber auch dafür fehlt bisher der Rechtsrahmen. 

    Dem Vernehmen nach sollen erste Vorhaben (bis 2032, nicht wie geplant bis 2030) von Staatsunternehmen aus dem Öl- und Gassektor wie PetroVietnam durchgeführt werden. Anders als bei anderen Technologien wie Solar- und Windkraft an Land will die Regierung Teile der Wertschöpfung im Offshore-Bereich in Vietnam ansiedeln. Unklar ist aber weiterhin, wie die Mindestanforderungen aussehen sollen. Ausrüstungen für Offshore-Projekte werden zum Teil bereits im Lande hergestellt (siehe Abschnitt Branchenstruktur).   

    Tipps für den Markteinstieg
    • Bringen Sie viel Geduld mit: der Gesetzesrahmen ist noch zum Teil in Ausarbeitung und kann dann auch je nach Provinz noch unterschiedlich ausgelegt werden. Zusagen sind daher nicht immer felsenfest.
    • Bereiten Sie Vorhaben aber schon vor und lernen Sie die Akteure in Ihrem Bereich kennen: Die Community wird etwa gleich bleiben.
    • Bringen Sie ihre Ausrüstungen möglichst bei vielen mittelgroßen EPC-Ingenieurbüros unter und stellen Sie einen guten Service sicher.

     

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade and InvestAußenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Exportinitiative Energie

    Informationen zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

    Factsheets der Exportinitiative Energie

    Factsheets mit allgemeinen Energieinformationen zum Land (teilweise mit Technologie- oder Anwendungsfokus)

    AHK Vietnam

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in Vietnam

    Ministry of Industry and Trade (MOIT)

    Ministerium für Industrie und Handel, zuständig für den Energiesektor

    General Directorate of Energy

    Generaldirektion für Energie beim MOIT, zuständig für politische Strategie und Planung

    MOIT/GIZ Energy Support Programme

    Internetplattform zu den Programmen für technische Unterstützung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Energiesektor

    Vietnam Energy Online

    Fachzeitschrift zu Energiethemen

    Green Economy Forum and Exhibition (GEFE)

    Jährliche Messe und Konferenz für Nachhaltigkeit der europäischen Unternehmen in Vietnam, organisiert von der Europäischen Kammer (Eurocham)

    ETE und ENERTECH EXPO 2024Energiemesse, jährlich in Ho-Chi-Minh-Stadt

    Renewable Energy Vietnam (RE & EE Vietnam)

    Messe für erneuerbare Energien, jährlich in Ho-Chi-Minh-Stadt
    ENE HanoiEnergiemesse, jährlich in Hanoi

     

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