Das Ende der Dienstleistungsfreiheit
Mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus dem Dienstleistungs-Binnenmarkt endete die Dienstleistungsfreiheit. Der Partnerschaftsvertrag zwischen Europäischer Union (EU) und Vereinigtem Königreich (VK) trifft daher neue Regelungen für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen.
Das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit sieht im zweiten Teil Erleichterungen für den Handel mit Dienstleistungen und Investitionen vor, die über die grundlegenden Bestimmungen des Rechts der Welthandelsorganisation (WTO) hinausgehen. Dabei deckt das Abkommen verschiedene Sektoren ab, einschließlich Unternehmensdienstleistungen, Liefer- und Telekommunikationsdienstleistungen, Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen und Umweltdienstleistungen.
Bestimmte Dienstleistungsbereiche sind allerdings von der Liberalisierung ausgenommen. Hierzu zählen insbesondere einige Verkehrsdienstleistungen sowie audiovisuelle Dienstleistungen. Dies entspricht gängiger Praxis in anderen von der EU ausgehandelten Freihandelsabkommen.
Für den Bereich Finanzdienstleistungen gelten Sonderregelungen. So streben beispielsweise beide Parteien bis März 2021 eine Vereinbarung zur Schaffung eines Rahmens für die regulatorische Zusammenarbeit an.
Neue Bedingungen für die Dienstleistungserbringung
Seit dem 1. Januar 2021 gelten neue Regeln für den Bereich Dienstleistungen und Investitionen: Dienstleistungsanbieter aus der EU, die im VK tätig werden wollen, müssen neue Bedingungen erfüllen. Dies gilt auch in umgekehrter Richtung. Der tatsächliche Umfang des Marktzugangs hängt davon ab, in welcher Form die Dienstleistung erbracht wird. Hier wird nach vier verschiedenen Modi unterschieden:
- Die Dienstleistung wird grenzüberschreitend vom Heimatstaat des Dienstleisters aus erbracht, zum Beispiel per Internet oder Telefon (Modus 1).
- Die Dienstleistung wird im Land des Dienstleisters erbracht, beispielsweise an einem Kunden, der ins Ausland reist und dort eine Dienstleistung empfängt (Modus 2).
- Die Dienstleistung wird über eine Niederlassung im Ausland erbracht (Modus 3).
- Der Dienstleistungserbringer reist ins Ausland und erbringt die Dienstleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Staates (Modus 4).
Der Bereich Dienstleistungen im Partnerschaftsabkommen
Der Marktzugang ist in Artikel 135 geregelt. Danach sollen die Vertragsparteien keine Maßnahmen ergreifen, die zu einer quotenmäßigen Beschränkung oder zu einer wirtschaftlichen Bedarfsprüfung führen – weder bezogen auf das gesamte Staatsgebiet noch begrenzt auf bestimmte Regionen.
Gemäß Artikel 136 besteht kein Erfordernis eine lokale Präsenz im Gebiet der anderen Vertragspartei zu unterhalten, um eine Dienstleistung erbringen zu dürfen.
Artikel 137 statuiert die Inländerbehandlung, das heißt, ausländische Dienstleistungserbringer sollen nicht schlechter behandelt werden als inländische. Somit gewährt jede Vertragspartei Dienstleistern und Dienstleistungen der anderen Vertragspartei eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung, die sie in vergleichbaren Situationen ihren eigenen Dienstleistern und Dienstleistungen gewährt.
Artikel 138 widmet sich der Meistbegünstigung. Demnach gewährt jede Vertragspartei Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern der anderen Vertragspartei eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die sie in vergleichbaren Situationen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines Drittlandes gewährt.
Artikel 139 enthält sodann eine Vorbehaltsregelung zu nichtkonformen Maßnahmen: In der Praxis wird die tatsächliche Möglichkeit, eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen, daher auch von bestimmten im Abkommen festgelegten Vorbehalten abhängen, die europäischen Dienstleistungserbringern auferlegt werden können, wenn sie im VK Dienstleistungen erbringen – und umgekehrt. Sind bestimmte Sektoren oder Tätigkeiten in den Anhängen des Abkommens gelistet, so gelten die zuvor genannten Prinzipien nur eingeschränkt. Diese Listen sind als sogenannte Negativlisten ausgestaltet. Das bedeutet, dass grundsätzlich jede Art der Dienstleistungserbringung erlaubt ist, sofern sie nicht explizit von dem Geltungsbereich des Abkommens ausgenommen ist. In den Anhängen finden sich daher Sektoren, die vollständig ausgeklammert sind oder für die Beschränkungen gelten.
In Anhang 19 finden sich bereits existierende Beschränkungen; so sind beispielsweise juristische und Wirtschaftsprüfungsdienstleistungen (Nr. 2) sowie Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen (Nr. 4) gelistet. Um bestimmte Rechtsdienstleistungen zu erbringen, kann es daher erforderlich sein, eine Genehmigung oder eine Lizenz von einer zuständigen Behörde zu erhalten oder bestimmte Registrierungsanforderungen zu erfüllen. Für mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die vom VK finanziert werden, dürfen ausschließliche Rechte oder Genehmigungen nur Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs und juristischen Personen des Vereinigten Königreichs mit satzungsmäßigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung im VK erteilt werden.
Anhang 20 listet Bereiche auf, in denen sich das VK vorbehält, künftige Maßnahmen zu ergreifen oder beizubehalten: so zum Beispiel in Bezug auf Bildungsdienstleistungen (Nr. 8), Dienstleistungen im Bereich Freizeit, Kultur und Sport (Nr. 11) sowie Transportdienste (Nr. 12).
Die Vorbehalte einer Vertragspartei lassen die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im Rahmen des WTO-Abkommens General Agreement on Trade in Services (GATS) unberührt.
Der Lizenzfinder
Die britische Regierung hat ein Tool eingerichtet, das Auskunft über die zur Dienstleistungserbringung potenziell notwendigen Lizenzen gibt. Nach Eingabe des Dienstleistungssektors und der konkreten Tätigkeit sowie dem Ort der Dienstleistungserbringung werden entsprechende Suchergebnisse angezeigt.
Von Nadine Bauer
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Bonn