Zollbericht Welt WTO
Aktuelle Geschehnisse beeinflussen Handelsmaßnahmen
Die durch aktuelle Krisen gebeutelte Weltwirtschaft beeinflusst den Einsatz von Handelsmaßnahmen.
18.12.2023
Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn
Aus aktuellen Studien sowie dem letzten Trade Monitoring Report der WTO (Berichtszeitraum Oktober 2022 bis Oktober 2023) geht hervor, dass der Anteil der Handelserleichterungen den der Handelsbeschränkungen übersteigt. Dennoch belasten Beschränkungen den Welthandel stark.
Entwicklung der Handelsbarrieren
Der Anteil der Handelshemmnisse am weltweiten Import steigt weiterhin an und erreicht mit dem aktuellen Wert von 9,9 Prozent einen neuen Höchstwert.
Trotz des steigenden Anteils der Hemmnisse am weltweiten Import spiegeln die letzten Berichtszeiträume möglicherweise eine Wende im protektionistischen Verhalten der Volkswirtschaften wider. Denn in den letzten Jahren implementierten die WTO-Mitglieder mehr handelserleichternde als handelsbeschränkende Maßnahmen.
Im letzten Berichtszeitraum führten die WTO-Mitglieder 303 neue handelserleichternde und 193 handelsbeschränkende Maßnahmen für Waren ein. Diese Maßnahmen standen in keinem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Der überwiegende Anteil der handelserleichternden Maßnahmen betraf die Einfuhr. Dabei setzten die Staaten zumeist auf den Abbau von Einfuhrzöllen oder auf die Beseitigung beziehungsweise Vereinfachung der mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen. Die meisten handelsbeschränkenden Maßnahmen waren dagegen Ausfuhrmaßnahmen.
Eine Übersicht der konkreten Handelsmaßnahmen stellt die WTO zur Verfügung: Trade-Related Measures
Aktuelle Krisen verändern die Entwicklung der Handelshemmnisse
Aktuelle Auslöser dieser Veränderungen sind unter anderem der Krieg in der Ukraine, aber auch die Auswirkungen und Folgen der Coronapandemie.
Krieg in der Ukraine
Durch den Krieg in der Ukraine wuchs die Anzahl der Exportbeschränkungen auf Lebensmittel, Futter und Düngemittel stark an. In der Zeit zwischen Ausbruch des Krieges und Mitte Oktober 2023 erließen 32 WTO-Mitgliedern und acht Beobachterstaaten 122 Ausfuhrbeschränkungen für wichtige Agrarrohstoffe. Mitte Oktober 2023 waren noch 75 Maßnahmen in Kraft. Die meisten Handelsbarrieren wurden in Form von Exportverboten, Exportlizenzvoraussetzungen, Quoten und Ausfuhrabgaben umgesetzt.
Neben den Handelsbeschränkungen wurden zwischen Ausbruch des Krieges und Mitte Oktober 2023 auch 100 Handelserleichterungen auf verschiedene landwirtschaftliche Güter wie zum Beispiel Reis, Fleisch und Pflanzenöl eingeführt, wobei 33 dieser Maßnahmen bereits ausgelaufen sind.
Zu Beginn des Krieges wurden aus Angst vor inländischen Engpässen bei Nahrungs-, Futter- und Düngemitteln Exportverbote sowie Exportquoten erlassen. Solche Maßnahmen wirken sehr restriktiv und beeinflussen die Handelsströme in unmittelbarer Weise. Mittlerweile mehren sich vor allem Maßnahmen, die lediglich mittelbar mit dem Krieg im Zusammenhang stehen. Diese Maßnahmen beziehen sich dagegen auf die Sicherstellung der inländischen Versorgung und gelten primär als Reaktion auf die wachsende Nahrungsmittelkrise.
Corona
Auch in Zeiten von Corona wurden zahlreiche Hemmnisse erlassen. Vor allem zu Beginn der Pandemie leiteten Staaten fast täglich Maßnahmen ein, die sich auf den internationalen Wettbewerb auswirkten. Dabei standen vor allem Exportverbote, -kontrollen und -beschränkungen auf der Tagesordnung. Aber auch Handelserleichterungen wurden zunehmend eingeführt.
Zwischen Ausbruch der Pandemie und Mitte Oktober 2023 wurden der WTO 458 Handelsmaßnahmen mit Coronabezug gemeldet. Davon waren 255 (55,7 Prozent) handelserleichternder Natur und 203 (44,3 Prozent) beschränkender Natur. Da die Handelsmaßnahmen zunehmend auslaufen und im Regelfall nicht verlängert werden, bestanden Mitte Oktober 2023 nur noch 122 Handelserleichterungen und 31 Handelsbarrieren.
Über 82 Prozent der Handelserleichterungen betrafen beziehungsweise betreffen noch immer die Einfuhr. Erleichterungen wurden unter anderem in Form von Zollerleichterungen umgesetzt. Zahlreiche WTO-Mitglieder sowie Beobachter-Staaten senkten die Einfuhrabgaben auf medizinische Geräte und Produkte, wie zum Beispiel Desinfektionsmittel, Schutzausrüstung oder Medikamente. Die Handelsbarrieren weisen dagegen zumeist einen Exportbezug auf.
Erleichterungen | Ausgelaufene Erleichterungen | Beschränkungen | Ausgelaufene Beschränkungen | Gesamt | |
---|---|---|---|---|---|
Import | 211 | 115 | 20 | 11 | 231 |
Export | 28 | 12 | 174 | 154 | 202 |
Andere | 16 | 6 | 9 | 7 | 25 |
Gesamt | 255 | 133 | 203 | 172 | 458 |
Abbau von Handelsmaßnahmen auch weiterhin primäres Ziel
Die aktuellen Geschehnisse, die voranschreitende Globalisierung, die Weiterentwicklung sämtlicher Standards sowie der Rückbau von Zollbarrieren zeigen, dass sich in den letzten Jahren vor allem nichttarifäre Maßnahmen in den Vordergrund gestellt haben.
Das Ziel der Vergangenheit, Zölle abzubauen, hat sich gewandelt. Heute ist der Abbau tarifärer und nichttarifärer Maßnahmen entscheidend. Für den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse stehen multilaterale und bilaterale Abkommen, unilaterale Handelserleichterungen und Auslaufklauseln zur Verfügung. Einerseits können sich die Partner mithilfe von Abkommen zum Abbau nichttarifärer Hemmnisse verpflichten und andererseits kann proaktiv in Form von Auslaufklauseln gehandelt werden. Der Abbau nichttarifärer Maßnahmen spielt bereits in zahlreichen Verhandlungen eine wichtige Rolle. Dank der zahlreichen Handelsabkommen, die in den letzten Jahren vermehrt geschlossen wurden, konnten Zölle sowie nichttarifäre Hemmnisse auf bilateraler Ebene reduziert oder sogar vollständig abgebaut werden.
Den verdeckten Protektionismus in Form der nichttarifären Maßnahmen abzubauen, kann die Liberalisierung des internationalen Handels weiter vorantreiben. Dafür müssen nichttarifäre Maßnahmen einen ebenso hohen Stellenwert wie Zölle einnehmen und Bestandteil von Verhandlungsrunden und Abkommen werden. Zudem sollten tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse unter dem multilateralen Dach der WTO diskutiert und abgebaut werden. Einheitliche Regeln könnten zahlreiche Probleme lösen und die Liberalisierung des Welthandels vorantreiben.