Rechtsbericht Welt Vertragsrecht
Strafzölle in internationalen Lieferverträgen
Manchmal ändern sich Verhältnisse so sehr, dass internationale Lieferverträge nicht mehr wirtschaftlich oder durchführbar sind. Was sagt das Recht dazu?
11.04.2025
Von Karl Martin Fischer | Bonn
Die neuen US-Importzölle für Waren verändern den internationalen Handel grundlegend. Sie können erhebliche Auswirkungen auf Kostenstrukturen und Lieferketten haben. Häufig wird die Frage sein, wer in der Lieferkette letztendlich für diese Zölle bezahlt, oder wer den Schaden aus einer möglichen Unterbrechung einer Lieferkette trägt.
Verträge als wichtigste Rechtsquelle
Antworten auf die aufgeworfenen Fragen werden sich häufig in den Verträgen finden, die Unternehmen mit ihren Geschäftspartnern abgeschlossen haben. Dort sollte geregelt sein, wer die Einfuhrzölle zahlt und ob – und auf welche Weise – zusätzliche Zölle weitergegeben werden können. Möglicherweise sind eine Aussetzung, Neuverhandlung oder sogar Beendigung des Vertrages vorgesehen, wenn die Zölle die Erfüllung unwirtschaftlich machen.
Wer zahlt die Zölle?
Grundsätzlich liegt die rechtliche Verpflichtung zur Exportfreimachung beim eingetragenen Importeur. Wer dies ist, hängt von der vertraglichen Vereinbarung ab. Häufig werden insofern Incoterms®-Regeln vereinbart. Diese enthalten viele Möglichkeiten der Aufgabenverteilung. Zwischen "Delivered Duty Paid" (DDP - Verantwortung der Verkäuferseite) und “Ex Works” (EXW - Verantwortung des Käufers) gibt es verschiedene weitere Standardklauseln, die verschiedene Mittelwege anbieten. Details hierzu bietet GTAI in dem Bericht über den Einfluss des Zoll- und Außenwirtschaftsrechts auf die Vertragsgestaltung.
Preisklauseln
Viele Verträge enthalten Bestimmungen, die Preisanpassungen ermöglichen, wenn sich relevante Kostenfaktoren drastisch ändern. Je nach konkreter Formulierung können diese genutzt werden, wenn beispielsweise keine klare Zuordnung der Verantwortung für die Verzollung gegeben ist. Auch wenn sie selbst keine klare Regelung enthalten, können sie doch vielleicht als Anknüpfungspunkt für Verhandlungen dienen.
Höhere Gewalt
Viele Verträge, gerade im angelsächsischen Rechtskreis, enthalten sogenannte force majeure-Klauseln. Solche Klauseln gibt es in vielen Ausprägungen und Varianten. Allerdings: Allein höhere Kosten für die Lieferung von Waren aufgrund von Zöllen reichen in der Regel nicht aus, um höhere Gewalt geltend zu machen. Die meisten Rechtsordnungen betrachten einen erhöhten Aufwand allein nicht als Rechtfertigung für eine allgemeine Aussetzung von Verpflichtungen, es sei denn, die vertragliche Klausel über höhere Gewalt oder eine andere Bestimmung deckt ausdrücklich "wirtschaftliche Härten", "extreme Preisschwankungen" oder sogar “Zölle” ab.
Ist eine force majeure-Klausel anwendbar, könnte sich eine Vertragspartei auf sie berufen, um ihre Verpflichtungen zu modifizieren oder sogar auszusetzen. Dies würde verhindern, dass sie für Nichterfüllung haftbar gemacht wird und möglicherweise Schadensersatz zahlen muss.
Sonstige Härtefallklauseln
Viele Handelsverträge sehen die Möglichkeit der Änderung/Neuverhandlung/Kündigung des Vertrags auf der Grundlage einer (finanziellen oder allgemeineren) "Härtefallklausel" vor. Einige Verträge beinhalten zum Beispiel, dass bedeutende Änderungen des Rechtsrahmens eine Neuverhandlung oder – in einigen Fällen – sogar eine Kündigung ermöglichen, wenn neue gesetzliche oder behördliche Anforderungen das wirtschaftliche oder rechtliche Umfeld drastisch verändern.
Bestehen solche Bestimmungen nicht, können die Parteien eine einvernehmliche Kündigung oder eine Änderung des Vertrags aushandeln, insbesondere wenn keine der beiden Seiten von einem sich verschlechternden oder unrentablen Geschäft profitiert.
Was regeln die Gesetze?
Zunächst muss ermittelt werden, welches Recht gilt. Deutsche Gerichte ermitteln das anwendbare Recht nach den Vorschriften der Rom-I-Verordnung (VO (EG) 593/2008). Bei Kaufverträgen, für die keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen wurde, wird man häufig bei der Anwendung des UN-Kaufrechts landen. Nur wenn dieses ausdrücklich ausgeschlossen wurde, kann deutsches Recht anwendbar sein.
UN-Kaufrecht
Nach dem UN-Kaufrecht (CISG) entschuldigt Art. 79 CISG die Nichterfüllung, wenn der Betroffene nachweisen kann, dass sie auf einem nicht von ihm zu vertretenden Hindernis beruhte, das er vernünftigerweise nicht vorhersehen, vermeiden oder überwinden konnte. Die Gerichte legen die Hürden jedoch in der Regel hoch. Ob neue Zölle in der heutigen politischen Situation wirklich nicht vorhersehbar sind, ist eine komplexe Frage, die oft von den Absichten der Parteien bei Vertragsabschluss abhängt. Prinzipiell dürfte die Unvorhersehbarkeit der US-Zölle jedoch sehr schwierig zu begründen sein.
Deutsches Recht
Nach § 313 BGB kann eine Vertragspartei Anspruch auf Anpassung des Vertrages haben, wenn
sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind,
nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und
die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten,
und einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das Problem der – im Zweifel fehlenden – Unvorhersehbarkeit besteht auch hier.
§ 313 Abs. 1 BGB sieht primär einen Anspruch auf inhaltliche Anpassung des Vertrages vor. Nur wenn eine Anpassung nicht möglich oder dem anderen Vertragspartner nicht zumutbar ist, gibt § 313 BGB das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, beziehungsweise den Vertrag durch Kündigung zu beenden.
Kündigung als Gestaltungsmittel?
Angesichts aktueller Herausforderungen kann der Gedanke aufkommen, den problematisch gewordenen Vertrag einfach zu kündigen oder die Erfüllung zu verweigern. Vom Grundsatz her können Dauerschuldverhältnisse auch ohne besondere Begründung gekündigt werden, häufig mit einer vereinbarten Frist. Auch insofern empfiehlt sich zuerst ein Blick in den Vertrag. Eine nicht vertraglich vorgesehene oder eine fristlose Kündigung, oder sogar eine Erfüllungsverweigerung sollten auf keinen Fall ohne vorherige, ausführliche rechtliche Beratung vorgenommen werden. Sie werden wahrscheinlich zu Erfüllungs- und / oder Schadensersatzansprüchen der anderen Seite führen.